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Es gibt keine Beschränkung

Aus der Januar 1914-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Definition des Wortes Beschränkung als „ein beengender Zustand, ein begrenzter Umstand oder ein bedingter Begriff von den vorhandenen Möglichkeiten” paßt genau auf die Verfassung, in der wir uns befinden, wenn wir anfangen uns für die Christliche Wissenschaft zu interessieren. Die menschliche Natur rüttelt wohl zuweilen an ihren Fesseln, gibt sich aber meistens mit denselben zufrieden und ist so an sie gewöhnt, daß es ihr beinahe unmöglich scheint, sie je in diesem Leben loszuwerden. Wenn wir dann durch das Studium der Christlichen Wissenschaft erkennen gelernt haben, daß solche Zustände unwirklich und daher überwindbar sind, bemächtigt sich unser oft ein Gefühl der Verwirrung und Entmutigung wegen der scheinbaren Hartnäckigkeit, mit der dieses sogenannte Gesetz der Beschränkung trotz unsres ehrlichen Verlangens nach Freiheit an uns haftet, und wir fangen dann an, nach der Ursache zu forschen. Durch ruhiges Nachdenken und ernstes Studium jedoch wird uns der Grund offenbar.

Die erste Frage, die der Beantwortung bedarf, ist wohl: „Wollen wir wirklich frei sein?” Als Christus Jesus den Juden sagte, daß sie durch das Erkennen der Wahrheit frei werden könnten, erwiderten selbst diejenigen, die an ihn glaubten: „[Wir] sind nie keinmal jemands Knechte gewesen”. Es ist eine wohlbekannte Tatsache, daß Sklaven, denen die Freiheit geschenkt worden ist, oft mit dieser Freiheit nichts anzufangen wissen und sich nach den alten Zuständen zurücksehnen, statt dankbar die Gelegenheit zu einer besseren Lebensweise zu ergreifen. Freiwillige Sklaverei, wie sie auch in unsern Tagen noch genug vorkommt, ist nur zu oft das Resultat von Gleichgültigkeit, von einem Mangel an Verlangen nach Freiheit des Denkens und Handelns. So viele ziehen es vor, geleitet zu werden, anstatt die beschwerliche Aufgabe des selbstständigen Denkers auf sich zu nehmen.

Es ist nichts Ungewöhnliches, daß in einer Gruppe sich gleichstehender Menschen ein einzelner die Führung an sich reißt, ohne daß er dazu besonders befähigt wäre, und die übrigen fügen sich fast immer seinen Bestimmungen. Ein Begebnis, das ich kürzlich beobachtete, ist ein guter Beweis für das eben Gesagte. Während ich in einer Bahnsteighalle auf einen Zug wartete, hatten sich in meiner Nähe nach und nach einige Personen zusammengefunden, offenbar Freunde, die gemeinschaftlich eine Reise unternehmen wollten. Sie unterhielten sich eine Weile in aller Ruhe, bis plötzlich eine der Personen sehr aufgeregt wurde, zu den andern sagte, sie wären nicht auf dem richtigen Bahnsteig, und die Gesellschaft hin und her wies, so daß die Ruhe und Harmonie aller gestört war. Ohne Bedenken fügten sich alle dem Kommando, und die Folge davon war, daß der Zug verfehlt wurde, weil sich die Reisegesellschaft bei seinem Eintreffen auf der unrechten Seite des Bahnhofs befand. Hätten diese Leute von ihrem Recht, selbständig zu denken, Gebrauch gemacht, dann wären sie sicher nicht irre geleitet worden. Nur zu viele Menschen sind damit zufrieden, ihr Denken von andern besorgen zu lassen, und sie erdulden dann die gerechte Strafe für ihre Trägheit.

Ist es unter solchen Umständen ein Wunder, daß das Gefühl der Beschränkung uns von allen Seiten einengt? Dieses Gefühl beweist immer einen Mangel an Erkenntnis des Wesens Gottes und des Menschen. Was ist es andres, das uns beschränkt, als unsre eigne Unfähigkeit, auch nur einigermaßen die Unendlichkeit Gottes, die Allgegenwart des uns stets erreichbaren Guten zu erfassen? Der Glaube an einen persönlichen Gott, die Annahme, daß das Leben in der Materie sei, bildet die Wurzel dieses Übels, an das wir uns so gewöhnt haben, daß es uns wie ein notwendiger Teil unsres Seins erscheint. Wir haben alle eine so beschränkte Vorstellung vom Leben und von den Problemen, die es uns bietet. Es hat jemand gesagt, und zwar mit Recht, der Mensch müsse nach dem Maßstabe von Hemisphären und nicht nach dem Maßstabe von Dörfern denken. Ein derartig erweitertes Denken läßt uns unsre Probleme in einem ganz andern Lichte erscheinen. Wenn wir erst eingesehen haben, daß wir durch das Überwinden des Irrtums in unserm eignen Bewußtsein die Welt von der scheinbaren Macht des Übels befreien helfen, dann kommt uns unsre Aufgabe viel leichter vor. Mutig machen wir uns auf den Weg, der allein aus dem Wüstenland des sterblichen Sinnes herausführt.

Als Resultat dieser verbesserten Gedankentätigkeit fangen die Grenzen unsrer Möglichkeiten an sich zu erweitern. Wir verspüren Erleichterung von dem Druck, der ein weiteres Ausgreifen des Gedankens und ein freieres Handeln hindert. Schwierigkeiten, die wie Berge vor uns standen, sind durch ein besseres Verständnis von der Allgewalt der Liebe zum kleinen Pünktchen am fernen Horizont geworden. Auch unsre Stellung zu der Handlungsweise unsres Nächsten wird eine andre. Wir beschäftigen uns weniger damit, ob er Recht oder Unrecht tut, sondern suchen vielmehr in ihm das vollkommene Ebenbild zu sehen, das ja überall zum Ausdruck kommen muß. Wir verlieren den Begriff von Persönlichkeit, wenn wir „den neuen Himmel und die neue Erde” schauen — das wahre Universum, welches sich in der Christlichen Wissenschaft jedem sehenden Auge und hörenden Ohr entfaltet.

Das Beispiel, das uns Mrs. Eddy gegeben hat, indem sie sich unter allen Umständen weigerte, vor dem die göttliche Idee beschränkenden Gedanken das Knie zu beugen, sollte uns zur Nachahmung anspornen. Wie unser Meister, so sah auch sie die Felder „weiß zur Ernte”. Sie betonte eindringlich, daß das Einheimsen nach „mentalen, nicht nach materiellen Verfahrungsarten” geschehen müsse („Unity of Good“, S. 12). Jesus wußte, daß Gottes Werk vollkommen war und daß Er es vollendet hatte. Und doch lassen wir uns von der Furcht Handschellen anlegen und Strafe auferlegen. (Siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. 436). Es wird oft gefragt: „Warum ist mein Lebensunterhalt nicht reichlicher?” Liegt es nicht daran, daß wir uns fürchten, über das was wir bereits haben, frei zu verfügen, und nicht einsehen, daß alles Gute jederzeit für uns bereit steht? Wir müssen klar erkennen lernen, daß Geist die einzige Substanz ist und daher unendlich sein muß; daß es außerhalb unsrer unmittelbaren Umgebung andre Probleme gibt, die weit wichtiger sind als unsre individuellen Probleme.

Im Evangelium des Johannes wird uns erzählt, daß die Juden, nachdem sie den Worten Jesus im Tempel gelauscht hatten, „ein jeder ... hin in sein Haus” ging (Zürcher Bibel); d. h. ein jeder kehrte zu seiner eignen Denkart zurück. „Jesus aber ging an den Ölberg”. Sind wir damit zufrieden, uns innerhalb des Gedankenkreises des sterblichen Sinnes zu bewegen? Sollten wir nicht vielmehr danach trachten, „die Dinge ... des Geistes Gottes” zu erfassen, die nur „geistlich beurteilt” werden können? Laßt uns den Berg der Inspiration ersteigen, den Gottes-Gedanken erfassen, der uns von allem befreien wird, was nicht gut ist. Dadurch werden wir teilhaben an der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.

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