Viele Leute haben keinerlei Verlangen nach Wahrheit, sind aber sehr bereit, die Schönheit anzubeten. „Schönheit um der Schönheit willen”, das ist zu oft das Ziel großer Künstler und Dichter gewesen, und zu oft hat eine blinde Menge ihren Werken Beifall gespendet. Und doch sind Schönheit und Wahrheit eins! Denn nur das Wahre ist schön, ebenso wie alles, was wirklich schön ist, auch wahr ist. Das, was schön zu sein scheint, aber nicht auf Wahrheit beruht, ist bloß äußerer, trügerischer Schein und kann nur vor denen bestehen, die das Wesen der Schönheit nicht richtig bewerten. Wenn man begreift, daß Wahrheit Schönheit ist, stellt man die Schönheit auf eine sichere Basis, denn man erkennt sie als unzerstörbar und ewig. Wer die „Schönheit der Heiligkeit” geschaut hat, erkennt die unechten Formen, die keinen wirklichen Wert, kein wirkliches Wesen, keine Dauer haben. Dies läßt ihn eine göttliche Norm erkennen, nach der er sein Werk zu bilden vermag, denn er hat eingesehen, daß all sein Tun wahr sein muß, soll es schön sein und dauern, soll es der Menschheit helfen und sie segnen.
Einerlei wie schön ein Künstler malt, wie wundervoll er seine Farben abtönt und Licht und Schatten mischt, oder wie geschickt er seine Gestalten zeichnet: wenn sein Werk kein wahres Ideal ausdrückt, ist es nichtig und leer. Es hat keine Kraft in sich, um irgend etwas zur Erhebung der Menschheit zu vollbringen. Der Dichter mag über die ausgewählteste Sprache, den wohlklingendsten Reim gebieten; wenn er aber Kunst nur anwendet, um einen an sich unreinen Gedanken auszuschmücken, so wird er weder das Wissen der Menschen vertiefen noch die Menschen besser machen, für so schön und vollendet sie sein Werk auch halten mögen. Die Frage: „Bewirkt es Heilung?” sollte die Probe sein auf alle Schönheit, auf alles was wir denken, sagen oder tun. Wenn es nicht dazu beiträgt, uns eine Sündenlast, eine Bürde von Furcht, Kummer oder Krankheit abzunehmen, so ist es jeder Schönheit, Wahrheit und geistigen Kraft bar und erweist sich als nichts andres denn leere Form.
Um zu erkennen, was wahre Schönheit ist, brauchen wir nur an einige der größten Dichtwerke zu denken und uns zu fragen, ob sie irgend etwas zu unsrer Heilung beigetragen haben, und dann die schlichten Worte Jesu zu betrachten, die Tausende geheilt haben und noch heilen. In keiner Literatur der Welt findet sich solche Schönheit wie die Schönheit der Wahrheit, die Jesus aussprach. Wir wissen, daß die Menschen durch sein Wort von lebenslanger Sünde befreit wurden, vom Krankenlager erstanden und froh waren, alles zu verlassen und Christus zu folgen. Jesus ist ein Meisterdichter genannt worden. Selbst diejenigen, die ihn nicht als Messias anerkennen, sind gezwungen, die Schönheit seiner Sprache, die Vortrefflichkeit seiner Gleichnisse und die Kraft seiner Beweisführung zu bewundern. Jesus selbst sagte: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen”, denn er wußte, daß das Wort, das er sprach, das Wort Gottes, das Wort der Wahrheit war.
Viele von uns sind zu sehr geneigt, mehr an die äußere Erscheinung als an den inneren Wert zu denken. Wir haschen nach Effekt, spielen mit Worten; aber keine von diesen Künsten hat je einen Sünder bekehrt oder einen Kranken geheilt. Für den Christlichen Wissenschafter sind die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit tägliche Gefährten, und weil er dem Forschen in diesen beiden Büchern so viel Zeit widmet, wird ihm oft vorgeworfen, daß er die aufgespeicherten großen Schätze der Weltliteratur nicht genügend würdige. Nichts ist indessen weiter vom wahren Sachverhalt entfernt. Die Christliche Wissenschaft vertieft die Wertschätzung alles Besten in Literatur und Kunst, ebenso wie sie den Geschmack an allem Minderwertigen verringert. Da der Christliche Wissenschafter erkennt, daß sich die Wahrheit bis zu einem gewissen Grade in den Werken der wirklich großen Philosophen, Dichter und Künstler aller Zeiten widerspiegelt, so ist er stets für ihre Lehren dankbar. Nun braucht aber ein jeder die reine, unverfälschte, volle Wahrheit, die Wahrheit, die, wie Jesus sagte, uns frei macht. Die Bibel und das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft haben die Probe des Heilens bestanden und dadurch bewiesen, daß sie diese Wahrheit enthalten. Wir haben uns so weit von der schlichten Lehre Jesu entfernt, daß wir zurückerzogen werden müssen zum einfachen, wahren Christentum. Darin besteht die Aufgabe der Christlichen Wissenschaft. Sie erklärt und beweist der Menschheit die Schönheit und Wahrheit der Bibel.
Der schönste Satz in der gesamten Weltliteratur lautet: „Gott ist die Liebe.” Kein Dichter hat jemals etwas geschrieben, was auch nur halb so schön wäre. Die Menschen haben diese Worte noch nicht begriffen, noch nicht ergründet. Wenn uns ihre unendliche Bedeutung klar geworden ist, werden wir Heilung von allem Übel erlangen und das Reich Gottes wird sich uns als immer gegenwärtig enthüllen.
Es ist leichter, den ersten Wunsch zu unterdrücken, als alle nachfolgenden zu befriedigen. —