In den vier Evangelien lesen wir sehr viel von Christi Jesu Heilungswerk unter den Aussätzigen, jenen Ausgestoßenen seiner wie unsrer Zeit. Die frühere Art, mit diesen Ärmsten zu verfahren, war die, daß man sie „vor die Tore” jagte, ohne sie mit Obdach, Nahrung und Kleidung zu versehen. In unsrer Zeit trennt man sie zwar von ihren Mitmenschen, sorgt aber nach Kräften für ihre Bedürfnisse. In dieser Hinsicht ist also ein großer Fortschritt zu erkennen. Nun drängt sich uns aber die Frage auf: Was ist geschehen, um diese Unglücklichen zu heilen?
Insoweit die medizinischen Systeme in Betracht kommen, sind die Aussätzigen van heute der Erfüllung ihrer Hoffnung auf Heilung nicht näher gekommen als die, welche in Palästina ausgestoßen waren, ehe sie den großen Meister trafen, der sie heilte und seinen Nachfolgern befahl, desgleichen zu tun. „Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die Ich tue”, sagte er, und unter dem Nachklang dieser Worte zogen die Jünger aus, um die Kranken zu heilen, die Aussätzigen rein zu machen und die Toten zu erwecken; ja die, welche „durch ihr Wort” an ihn glaubten, taten die gleichen „Werke” bis gegen Ende des dritten Jahrhunderts. Daß die Christus-Wahrheit auch in unsern Tagen die einzige Hoffnung ist, die die Missionare im fernen Osten den Aussätzigen zu bieten haben, geht aus dem folgenden Auszug aus dem Brief eines presbyterianischen Missionars hervor, der in Japan jahrelang in dieser Arbeit gestanden hat:
Es würde gewiß einen jeden von Ihnen interessieren, das Hospital für Aussätzige zu besuchen, eines von mehreren in Japan. Ich war kurz vor meiner Rückkehr nach Amerika da und sprach zu den hundertundfünfzig Patienten, die sich in dem Religionssaal versammeln konnten — einem Raum, wo Buddisten, Bekenner des Sintoismus und Christen die gleichen Rechte haben. Noch nie habe ich mich für so unwürdig gehalten, zu andern zu reden, als diesen verstümmelten, entstellten, von der Menschheit verstoßenen Geschöpfen gegenüber. Als wir wieder zu Hause waren, sagte mein junger Assistent zu mir: „Sensei, es muß ein Heilmittel geben, und die Heilung der Aussätzigen durch Christus war seine Aufforderung an uns, dieses Heilmittel zu finden.”
Ich kann verstehen, wie der große Christus bloß die Hand auszustrecken brauchte, um zu heilen. Wenn er erkannte, daß ihm alle Macht gegeben war, welch reichen Quell der Freude muß er im Herzen gehabt haben! Nichts ist so betrübend wie das Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber dem Leiden.
Ich glaube aber, daß es in der Welt des Geistes Kräfte gibt, die ebenso wunderbare Wirkungen hervorzubringen vermögen wie die Elektrizität in der materiellen Welt. Wir sind eben schwerfällige Menschen; wir gleichen dem ungläubigen Thomas und wissen die uns zu Gebote stehenden wunderbaren Kräfte nicht zu erfassen und anzuwenden. Man kann uns mit unsern Vorfahren vergleichen, die beim Licht einer Kerze umhertappten, während der helle Schein des elektrischen Lichtes der Entdeckung harrte. Sind wir nicht alle gerade in diesem Punkte fehlgegangen? Wir erkennen nur unklar die Bedeutung der Worte: „Mir ist gegeben alle Gewalt!”
Eine derartige offene Anerkennung der Tatsache, daß es etwas Höheres geben muß als das, was die Kirchen den Kranken und Leidenden bisher geboten haben, sollte jeden erklärten Nachfolger Christi Jesu zu tiefem Nachdenken anregen. Warum der mangelhafte Erfolg? Der Fehler liegt an der Blindheit derer, die Augen haben und nicht sehen, denn die Werke, welche der Meister seinen Nachfolgern aufgetragen hat, werden bereits seit einem halben Jahrhundert unter uns vollbracht. Durch die Erkenntnis der Macht der Wahrheit, wie sie durch die Entdeckung und Verkündigung der Christlichen Wissenschaft der Welt zugänglich gemacht worden ist, wird die Erklärung des Apostels: „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist”, unter uns täglich bekräftigt.
Um den Aussatz wie überhaupt alle Arten von Krankheit und Leiden heilen zu können, ist eine höhere Erkenntnis der Macht des Geistes, ein festeres Vertrauen auf Gatt, ein selbstloserer Dienst zum Wohl der Menschheit nötig. Gewiß gibt es noch viele andre Arbeiter im Weinberge des Herrn, die, wie dieser Missionar, das Bedürfnis des christlichen Heilens fühlen. Ihr Sehnen wird befriedigt werden, wenn sie den „absoluten Glauben” erlangt haben, „daß bei Gott alle Dinge möglich sind — ein geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 1). Dann werden sie teilhaben an der Erfüllung der Verheißung, die der Meister gab: „Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, ... auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird’s besser mit ihnen werden.” Dieser herrliche Lohn für das Gottvertrauen ist es gewiß wert, daß man ernstlich strebt, ihn zu erlangen.
Die Tatsache, daß Jesus die Aussätzigen heilte, hat für alle Zeiten bewiesen, daß der Aussatz geheilt werden kann. Was einmal getan wurde, kann wieder getan werden, wird tatsächlich wieder getan. Die Bedingung dazu besteht in der wahren Erkenntnis des Wesens Gottes, wie der Meister sie besaß. Nicht vermöge seiner Kenntnis von Krankheit, sondern vermöge seiner Erkenntnis ihrer Nichtsheit (weil Gott allein mächtig und vollkommen ist) konnte er seine großen Taten vollbringen. Heute wie vor alters ist das Feld „weiß zur Ernte”, aber der Arbeiter sollten nicht mehr „wenige” sein, denn Christus, die Wahrheit, ist durch die Christliche Wissenschaft wiederum geoffenbart worden.
