Der Wunsch, erfolgreich zu sein, wird im allgemeinen als ein ehrenwertes Streben angesehen, zumal wenn der Gegenstand des Strebens etwas ist, was der Sterbliche für geeignet hält, ihm und andern zu einem klareren Bewußtsein des allgegenwärtigen Guten zu verhelfen. Jedes ehrliche Bemühen zur Förderung der Menschheit ist lobenswert und empfängt zur richtigen Zeit seinen „rechten Lohn”. Ist jemand überzeugt, daß nichts ihn hindern kann, zu ernten, was er gesät hat, dann ist er auch willens, zu arbeiten und zu warten. Sein Glaube an das Gute hält ihn aufrecht und verleiht ihm die Fähigkeit auszuharren, wenn er auch die Zeit oder die genaue Art der Belohnung seines Strebens nicht erkennen mag.
Entmutigung ist ein Übel. Sie ist einer der größten Feinde des menschlichen Fortschritts. Sie vereitelt oft das Zustandekommen dessen, was sonst mit Leichtigkeit geschehen wäre. Wenn ein Mensch wüßte, daß ihm der Erfolg sicher wäre, wenn er nur lange und ausdauernd genug arbeitete, so gäbe es verhältnismäßig wenig Mißerfolge. Ungewißheit hinsichtlich des Ausgangs einer Sache sowie Furcht vor einem Mißerfolg sind für den Fortschritt Hindernisse, die entfernt werden müssen, ehe man sich in der rechten Weise betätigen kann.
Vom menschlichen Standpunkt aus ist es schwer, das Gefühl der Furcht zu überwinden, wenn man überzeugt ist, daß man alle Ursache hat, sich zu fürchten. Wie kann bei einem Menschen unter solchen Umständen Furcht beschwichtigt werden? Er muß vor allem einen ganz andern Gesichtspunkt gewinnen. Solange er seine gegenwärtige Anschauung von den Dingen für richtig hält, kann er nicht einsehen, daß seine Furcht unbegründet ist. Umwandlung durch Erneuerung des Geistes ist hier allein wirksam. Das Alte muß vergehen. und alle Dinge müssen neu werden; irrige Anschaungen müssen wahren Gedanken Platz machen, die das Gefühl der Hoffnung, der Gewißheit und des Vertrauens mit sich bringen.
Die Hauptursache von dem Mißerfolg des sterblichen Menschen ist die Anschauung, daß Erfolg sich als Resultat seiner persönlichen Bemühungen einstellen müsse; mit andern Worten, es kommt ihm nicht zum Bewußtsein, daß Gott zur Vollbringung alles Guten mit ihm wirkt. Die Christliche Wissenschaft hat Tausenden von Menschen auf allen Lebenswegen und in allen Berufszweigen geholfen, indem sie ihnen die Erkenntnis gebracht hat, daß sie aus sich selbst nichts tun können. Die Anschauung, daß der Mensch von seinem Schöpfer getrennt sei und es ihm überlassen bleibe, den selbstgewählten Weg zu gehen, weicht der Erkenntnis, daß der Mensch von Gott, dem Guten, nicht getrennt ist und in Wirklichkeit von Ihm nicht getrennt werden kann. Die Summe aller wahrhaft wirkenden Kraft ist die Wirksamkeit des göttlichen Gemüts; und in dem Maße, wie wir diese Wirksamkeit widerspiegeln, sind wir beim Vollbringen unsres Lebenswerks wahrhaft erfolgreich.
Die Erkenntnis, daß Gott Prinzip ist, vermindert durchaus nicht im Menschen den Wunsch, erfolgreich zu sein, sondern klärt seinen Blick für das, was wirklichen Erfolg ausmacht, und bringt ihn zu der Einsicht, daß viele Dinge, die er sich einstmals sehnlichst wünschte, in Wirklichkeit gar nicht begehrenswert sind. Zudem sind seine Augen geöffnet worden, das größere Gut zu erkennen, die „köstliche Perle”, für deren Besitz er alles übrige wohl verkaufen kann.
Erfolg bei derartigem Streben ist äußerst wünschenswert, denn nicht nur dem einzelnen, sondern auch der Gesamtheit wird dadurch geholfen. Auf diesem Tätigkeitsfeld kann niemand durch den Erfolg eines andern zu Schaden kommen; vielmehr werden alle, die getreulich nach dem Guten streben, gestärkt und ermutigt, wenn andre den Lohn ihrer Bemühungen empfangen, denn sie haben das beruhigende Gefühl, daß auch sie einstmals die Worte vernehmen werden: „Wohl, du guter und getreuer Knecht!” [Zürcher Bibel.]
Unter den Sterblichen ist die Ansicht allgemein verbreitet, daß keine unmittelbare Beziehung herrsche zwischen Erfolg in materieller Hinsicht und den, Besitz geistiger Güter. Daher sprechen sie von materiellem Leben und von geistigem Leben und betrachten beide als so weit von einander getrennt, daß der Einfluß des letzteren auf das erstere kaum noch erkannt wird. Diesem Gesichtspunkt zufolge hat der Mensch zwei Naturen, eine materielle und eine geistige, die sich zu einem Ganzen vereinen, für deren Entwicklung aber verschiedene Verfahrungsarten und Verhaltungsmaßregeln nötig sind. Bei dem Bestreben, im materiellen Sinne erfolgreich zu sein, wird geistigen Dingen wenig oder gar keine Aufmerksamkeit geschenkt.
Diese Anschauung vom Leben und den damit verbundenen Problemen ist von der Anschauung des Meisters gänzlich verschieden. Sie gleicht einem „Haus”, das „mit ihm selbst uneins” ist, denn ihr zufolge kann materieller Erfolg und Wohlstand nicht in der Weise erlangt werden, in der man in den Besitz geistiger Dinge gelangt. Man nimmt an, der Preis für geistigen Fortschritt bestehe im Verlust materieller Dinge, die, wenn auch nicht notwendig, so doch wünschenswert seien. Das Leben, wie der Meister es auffaßte, besteht nicht aus widerstreitenden Elementen. Nur ein Ziel gibt es, das erreicht werden muß, nur einen Weg zum Erfolg, nur einen Einfluß, der vorwärts und aufwärts führt.
Der große Lehrer ließ jene Dinge nicht außer acht, die zum harmonischen Dasein in dieser Welt nötig sind. Er lehrte, daß man in den Besitz alles für die Gegenwart Notwendigen gelangt, wenn man am ersten nach dem ewig Guten trachtet. In der Bergpredigt, der größten Predigt, die je gehalten wurde, sagte er: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen”. Mit diesen Worten gab er allen Menschen die Richtschnur des Handelns, die unter allen Umständen und in allen Verhältnissen der einzig sichere Führer ist.
Das Wichtigste im Leben ist, „das Reich und die Herrschaft der allumfassenden Harmonie” zu erlangen (Wissenschaft und Gesundheit, S. 208); alles übrige ist untergeordneter Art und nur insofern von Wert, als es einem dazu verhilft, einen klareren Begriff von der Wirklichkeit zu erlangen. Durch die Christliche Wissenschaft lernt man, daß die eben angeführten Worte des Meisters auf allen Gebieten menschlicher Tätigkeit, Wirksamkeit und Erfahrung von praktischer Bedeutung sind. Das, was die Menschheit als materiellen Erfolg und Wohlstand betrachtet hat, kann nur dann zum Guten dienen, wenn es ein Ergebnis des Trachtens nach dem Reich Gottes ist. Das Gesetz des unendlich Guten bestimmt, daß ein Mensch nur das, was er verdient, erhalten soll und daß er andern den vollen Wert für das von ihnen Erhaltene zu geben hat. Dieses ewige Gesetz der Gerechtigkeit führt zum Wohle aller.
Angst vor einen, Fehlschlag hat oftmals den Fehlschlag geradezu herbeigeführt. Der Sterbliche ist geneigt, die Möglichkeit eines Erfolges nach den vermeintlich für oder gegen ihn wirkenden Faktoren abzuschätzen. Da seine Erkenntnis beschränkt ist, stellt sich bei ihm oftmals das Gefühl der Furcht ein, wo keine Veranlassung dazu vorliegt, um dann zu andern Zeiten einem übertriebenen Optimismus Platz zu machen. Der Grund hierfür ist, daß er die Dinge von einem völlig materialistischen Gesichtspunkt aus betrachtet. Solange noch Aussicht auf Erfolg ist, begnügt sich der Sterbliche damit, in materieller Weise zu arbeiten; wenn aber Fehlschlüge eintreten oder einzutreten scheinen, beginnt bei ihm das stille Hoffen, daß es am Ende doch eine Macht gebe, die höher ist als die Dinge hienieden, und daß diese Macht ihm in seiner Not helfen könne. Glücklich ist der Mensch zu nennen, der unter solchen Umständen erfährt, daß Gott eine stets gegenwärtige, allgenugsame Hilfe ist.
Der Schreiber dieser Zeilen kannte einen Mann, der sich nur ungern um Hilfe der Christlichen Wissenschaft zuwandte. Er war physischer Heilung äußerst bedürftig. Seine Ärzte hatten bei ihrer Behandlung alles Denkbare angewandt, ohne ihm aber Hoffnung zu machen. Für geistige Dinge hatte er wenig oder gar kein Interesse, war eigentlich Atheist, hoffte aber, obgleich er die Lehre der Christlichen Wissenschaft gar nicht kannte, sie könnte ihm Hilfe bieten. Die gewünschte Besserung in physischer Hinsicht wurde ihm auch in verhältnismäßig kurzer Zeit zuteil. Mit der physischen Heilung kam aber der Wunsch, der Christlichen Wissenschaft näherzutreten. Er begann mit dem eifrigen Lesen unsres Lehrbuchs, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, und bekundete ein tiefes Interesse für dasselbe. Nach nahezu völliger Wiederherstellung gab er seiner Dankbarkeit für den in physischer Beziehung empfangenen Segen Ausdruck und erklärte zugleich, an der Christlichen Wissenschaft spreche ihn am meisten die Lehre an, daß, wenn man sein Bestes getan habe, alles einen guten Verlauf nehmen werde; diese Gewißheit verhelfe ihm dazu, seinem höchsten Verständnis gemäß zu handeln.
Die in so kurzer Zeit erfolgte tiefgehende Wandlung im Denken dieses Mannes mag schwer begreiflich erscheinen. Der Glauben, daß man die eigne Kraft anwenden müsse, wenn man etwas ausrichten wolle, hatte bei ihm der Überzeugung Platz gemacht, daß es eine gute, mit dem Menschen wirkende Kraft gibt, die ihn für sein Streben belohnt, ihn aus irdischer Disharmonie und irdischen Leiden heraushebt und ihm einen Vorgeschmack vom Himmel gibt.
Die Erfahrung dieses Mannes ist die Erfahrung von Tausenden, die in der Christlichen Wissenschaft lernen, daß Leben geistig ist und daß das sogenannte materielle Leben mit allem, was dazu gehört, nur eine falsche, sinnliche Vorstellung von den Dingen ist, eine Vorstellung, die eine Zeit währt und dann vergeht. Paulus sagte betreffs des materiellen Sinns vom Sein: „Was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.” Er wies in seinen Lehren auf die Wirklichkeit und Wichtigkeit des Unsichtbaren hin und ermutigte andre, nach dem Unvergänglichen zu streben. Über sein eignes Streben und Hoffen schreibt er: „Denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.” Wer das Problem des Lebens auf diese Art löst, geht bei seiner Arbeit vom höchstmöglichen Standpunkt aus. Der Erfolg ist von vornherein sicher, denn wer im Glauben wandelt, hat das Vertrauen, daß Gott in ihm „wirket beide, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen”. Er hat nichts zu befürchten, denn er gelangt nun allmählich zu der Erkenntnis, daß „alle Dinge” tatsächlich „zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind.”
Dieses Vertrauen vernichtet Furcht und ermöglicht es dein Menschen, seine jeweilige Arbeit ungehemmt zu verrichten und somit sein Bestes zu leisten. Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, daß gut getane Arbeit der einzige Weg zum Erfolg ist. Wenn sich bei einem Menschen die Erkenntnis Bahn bricht, daß er jedes gute Unternehmen mit Erfolg betreiben und dabei seine eigne Seligkeit in der von Gott gewiesenen Weise schaffen kann, erlangt er jene einheitliche Anschauung vom Leben, vermöge deren er einsieht, daß geistiges Wohl und die sogenannten materiellen Interessen keineswegs Gegensätze bilden. Vielmehr ist das gewissenhafte Streben und ehrliche Bemühen, wodurch in der einen Richtung etwas vollbracht wird, für das Gelingen in der andern Richtung durchaus notwendig.
Das große menschliche Bedürfnis ist Einheit des Denkens und Handelns, und zwar nicht so sehr unter den Menschen, als im Bewußtsein des einzelnen. In dem Maße, wie sich die Menschen einzeln mit dem göttlichen Prinzip und Seiner Idee vereinigen, wird ihre Vereinigung unter einander stattfinden. Der Mensch muß zu der Einsicht kommen, daß er in Wirklichkeit keine widerstrebenden Interessen hat. Zeitliche Dinge, die wirklich notwendig sind, hindern den geistigen Fortschritt durchaus nicht, und geistiges Wachstum, d.h. Wachstum im Erkennen des wahren Wesens der Dinge, entzieht uns nicht, was wir an gegenwärtigem Guten besitzen.
„Das unsterbliche Gemüt, das alles regiert, muß im sogenannten physischen Reich sowohl wie im geistigen als allerhaben anerkannt werden” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 427). Der Mensch kann die Macht und Obergewalt des göttlichen Gemüts nicht wahrhaft anerkennen, solange er die Anschauung hegt, daß zwischen seinem Geschäft oder seinem Beruf und geistiger Wohlfahrt keine direkte Beziehung herrscht. Erkennt er aber, daß sie nicht im Gegensatz zu einander stehen, dann kann und wird er die Obergewalt des Gemüts anerkennen. Er wird sodann an sich erfahren, daß das unendliche Gemüt stets gegenwärtig ist und daß er sich jederzeit um Hilfe an dasselbe wenden kann.
Im Glauben wandeln bedeutet, von geistiger Erkenntnis geführt werden, wodurch Angst überwunden und Furcht vernichtet wird. Was für eine Last wird durch die Vernichtung dieser Übel gehoben! Um das wahre Bewußtsein vom Sein zu erlangen, in welchem geistiges Verständnis allein regiert, muß man der Wahrheit fortgesetzt die Treue halten. Die Herrschaft über den materiellen Sinn erlangt man nicht in einem Tage; doch kann man den Anfang dazu machen, und durch spätere Ergebnisse wird einem der Beweis geliefert, daß man durch das Bestreben, alle Probleme des täglichen Lebens den Erfordernissen des unwandelbaren Gesetzes Gottes entsprechend zu lösen, keinen Verlust erleidet. Gott ist die Quelle alles Guten. Das Gute ist unendlich, und das Bewußtsein des Guten schließt kein Gefühl des Übels oder der Beschränkung in sich. „Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.” Dies ist eine nachdrückliche Erklärung, daß alles Gute durch Gehorsam gegen das göttliche Gesetz erlangt wird. Gottes Gesetz ist das Gesetz der Harmonie in allem, was schön, gut und wahr ist. Wer den Erfolg in irgendeinem Unternehmen als das Ergebnis eines erweiterten Begriffs vom Guten auffaßt und fortfährt in dem Glauben zu wandeln, der auf Erkenntnis beruht, kann nicht fehlgehen.
Das wandeln im Glauben erscheint dem Sterblichen als ein Zeichen von Schwäche, als ein Geständnis des eignen Mißerfolgs; tatsächlich aber ist es ein Zeichen der Stärke, denn es beweist, daß man gelernt hat, wie man wahren Erfolg erringen kann. Furcht vor dem, was die Zukunft möglicherweise bringen mag, verhindert den vollen Genuß des gegenwärtigen Guten, während das Verständnis, daß Gott unendlich, das allgegenwärtige Gute ist, es einem ermöglicht, sich der Gegenwart zu freuen und sich nicht um den morgenden Tag zu sorgen. Wandelt jemand im Glauben, so lebt er in der Gegenwart. Er hat Erfolg, weil er sich weigert, auf die Einflüsterungen des Übels zu horchen, die das klare Bewußtsein von Gottes schützender Macht verdunkeln möchten. Die Christliche Wissenschaft hilft ihm in der Gegenwart zu leben, wie er es früher nicht vermocht hat, und reicher Segen ist das Ergebnis seiner Bemühungen. Er verliert also nichts, sondern gewinnt alles.
In „Miscellaneous Writings“, Seite 306, schreibt Mrs. Eddy: „Der Psalmist sagt: ‚Er hat seinen Engeln befohlen über dir‘. Gott gibt dir Seine geistigen Ideen, und sie wiederum decken deine täglichen Bedürfnisse. Frage niemals nach dein Morgen; es ist genug, daß die göttliche Liebe eine allgegenwärtig Hilfe ist; und wenn du wartest und niemals zweifelst, wirst du alles, was du bedarfst, jeden Augenblick haben.” Die Christlichen Wissenschafter demonstrieren die Wahrheit dieser Worte und lernen aus Erfahrung, daß der einzige Weg zum Erfolg darin besteht, von geistigem Verständnis geleitet zu werden. In dieser Einheit des Denkens und Handelns beruht die Stärke unsrer Sache.
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