Wer einen entschiedenen Standpunkt in bezug auf etwas vertritt, hat in der Regel bestimmte Gründe hierfür. Treffen wir jemand, der an der Christlichen Wissenschaft Anstand nimmt oder sie verwirft, so werden wir gewöhnlich finden, daß er sich nur eine unklare Vorstellung von ihrem Wesen und Wirken macht und den Gegenstand daher nicht von unserm Standpunkte aus beurteilen kann. Solchen Tadlern können wir mit Geduld und Liebe begegnen. Wir müssen dem Rat des Apostels Petrus gemäß bereit sein, eine vernunftmäßige Erklärung der Hoffnung zu geben, die in uns ist.
Recht sehr nehmen unter anderm die mit der Christlichen Wissenschaft nur oberflächlich Vertrauten daran Anstoß, daß diese Wissenschaft das Verneinen des Augenscheins der materiellen Sinne und das Behaupten der Wirklichkeit geistiger Existenz fordert. Die Notwendigkeit dieses Verneinens bringt uns und unsrer Religion viel Tadel ein. Unsre Gegner meinen, man müsse doch glauben können, was man sieht und fühlt, und wenn wir dies verneinten, so sprächen wir eben nicht die Wahrheit. Einer, der von der Sache nur eine oberflächliche Kenntnis hat, wird vielleicht sagen: „Ich hatte furchtbare Kopfschmerzen und suchte mir nach Art der Christlichen Wissenschafter einzureden, ich hätte keine. Es half aber nichts, denn die Kopfschmerzen vergingen nicht.” Das wesentliche Element, die auf dem Verständnis des geistigen Gesetzes beruhende Überzeugung, daß das wahre Wesen des Menschen geistig ist, fehlte in diesem Fall, daher auch das Bewußtsein der Harmonie nicht hergestellt werden konnte.
Vor einigen Jahren betrat ich an einem Wintermorgen eilends ein Büro. Dabei stieß ich mit dem Fuß gegen einen kleinen hellbrennenden Gasofen, der nahe an der Tür stand, wodurch eine kleine, oben angebrachte Verzierung locker wurde und auf den Fußboden fiel, auf dem ein neuer Teppich lag. Ich sah den leichten Qualm aufsteigen und nahm den Brandgeruch wahr. Ohne zu überlegen bückte ich mich, hob die eiserne Verzierung vom Boden auf und brachte sie schnell wieder an dem Ofen an. Ich empfand Schmerz, und als ich die Hand öffnete, sah ich ein Brandmal am Finger und roch die verbrannte Haut. Der Herr im Büro, der alles mit angesehen hatte, sagte: „Sie haben sich verbrannt.” Ich antwortete: „Nein.” Er sagte: „Ja doch!” worauf ich etwas energisch erwiderte: „Ich habe mich nicht verbrannt.” Ich ging ins Nebenzimmer, wo ich Geschäfte zu erledigen hatte, hielt aber immerzu standhaft an der Wahrheit vom geistigen Sein fest, wie dieselbe in Wissenschaft und Gesundheit (S. 468) dargelegt ist. Ich sah nicht wieder auf die Hand, und nach einigen Minuten war der Schmerz vergangen. Am Nachmittage besuchte mich der Herr auf meinem Büro. Er lachte mir entgegen und sagte: „Sie haben sich heute morgen verbrannt!” Zur Antwort hielt ich ihm meine Hand entgegen. Es war keine Spur von einer Brandwunde zu sehen. Am Morgen glaubte er, ich hätte eine Unwahrheit gesagt, am Nachmittag konnte er sich vom Gegenteil überzeugen.
Das Verneinen von Sünde, Krankheit und Tod ohne die bekräftigende Erkenntnis ihres unwirklichen Wesens bringt keinen Erfolg. Wenn man diese Erkenntnis hat, ist das Verneinen des Irrtums der erste Schritt, ein wenn auch negativer so doch wichtiger Schritt, der dann zur Bekräftigung der Wahrheit des Seins führt. Hier wird vielleicht jemand fragen: „Wodurch rechtfertigen Sie dieses Verneinen?” Wenn unsre Gegner einen Augenblick innehalten wollten, würden sie einsehen, daß wir die größte Berechtigung dazu haben. Wir wollen einmal einige aus vielen Fällen, die wir in der Bibel finden, daraufhin betrachten. Ehe Christus Jesus die Tochter des Jairus vom Tode erweckte, sagte er, sie sei nicht tot, sondern sie schlafe. Die ungläubigen Anwesenden „verlachten” ihn; aber seine Antwort war: „Mägdelein, ich sage dir, stehe auf,” und er übergab sie den Eltern lebend. Als Paulus die ganze Nacht gepredigt hatte und Eutychus „vom dritten Söller” hinunterfiel, und „war tot aufgehoben,” sagte Paulus: „Machet kein Getümmel; denn seine Seele ist in ihm.”
Unser Meister sagte, auf den Christus Bezug nehmend: „Ehedenn Abraham ward, bin Ich.” Dieser Christus-Geist, diese heilende, erlösende Gegenwart des unendlichen Gemüts, ist stets bei uns gewesen, ist jetzt bei uns und wird stets bei uns sein. Das zweite Buch der Könige enthält den Bericht einer bemerkenswerten göttlich-metaphysischen Heilung. Der Sohn der Sunamitin starb auf ihrem Schoß zur Mittagszeit. Sie war offenbar allein im Hause. In aller Stille trug sie den Leichnam in ein leeres Zimmer, das Zimmer des „Manns Gottes,” und „schloß zu.” Ohne Zweifel tat sie dies im wörtlichen Sinn, aber auch in ihrem Bewußtsein ließ sie das Kind in göttlicher Obhut, vertraute es dem alleinigen Leben an und verschloß ihr Gemüt gegen das Zeugnis der materiellen Sinne. Sodann teilte sie ihrem Manne mit, sie wolle den „Mann Gottes” aufsuchen und antwortete auf alle seine Fragen einfach: „Es ist gut.” Noch ehe sie zum Propheten kommt, wird sie von seinem Knaben gefragt, „ob’s ihr und ihrem Mann und Sohn wohl gehe.” Und sie antwortet: „Wohl.” Elisa hatte sie offenbar mit den Erfordernissen der göttlichen Metaphysik oder der Christlichen Wissenschaft gründlich vertraut gemacht, denn keinen Augenblick wird der Irrtum anerkannt. Alsdann folgt die Schilderung von der Auferweckung ihres Sohnes. Wer vermag zu sagen, ob Elisas bekräftigende Erkenntnis vom Leben hingereicht hätte, wäre nicht die Verneinung des Zeugnisses der materiellen Sinne seitens der Mutter vorausgegangen!
Dieser selbe Christus ist heute hier. An der Hand der Bibel und unsres Lehrbuchs können wir uns in der Stille unsres Heims mit jener Wissenschaft des christlichen Heilens vertraut machen, das von Elisa und den andern Propheten teilweise gelehrt und von Christus Jesus vollkommen demonstriert wurde, und das jetzt von unsrer erleuchteten Führerin allen deutlich erklärt und für alle praktisch anwendbar gemacht worden ist. Auf Seite 242 von Wissenschaft und Gesundheit sagt sie: „Das Leugnen der Ansprüche der Materie ist ein großer Schritt zu den Freuden des Geistes hin.”