Auf Seite 228 von Wissenschaft und Gesundheit sagt Mrs. Eddy: „Erblichkeit ist ein ergiebiger Gegenstand für die sterbliche Annahme, an die sie ihre Theorien heftet; wenn wir aber begreifen lernen, daß nichts andres wirklich ist als das Rechte, wird es keine gefährlichen Erbschaften mehr geben, und die fleischlichen Übel werden verschwinden.” Diese Worte bringen denen, die sich in der Knechtschaft des falschen, menschengemachten Gesetzes der Erblichkeit befinden, eine herrliche Botschaft des Trostes und der Befreiung.
Wenn wir diese Stelle aus Wissenschaft und Gesundheit in Verbindung mit dem 18. Kapitel des Hesekiel aufmerksam lesen, erscheint uns die absolute Freiheit, die uns durch rechte Beweggründe und Handlungen zuteil wird, in noch klarerem Licht. Der Prophet erklärt deutlich und ausdrücklich, daß ein Mensch nur für fein eignes Unrechttun leiden kann, daß die Sünden und Vergehen feiner Vorfahren keine Macht über ihn haben, und daß ihm für die Sünden eines andern keine Strafe auferlegt wird. Im fünfundzwanzigsten Vers heißt es: „Doch sprecht ihr: Der Herr handelt nicht recht. So höret nun, ihr vom Hause Israel: Ist’s nicht also, daß ich recht habe und ihr unrecht habt?” Diese Worte lassen deutlich erkennen, daß allein das irrende, fleischliche Gemüt der armen Menschheit den Glauben an Erblichkeit aufgebürdet hat — jenes sterbliche Gemüt, das ein Feind ist aller Gerechtigkeit, das auf Rache und Zerstörung sinnt und in allen Stücken unwahr ist.
Um den Bann dieser mesmerischen Annahme von Erblichkeit zu brechen, müssen wir den Irrtum an der Wurzel treffen, indem wir den falschen Begriff von des Menschen Ursprung zerstören. Jesus wies deutlich darauf hin, daß Gott der einzige Schöpfer des Menschen ist. Er sagte: „Und sollt niemand Vater heißen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist.” Viele von uns sind dieser Frage ausgewichen, aus Furcht, daß wir unsern menschlichen Begriff von Elternschaft einbüßen würden. Es mag den Anschein haben, als werde von uns verlangt, etwas aufzugeben, was in der Welt von jeher für edel und heilig angesehen worden ist. Wir können jedoch nichts verlieren, wenn wir nach höherer Erkenntnis von Gottes vollkommenem Gesetz der Liebe und Harmonie streben. Durch die lebendige Vergegenwärtigung der Tatsache, daß Gott der einzige Vater-Mutter des Weltalls ist, werden alle Bürden von uns gehoben. Wir fürchten dann weder Krankheit noch Sünde noch Tod, weil wir wissen, daß von einer so reinen Quelle für jedes Gotteskind nur Gutes kommen kann. Es wird nicht länger in uns ein Gefühl des Neides sich regen im Hinblick auf diejenigen, die von menschlichen Eltern Gaben geerbt zu haben scheinen, wie Schönheit, Talent, starke intellektuelle oder künstlerische Fähigkeiten oder auch eine Fülle materieller Güter, denn wir wissen, daß das Gute nur ein Ausfluß Gottes ist, daß alle Seine Kinder an diesem unendlichen Guten gleichen Anteil haben, und daß Vollkommenheit in allen Dingen zum ureigensten Erbe des Menschen gehört.
Das sterbliche Gemüt hat viele Künste gesucht und ist erfüllt von Gedanken der Trennung und Spaltung. Manche von diesen trennenden Gedanken in bezug auf Rasse, Nationalität und Familie sind mit unsrer Vorstellungsweise so eng verbunden, daß wir sie als recht und gut ansehen. Im Lichte der Lehren des Meisters sehen wir jedoch das Irrtümliche dieser Anschauungen.
In Wissenschaft und Gesundheit (S. 31) lesen wir: „Jesus erkannte keine Bande des Fleisches an.” Damit ist nicht gesagt, daß wir allen Anforderungen der Liebe und Pflicht enthoben sind, die wir früher in unserm Verhältnis zu den Mitgliedern unsrer eignen Familie berücksichtigt haben, sondern daß mit der Erkenntnis des einen universellen Vater-Mutters auch die Erkenntnis der einen universellen Familie kommen muß, und daß Liebe, Pflicht und Selbstlosigkeit, die vielleicht im engeren Kreis besonders zutagetraten, sich nun auf die ganze Welt erstrecken müssen. Da die unendliche Vater-Mutter-Liebe keine Grenzen kennt, so darf es auch in unsrer Liebe keinen trennenden oder begrenzenden Gedanken geben. Es wird heutzutage viel geschrieben über die Brüderschaft der Menschen. Die wahre Einheit und Brüderschaft werden wir jedoch niemals herbeiführen, wenn wir den Menschen für einen Schöpfer halten. Wir müssen von der wahren Voraussetzung ausgehen, um die richtige Folgerung ziehen zu können, eine Folgerung, die das göttliche Prinzip zum Ausdruck bringt.
Die Christliche Wissenschaft ist mit ihrer Botschaft der Liebe und Hoffnung in das Leben vieler eingezogen, die durch das falsche Gesetz der Erblichkeit zu schwerem körperlichen Leiden verurteilt worden waren, oder die sich in der Knechtschaft der Annahme befanden, daß moralische Übel gemäß einem unerbittlichen Gesetze übertragen würden, dessen Überwindung nahezu eine Unmöglichkeit sei. Durch ihre Lehren erkennen heutigestags Tausende, daß diese Knechtschaft nicht rechtmäßig ist, und sie treten das ihnen zukommende Erbe, d.h. Herrschaft über alles Übel, durch das Verständnis an, daß Gott ihr Vater-Mutter ist. Wir wollen daher festhalten an dieser großen Wahrheit von des Menschen geistigem Ursprung und Sein, denn hierdurch werden wir schließlich zu der Erkenntnis gelangen, daß das Himmelreich hier und jetzt für uns besteht.
Daß dir im Sonnesehn
Vergehet das Gesicht,
Sind deine Augen schuld
Und nicht das große Licht.
