Leute, die sich erst kurze Zeit mit der Christlichen Wissenschaft befaßt haben, sprechen zuweilen ihre Verwunderung und ihre Enttäuschung darüber aus, daß sie als Anfänger dieser Lehre nicht immer auf Rosen wandeln können, wie sie es erwartet hatten. Da die Christlichen Wissenschafter in der Regel Glück und Zufriedenheit zum Ausdruck bringen, so hält sie der Außenstehende leicht für Menschen, die nie mit Kummer und Sorgen zu kämpfen haben, während es den Neuling in dieser Lehre befremdet, daß es für ihn noch Prüflingen zu bestehen gibt. Letzterer lernt aber mit der Zeit erkennen, daß Glück und Wohlergehen „Siegespalmen” sind — der Lohn dessen, der „überwindet.” Die Nachfolger der Wahrheit freuen sich über stattgefundene Reue und Besserung, über die Verbannung von Krankheit in ihr ursprüngliches Nichts, und über den Trost, der so manchem traurigen Herzen zuteil geworden ist.
Als erklärte Nachfolger des Meisters haben die Christlichen Wissenschafter gefunden, daß auf dem Christus-Weg ein beständiges Überwinden des Bösen nötig ist, entweder für sich selber oder für andre. Jesus äußerte sich sehr deutlich über diesen Gegenstand, als er zu seinen Jüngern sagte: „In der Welt habt ihr Angst.” Er wußte, daß ihnen eine Probezeit bevorstand, und daß, wofern sie Treue beweisen würden, der bittere Kelch ihnen nicht erspart bleiben könne. Zugleich aber gab er ihnen die Zusicherung: „Seid getrost, Ich habe die Welt überwunden.” Es war ihnen Macht verliehen worden über das eine Übel —„über alle Gewalt des Feindes.” Sie sollten ihres Weges gehen in dem festen Vertrauen, daß, wie der Meister die Welt überwunden hatte, auch sie über Sünde, Krankheit und Tod siegen würden.
Solcher Art ist der Kampf, dem sich die Christlichen Wissenschafter widmen. Sie freuen sich, daß in den nahezu fünfzig Jahren, seit unsre Führerin die klare Erkenntnis der göttlichen Allgegenwart, des unveränderlichen und stets zugänglichen Guten erlangte, so viel Böses ausgetrieben und vernichtet worden ist. Diese Siege wurden nicht errungen, indem man Böses mit Bösem bekämpfte, sondern durch das Befolgen der Ermahnung des Apostels: „Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.” Es ist ein großer Fehler, wenn man das Böse mit dessen eignen Waffen angreifen will — wenn man der Verschlagenheit mit Verschlagenheit begegnet. Kein Fall kann eintreten, in welchem dies zu billigen wäre. In Wissenschaft und Gesundheit sagt Mrs. Eddy (S. 571): „Zu allen Zeiten und unter allen Umständen überwinde Böses mit Gutem. Erkenne dich selbst, und Gott wird dir Weisheit und Gelegenheit zu einem Sieg über das Böse geben. Bist du mit dem Panzer der Liebe angetan, so kann menschlicher Haß dich nicht erreichen.”
Das Böse hat keine Macht über uns, es sei denn, unser Harnisch habe einen Spalt oder eine schwache Stelle. „So ergreifet den Harnisch Gottes,” ermahnt uns der Apostel, „auf daß ihr an dem bösen Tage Widerstand tun und alles wohl ausrichten und das Feld behalten möget.” Den undurchdringlichen Harnisch Gottes antun heißt, sich mit Wahrheit, Gerechtigkeit, Frieden, Glauben und Heil ausrüsten; und wenn man dann „das Schwert des Geistes” zur Hand nimmt, „welches ist das Wort Gottes,” wird der Sieg nicht ausbleiben, denn nichts kann dem „Wort” widerstehen. „Er sandte sein Wort und machte sie gesund und errettete sie, daß sie nicht starben,” singt der Psalmist.
Die Ermahnung des Apostels, daß man „das Feld behalten” müsse, ist sehr wichtig, denn wir unterliegen oft deshalb, weil wir keinen entschiedenen Stand nehmen. Wohl wissen wir, daß die Wahrheit Irrtum jeder Art überwindet. Tritt aber ein Fall ein, wo der Irrtum außergewöhnlich beharrlich zu sein scheint, so erkennen wir die Allheit Gottes zuweilen nicht klar genug und behaupten sie nicht entschieden genug, um den Irrtum ein für allemal zu bewältigen. Oft ist nur ein klein wenig mehr Bestimmtheit in der Bekräftigung der Wahrheit nötig, nur ein klein wenig mehr Ausdauer in dem Bestreben, „den Gedanken ... auf das Dauernde, das Gute und das Wahre” zu richten (Wissenschaft und Gesundheit, S. 261), und der Sieg wäre errungen. Dann aber finden Furcht und Zweifel Einlaß im Bewußtsein, und der Feind gewinnt die Oberhand. Würden wir nur ausharren, nachdem wir Krankheit und Sünde als Irrtum erkannt und somit unsern Stand auf der Seite der Allmacht des Guten genommen haben, so würden wir uns niemals als besiegt erklären müssen, denn der Irrtum, wie sein Urbild, die Finsternis, muß dem Lichte der Wahrheit weichen. In irgendeinem Fall ist nur nötig, daß man die Allmacht und Allgegenwart des göttlichen Gemüts, die eine Intelligenz, welche alle richtigen Ideen regiert, klar erkenne. „Dann behaupte deinen Standpunkt mit dem unerschütterlichen Verständnis von Wahrheit und Liebe, und du wirst den Sieg gewinnen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 417).
Die Furcht will uns zuweilen einflüstern, unsre Familie und Freunde stünden der Christlichen Wissenschaft feindselig gegenüber, und der ausübende Vertreter der Christlichen Wissenschaft habe deshalb mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zu solchen Zeiten müssen wir uns klar bewußt werden, daß der Streit nicht unser ist, sondern Gottes, und daß einer auf Gottes Seite die Majorität bildet. Die Scharen des Bösen sind groß, und die Zahl derer, die der Fahne der Wahrheit folgen, ist nur klein; aber „euer einer jagt tausend; denn der Herr, euer Gott, streitet für euch, wie er euch geredet hat.” Wer mit der Wahrheit für Wahrheit eintritt, kann mit dem Psalmisten sagen: „Ich [fürchte] kein Unglück, denn du bist bei mir.” und er bringt selbst im „finstern Tal” den Leidenden Trost und Hilfe.
Entmutigung ist ein weiterer Feind, den man überwältigen muß. Oft scheint der Kampf recht lang zu sein, und es ist kein Fortschritt zu sehen. Aber auch in solchen Fällen hat man entschieden auf der Seite der Allheit Gottes seinen Stand zu nehmen. Dem Wort Gottes muß gelingen, dazu es gesandt ist. Mag es auch zuweilen scheinbar umsonst gegen die Granitmauern des Irrtums geschleudert werden: wenn wir danach streben, Böses mit Gutem zu überwinden, wenn wir die Liebe kundtun, die „des Gesetzes Erfüllung” ist, werden die Mauern in Staub zerfallen. Man darf sich mit dem Irrtum auf keinen Vergleich einlassen, man darf nicht mit einer Hand an der Wahrheit und mit der andern an einem langgehegten Gesetz der Arzneimittellehre festhalten wollen. Mutig muß man dem Sturm trotzen, von ganzem Herzen muß man der Wahrheit vertrauen, wenn man nicht in den Wellen versinken will.
Die Christlichen Wissenschafter verlieren nicht den Mut, wenn sie auch Tag für Tag mit dem Feind zu kämpfen haben. Die Siegesfreuden sind süß, sie bringen den Frieden, welcher höher ist denn alle Vernunft. Indem so ein Feind nach dem andern überwunden wird, sieht das Auge der Hoffnung den Tag, da die Erde mit der Erkenntnis des Herrn erfüllt sein wird und Freude und Wonne ewig herrschen werden.
