Der Apostel Petrus spricht von der „Zukunft des Tages des Herrn, in welchem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden”. Wer diese Stelle vom materiellen Standpunkt aus erklärt, wird wohl kaum ein sofortiges Erscheinen dieses Tages wünschen. Im metaphysischen Sinne ausgelegt erweckt jedoch dieser Ausspruch keine Furcht, denn er versinnbildlicht einen mentalen Vorgang, nämlich die Zerstörung eines falschen, materiellen Begriffs und die Wiederherstellung eines wahren oder geistigen Begriffs, den die Heilige Schrift den „neuen Himmel” und die „neue Erde” nennt.
Der althergebrachte Glaube an einen Gott des Zornes und der Rache führte zu dem Glauben an einen Gerichtstag, dessen Betrachtung uns mit Furcht und Entsetzen erfüllen muß. In der Christlichen Wissenschaft wird es uns jedoch klar, daß sich der Christus nie und nimmer in dieser Weise offenbaren wird. Das Kommen des Christus ist ein geistiges Erwachen; es ist das Erscheinen der göttlichen Idee im menschlichen Bewußtsein. Langsam aber sicher gelangen die Sterblichen zu der Erkenntnis, daß man weder hier noch hiernach in einer andern Weise das Sterbliche verlassen kann, als durch das Überwinden und Vernichten eines falschen Begriffs vom Sein. Der Meister sagt: „Seit getrost, Ich habe die Welt überwunden”. Dies kann nichts andres heißen, als daß er den materiellen Begriff von der Welt überwunden hatte. Demonstrierte er doch fortwährend die Obergewalt geistiger Verursachung. Nun hat aber dieser Kampf mehr in Jesu Bewußtsein als in seiner äußeren Umgebung stattgefunden, und er findet bei jedem Menschen in gleicher Weise statt. Den alten Menschen abzulegen ist eine rein metaphysische Arbeit. Wenn sie vollendet ist, werden Formen, Umrisse und Symmetrie als mental und nicht als physisch erkannt werden.
Die Natur erscheint dem Christlichen Wissenschafter bereits unendlich viel schöner, weil er anfängt, das Weltall durch die Linse des Geistes anzusehen. In dem Maße, wie er dies tut, verweist er das Gesetz der Zerstörung, der Auflösung und des Verfalls in die tote Vergangenheit und denkt sich die Schönheiten der Schöpfung als geistig, wirklich und dauernd. Nur in dieser Weise lernt er die Natur und den Gott der Natur lieben. Der Materialist denkt, seine Liebe zur Natur sei tief gefühlt; dennoch aber bleibt die Tatsache bestehen, daß, solange er durch die materielle Linse sieht, er nur einen verkehrten Begriff von dem hat, was er schön nennt. Wenn der materielle Begriff von Blumen oder Bäumen symmetrisch und schön genannt wird, wie viel schöner muß der geistige Begriff oder die geistige Idee von denselben sein! Wenn die Natur mehr im Lichte der Metaphysik betrachtet wird, wird weniger Furcht vor Verlust und Zerstörung herrschen, denn wer reich an Ideen ist, kann sein Besitztum nicht verlieren. Sein Begriff von Besitztum ist mental, nicht physisch oder materiell. Er versteht, daß eine absolut richtige Idee über irgend etwas wahres Besitztum ausmacht —„ein unvergängliches und unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, das behalten wird im Himmel.”
Die „Zukunft des Tages des Herrn” ist das Aufdämmern der göttlichen Wahrheit im individuellen Bewußtsein — das Erscheinen des rechten Begriffs, der stets den falschen Begriff verdrängt. Wenn z. B. ein Mensch die wahre Idee von Gesundheit erlangt, so verliert er die irrige Annahme, daß er krank und leidend ist, und dies nennen wir christliches Heilen. Ein mit Krankheit erfülltes Bewußtsein, das den Sinnen beistimmt, wenn dieselben für die Macht und Wirklichkeit von Krankheit zeugen, braucht einen Erlöser; mit andern Worten: ein irrtümlicher mentaler Begriff bedarf der Berichtigung. Da nun Gott der Quell richtiger Ideen ist, so muß man sich an Ihn wenden, wenn man das wahre Heilmittel finden will, welches in den Worten des Meisters angedeutet wird: „Denn er [der Teufel] ist ein Lügner und ein Vater derselbigen.” Wenn man verstehen lernt, daß Krankheit ein Irrtum des Sinnes ist, den die Erkenntnis der Wahrheit verscheucht, dann verschwindet die Disharmonie und es ist bewiesen, daß die Metaphysik ein wirksames Mittel gegen körperliche Leiden ist.
Dieselbe Regel gilt in bezug auf die Sünde. Ja, „wohl dem Menschen, den Gott zurechtweist (nach der englischen Bibelübersetzung). Wohl dem, der „die Zukunft des Tages des Herrn” froh begrüßt. Wohl dem, der sein falsches Denken gerne bloßlegen läßt und richtigen Ideen bereitwillig Einlaß in sein Bewußtsein gewährt. Ja, Mrs. Eddy hat recht, wenn sie erklärt: „Kein jüngstes Gericht erwartet die Sterblichen, denn der Gerichtstag der Weisheit kommt stündlich und beständig, nämlich das Gericht, durch welches der sterbliche Mensch allen materiellen Irrtums entkleidet wird” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 291). Diese eine Erklärung der Wahrheit hat bereits Wunder unter den Sterblichen bewirkt, indem sie den grausamen Dämon der Furcht vor einem vermeintlichen jüngsten Gericht und von der ewigen Verdammnis des Sünders vernichtet. Es gibt keinen beruhigenderen Gedanken für den Sterblichen als den, daß die göttliche Liebe ein Gesetz der Vernichtung gegen die Sünde, nicht aber gegen den Sünder ist, und daß Gott Seine Liebe durch die Zerstörung der Sünde beweist. Die Bestrafung der Sünde ist ein Besserungsprozeß, den das individuelle Bewußtsein durchmachen muß, ehe der Tag des Herrn voll erscheinen kann.
Wenn die Lehre der Christlichen Wissenschaft von der Welt im allgemeinen angenommen würde, dann würden Krankheit und Sünde weniger werden, Verbrechen würden abnehmen und Furcht vor Unglück und Tod würden bald der Vergangenheit angehören. Viele ausgesprochene Christen heißen den Gerichtstag des Verständnisses willkommen. Mögen sie in der Christlichen Wissenschaft die offene Tür finden zu einer höheren christlichen Anschauung, die sie von dem illusorischen Leiden, das sie wegen der Art ihrer Erziehung für wirklich und unvermeidlich hielten, befreien wird. Möge ihnen das inspirierte Buch Wissenschaft und Gesundheit die trostreiche Botschaft verständlich machen, daß Christus, die Wahrheit, alle Tränen abwischt, und daß der Mensch als die Wiederspiegelung Gottes im Besitz des ewigen Lebens ist. Wenn sie so ihren Sinn und ihr Herz den Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft geöffnet haben, werden sie von ganzem Herzen sagen können: „Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe”—„die Zukunft des Tages des Herrn”.