So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt ja das Reich Gottes zu euch,” sagte Jesus. Aus seinen Worten wie aus seinen Werken sprach die „vollkommene Natürlichkeit” („Miscellaneous Writings,“ S. 200) seiner bewußten Beziehung zum Vater. Diese Worte scheinen zunächst nicht ganz verständlich, erweisen sich aber bei näherer Betrachtung als ein bemerkenswerter Ausspruch, um zu besagen, daß Jesu große Taten auf den Vater zurückzuführen seien, dessen Willen er stets erfüllte. Diese Taten waren ein wesentlicher Teil seiner Amtstätigkeit. Wenn nun jemand aus Knechtschaft irgendwelcher Art dadurch befreit wird, daß „Kraft aus der Höhe” auf sein Leben einwirkt, dann darf er in dieser Kraft nicht nur einen Retter, Führer und Freund für die Zeit der Not sehen, sondern er muß sie auch als den obersten leitenden Faktor in seinem Leben anerkennen. Werke, die auf diese Weise vollbracht werden, sind der Möglichkeit völlig entrückt, etwas andres als den Willen Gottes zum Ausdruck zu bringen, und sie dienen dazu, den Sterblichen das Gesetz des unendlichen Prinzips in einer Weise nahezubringen, die bei ihnen das Willkommenheißen dieses Gesetzes statt Furcht vor demselben bewirkt. Die ganze Laufbahn Jesu bot ein Beispiel für jene ewig harmonische Wirksamkeit des göttlichen Gesetzes, die die Schöpfung Gottes durchwaltet und die Mrs. Eddy in faßbarer Weise als „das mühelose Wirken der göttlichen Energie” beschreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 445). Sein vollkommenes Einssein mit dem Willen des Vaters befähigte ihn, eine Tätigkeit oder Kraft an den Tag zu legen, die sich durch augenblickliche Heilungen bekundete. Er erklärte, dies sei ein natürliches Ergebnis, eine herrliche Möglichkeit, die jedem gehorsamen Kind des „Höchsten” geboten werde, nicht ein ihm besonders eignes oder ausschließlich gehörendes Erbe.
Jesus beschreibt also die Tätigkeit eines Menschen, der mit Gott zusammenarbeitet, der unter Seiner unmittelbaren Leitung und im Verein mit Ihm wirkt. Er sagt uns, daß die Werke nicht eher getan werden können als bis wir, um mit Paulus zu reden, „Waffen der Gerechtigkeit” geworden sind. Der große Lehrer gab dafür eine deutliche Erklärung in einer Antwort an seine Gegner, die seinen Erfolg dem Beelzebub zuschrieben. Die Teufel durch Beelzebub austreiben, hieße nicht nur, dem Irrtum die Treue erklären (es sei hier der Stelle gedacht: „Welchem ihr euch begebet zu Knechten in Gehorsam, des Knechte seid ihr, dem ihr gehorsam seid”), sondern durch ein derartiges Niederkämpfen einer bösen Wirkung, d. h. durch die Anwendung des Bösen, würden wir auch schließlich mit dem Bösen völlig eins werden.
Die Anhänger der Anschauung von einer ins Bereich der Mythe gehörenden Verkörperung einer bösen Macht richteten nach dem Ansehen und nach ihren Wahnbegriffen, beschrieben den Menschen als von Teufeln besessen und suchten dann diese Teufel durch die Gewalt der angeblichen Magie des sterblichen Denkens auszutreiben, während Jesus, der den vollkommenen Menschen sah, zu beweisen vermochte, daß Gottes Allmacht stets bereit war, die Menschheit von dem Glauben an eine böse Macht zu befreien.
Der Meister deutete wahrscheinlich an, daß die Demonstrationen, die sie in solches Erstaunen versetzten, nur eine geringe Bekundung der göttlichen Macht sei, nur ein kleiner Teil dessen, was der Mensch vermag, wenn er von Gott regiert wird. Der Ausdruck „Gottes Finger” scheint zu bedeuten, daß es seitens des Allmächtigen, bei dem „die Inseln sind wie ein Stäublein” und vor dem die Sterblichen und ihre irrigen Begriffe „wie Heuschrecken” erscheinen, keiner Anstrengung bedarf, um das Böse zu überwinden, sondern daß die geringste Berührung der Wahrheit den Irrtum zum Schwinden bringt. Die Menschen haben Gott so dargestellt, als kämpfe Er einen ungeheuren und langandauernden Kampf mit dem Bösen. Dies widerspricht aber dem mühelosen Walten des göttlichen Prinzips. Der scheinbare Konflikt kann also nur im menschlichen Bewußtsein stattfinden.
Diese Auslegung erinnert uns an die Worte Jesu: „So ihr Glauben habt als ein Senfkorn,” sowie an die Erklärung unsrer Führerin: „Ein Körnlein der Christlichen Wissenschaft tut Wunder für die Sterblichen, so allmächtig ist Wahrheit” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 449). Auch bietet sie uns eine wertvolle Lehre hinsichtlich der Wirkungsart der Wahrheit. „Gottes Finger” weist nicht auf das Übel, sondern treibt es aus. Gott wäre des ersteren gar nicht fähig, weil Er ja das Übel nicht zu sehen vermag; Er kann daher nur auf das vollkommene Vorbild hinweisen, wenn es auch einem eben erst erwachenden Bewußtsein anders erscheinen mag. Für den falschen menschlichen Sinn ist gerade der „heilige Weg,” welcher für des Menschen Erlösung göttlich bestimmt ist, der Ort der Zerstörung; daher bringt der ehrliche Versuch, diesen Weg zu gehen, Erlösung jeder Art mit sich.
Wenn wir dem Beispiele Jesu gemäß uns bestreben, alles Übel aus uns selbst und aus andern auszutreiben, so sollten wir dies niemals vermöge einer vermeintlich uns eignen Kraft zu tun suchen, sondern dadurch, daß wir uns der durch die Christliche Wissenschaft gebotenen geistigen Mittel bedienen, statt irgendwelcher Art materieller Mittel. Das Werk wird durch den „Geist Gottes” vollbracht, durch die Kraft des göttlichen Gemüts, wenn der einzelne danach strebt, gesinnet zu sein, „wie Jesus Christus auch war.”
Nur durch die einzelnen wird ein Volk.—