Es muß den Kolossern überraschend gewesen sein, als der Apostel Paulus in seinem Brief an sie erklärte, „das Geheimnis, das verborgen gewesen ist von der Welt her und von den Zeiten her,” sei in den Worten geoffenbart: „Christus in euch, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit.” Im gleichen Kapitel ermahnt der Apostel seine Leser, an dieser Hoffnung festzuhalten, und er erklärt, sein ihm von Gott verliehenes Predigtamt habe den Zweck, „daß wir darstellen” möchten „einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu.” Sodann legt er dar, daß der sterbliche Mensch diese Vollkommenheit nicht erlangen kann. Dieser sterbliche Begriff, erklärt er, sei tot, und der alte Mensch mit seinen Werken müsse ausgezogen werden, damit Christus, unser Leben, offenbar werden könne. Es ist also nicht genug, Zorn, Grimm, schandbare Worte, all die Erzeugnisse des falschen sterblichen Sinnes abzulegen, sondern man muß den neuen Menschen anziehen, „der da erneuert wird zu der Erkenntnis nach dem Ebenbilde dessen, der ihn geschaffen hat.”
Für die Schüler der Christlichen Wissenschaft sind dies selbstverständliche Wahrheiten. Viele von ihnen können sich aber gar wohl der Zeit erinnern, da sie ungläubig den Kopf schüttelten, als man ihnen sagte, in der Christlichen Wissenschaft würden die Kranken vermöge derselben Kraft geheilt, deren sich Jesus von Nazareth bediente, und viel geistige Erleuchtung war nötig, ehe sie der Erklärung Mrs. Eddys auf Seite 495 unsres Lehrbuchs beistimmen konnten: „Gott wird die Kranken durch den Menschen heilen, wenn der Mensch von Gott regiert wird. Wahrheit treibt den Irrtum heute ebenso sicher aus, wie vor neunzehn Jahrhunderten.” Der zweite Teil dieses Zitats erklärt den ersten. In der Regel wird aber die hier ausgesprochene Wahrheit erst dann dankbar angenommen, wenn eine große Not beseitigt, ein schweres Leiden überwunden ist. Fast unerklärlich scheint es, daß die christliche Welt so lange eigentlich ohne die „Hoffnung des Evangeliums,” die „Hoffnung der Herrlichkeit” gewesen ist.
„Christus in euch!” Welch herrlichen Ausblick auf geistige Möglichkeiten öffnen uns doch diese Worte. Es ist gewiß traurig, daß diese Möglichkeiten je von denen in Abrede gestellt worden sind, die sich Nachfolger des Meisters nennen, Nachfolger dessen, der keinen Bekenner seiner Lehren von der weitreichenden Bestimmung ausgeschlossen hat: „Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die Ich tue, und wird größere denn diese tun.” Mit bezeichnender Verkehrtheit und Schlauheit behauptet der fleischliche Sinn, diese Worte hätten nur auf die Zeit Bezug, in der sie geäußert wurden. Hat aber der Meister nicht selbst erklärt, die Wahrheit, welche in seinen Worten lag, werde „allen Völkern” verkündigt werden, und wird uns nicht gesagt, daß Jesus Christus „gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit” ist?
Viele Christen glauben, diese Worte hätten nur auf Gott Bezug. Sie vergessen, daß hier von der Unveränderlichkeit Jesu Christi die Rede ist. Ferner erkennen sie nicht die Anwendbarkeit der Wahrheit, daß die Christus-Macht sich zu allen Zeiten gleich bleibt. Wäre dies nicht der Fall, dann hätten die großen Taten des Meisters oder seine Beweise der Macht des Geistes nach dem Dahingang seiner unmittelbaren Jünger keine Zeugen gehabt, und „die Hoffnung der Herrlichkeit,” von der Paulus spricht, hätte aufgehört, den Pfad des Wanderers zu erleuchten. Ferner wäre das erleuchtete Wort, welches den „Christus in euch” verkündete, seiner Bedeutung gänzlich beraubt worden.
Dank der Christlichen Wissenschaft ist aber in dieser Richtung nichts zu fürchten, denn die Zeugen der Wahrheit mehren sich von Tag zu Tag. Es sind solche, die durch Erfahrung völlig überzeugt worden sind, daß die Christus-Macht dieselbe ist „gestern und heute und ... in Ewigkeit.” Die Christus-Gegenwart macht sich fühlbar, wenn man sich von der Materialität abwendet und die göttliche Hilfe sucht. Zuallererst muß man, sei es auch mit schwachem Glauben, die großen Wahrheiten des wahren, geistigen Seins anerkennen. Dann tritt Heilung ein, zuweilen mit überraschender Schnelligkeit, worauf der Vergeistigungsvorgang folgt, der den Zweck hat, einen jeden Menschen „vollkommen in Christo Jesu” darzustellen, damit er in „allem Reichtum des gewissen Verstandes” die Werke tue, die der Meister tat und seinen Nachfolgern auftrug.