Vor dem Erscheinen der Werke über die Christliche Wissenschaft und zu Anfang dieser Bewegung mußte Mrs. Eddy das Amt eines persönlichen Führers übernehmen. Demgemäß legte sie gewisse Prinzipien fest, nach welchen die Kirche der Christlichen Wissenschaft geleitet werden sollte, und betraute die Beamten und Mitglieder derselben mit der Ausführung dieser Anordnungen. Im Verlauf der Jahre haben sich Menschen aus allen Ständen und Berufen dieser Bewegung angeschlossen. Manche von ihnen waren gewohnt, Befehle entgegenzunehmen, während andre ihren eignen Weg gingen. Von den ersteren müssen viele lernen, mehr unabhängig zu handeln, während es unter den letzteren gar manche gibt, die den menschlichen Willen den Anforderungen der Wahrheit gefügig machen müssen. Da in der Kirche ein jeder von der absoluten Wahrheit, vom göttlichen Prinzip regiert werden muß, so ist es vor allem nötig, bloße menschliche Ansichten aufzugeben, weil der Geist unabhängiger Selbstbehauptung sonst vorherrscht und die eigenwillig Gesinnten der Sache zum Hindernis gereichen oder von ihr getrennt werden.
Die christlich-wissenschaftliche Bewegung läßt sich mit einem unter der Führung eines Befehlshabers stehenden Heer vergleichen. Ein Soldat ist einen langen Schritt gewohnt gewesen, ein andrer einen kurzen; auf dem Marsch muß aber jeder den Schritt halten, den der Offizier vorschreibt, um eine gemeinsame Bewegung auszuführen und Verwirrung und Kraftvergeudung zu verhindern. Ohne Organisation, ohne rechtmäßige Autorität kann kein erfolgreicher Kampf geführt werden. Wie wäre Erfolg möglich, wenn jeder Soldat auf seine eigne Art und ohne Rücksicht auf die bestehenden Regeln und die Anordnungen der Offiziere vorginge?
Man nehme an, die Soldaten einer Armee kämen während des Marsches oder während des Kampfes zum Stillstand und versammelten sich gruppenweise, um sich über ihr Vorgehen zu beraten oder Pläne zu befürworten, die von denen des kommandierenden Generals abweichen, und sie schickten sich dann an, diese verschiedenartigen Pläne zur Ausführung zu bringen: wäre unter solchen Umständen Erfolg möglich, auch wenn die Soldaten ihrer Sache vollständig treu blieben? Der einzelne kann seine persönlichen Angelegenheiten nach eignem Gutdünken regeln; die Angelegenheiten einer Gesellschaft oder einer Organisation jedoch müssen der Kontrolle einer zentralen Behörde unterworfen sein und in einheitlicher Weise geregelt werden.
Wenn sich jemand als Mitglied der Kirche Christi, der Scientisten, aufnehmen läßt, erklärt er sich dadurch bereit, sein Verhalten mit den im Kirchenhandbuch enthaltenen Regeln und Satzungen in Einklang zu bringen. Die zum Erfolg nötige Einheit des Denkens und Einheitlichkeit des Vorgehens kommt nur durch strengen Gehorsam gegen die bestehenden Vorschriften zustande. Alle müssen kräftig und gleichmäßig am Seil ziehen. Eine Bewegung muß als Ganzes vorwärtsgehen. Nach eignem Gutdünken zu handeln, ist unzulässig. Die Ansicht des einzelnen muß den Regeln und Bestimmungen untergeordnet sein, die von dem Ganzen, dessen Glied er ist, angenommen worden sind. Zur Wahrung der Zusammengehörigkeit und zu weiteren, Fortschritt ist Einheitlichkeit unbedingt notwendig.
Wir sollten wohl bedenken, daß ein vernünftiges Opfern persönlicher Interessen zum Wohl einer gerechten Sache der individuellen Entwicklung niemals hinderlich ist, sondern im Gegenteil wahren Fortschritt fördert. Es erzeugt Demut und fördert das geistige Wachstum. Im Lichte der Christlichen Wissenschaft erkennen wir, daß man weder etwas wirklich Wohltätiges je verlieren kann, noch etwas Schädliches dauernd behalten muß. Der große Lehrer forderte von feinen Nachfolgern, daß jeder fein Kreuz auf sich nehme und sich täglich verleugne. Dieses Aufgeben des menschlichen Willens war wohl in der „harten Rede” angedeutet, die die Unzufriedenheit der Jünger bei einer andern Gelegenheit hervorrief. Doch bedeutete es im wahrsten Sinn etwas Gutes für alle, die die Größe der Sache, für die sie eingetreten waren, erkannten und daher frohen Herzens gehorchten.
Die Glieder eines Heeres müssen nicht nur zusammen vorwärtsgehen, sondern sie müssen sich auch ungehindert weiterbewegen können. Der einzelne muß sich nicht nur gerade halten, mit vorwärtsgerichtetem Blick, sondern er muß sich auch vorsehen, daß er seinen Nebenmann nicht stoße oder verdränge und ihm nicht in den Weg trete. Ein Soldat, der sein Schwert, seine Kugeln oder sein Bajonett so ungeschickt handhabt, daß sein Kamerad dabei zu Schaden kommt, oder der im Marschieren ungeschickterweise auf den Kameraden tritt, wenn derselbe verwundet zu Boden liegt, gereicht dem Heer, in dem er dient, nicht zur Ehre. So muß auch ein Christlicher Wissenschafter seinen Platz gewissenhaft ausfüllen; er darf sich nicht in seines Nachbars Arbeit einmischen und ihm nicht hinderlich fein, weder auf dem Wege widerrechtlicher Konkurrenz, noch durch unberechtigte Einmischung oder Störung.
Mrs. Eddy gibt in bezug hierauf einen trefflichen Rat, wenn sie in dem mit „Exemplification“ [Erläuterung] überschriebenen Kapitel von „Restrospection and Introspection“ [Rückblick und Einblick] sagt: „Die Christlichen Wissenschafter sollen die Kranken heilen, wie der Meister gebot. Hierbei müssen sie die von Jesus vorgeschriebene göttliche Ordnung befolgen, niemals die Rechte ihrer Nächsten irgendwie zu verletzen, sondern der himmlischen Ermahnung eingedenk zu bleiben: ‚Alles nun, das ihr wollet, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.‘”