Solange die Menschen nicht angefangen haben zu verstehen, daß alle Macht, die es gibt, Gott gehört, und solange es ihnen nicht offenbar geworden ist, daß Gott unwandelbares Prinzip ist, das allwissende, allweise Gemüt, wird in vielen Fällen ein Gefühl der Furcht sie hemmen, quälen und in der Knechtschaft halten.
Es ist nicht nötig, die zahllosen Kanäle, durch welche die Sterblichen Furcht einströmen lassen, hier aufzuzählen, da eine solche Liste nicht dazu dienen würde, Furcht zu verringern oder zu zerstören. Befreiung von Furcht und Herrschaft über Furcht ist es, was die Menschheit braucht und sucht. Manch einer würde sehr überrascht sein, wenn er wüßte, wie viele Geschäfte gegründet worden sind, um Furcht und Angst der Menschheit zu verringern. Die Furcht vor Feuer, die Furcht vor Unehrlichkeit, die Furcht vor dem Tode — man denke an die große Zahl der Unternehmungen, die sich auf diese drei Arten von Furcht gründen.
Furcht ist stets ein Zeichen von Unwissenheit. Was man versteht, fürchtet man nicht. Wir sehen dies z.B. bei einem kleinen Kinde, das sich vor dem Wasser fürchtet, dieses Gefühl aber verliert, sobald es schwimmen lernt. Wenn es versteht, wie es sich im Wasser zu bewegen hat, ist die Furcht überwunden. Um der Furcht Herr zu werden, muß man Unwissenheit durch Weisheit vernichten. Salomo sagt: „Nimm an Weisheit, nimm an Verstand; ... verlaß sie nicht, so wird sie dich bewahren; liebe sie, so wird sie dich behüten.” Jakobus sagt uns, wie ein jeder von uns Weisheit erlangen kann: „So aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott, der da gibt einfältiglich jedermann, und rücket’s niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden.” Diese Worte lassen keinen Zweifel übrig, wie und wo man Weisheit W suchen hat.
Zu allen Zeiten haben die Sterblichen gesucht zu ergründen, wie sie sich und andre erhalten und Furcht und Beschränkung verbannen können. Aber trotz aller Zeit- und Kraftverschwendung ist Furcht nicht verbannt worden, obschon die Welt das Wissen vieler gelobt und sie für weise gehalten hat. Nun entsteht die Frage: Warum hat all diese Arbeit und all dieses Studium so wenig vollbracht? Warum scheinen Sorge und Furcht zu herrschen statt Vertrauen und Frieden? Indem wir uns wiederum zur Bibel wenden, finden wir Jesajas Erklärung: „Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Gerechtigkeit Nutz wird ewige Stille und Sicherheit sein.” Da wir nun so viele Mißerfolge um uns her sehen, müssen wir zu dem Schluß kommen, daß Gerechtigkeit, d.h. richtiges Denken und Handeln, nicht die Basis gewesen ist bei unsern Bestrebungen, die Furcht zu verbannen, und daß die Sterblichen trotz all ihres Forschens die wahre Weisheit nicht gefunden haben.
Alles Wissen, das sich auf die Wirklichkeit von Materie und von materiellen Gesetzen gründet, hat anscheinend Macht, solange es geglaubt wird; denn Weisheit ist geistig, wie Mrs. Eddy auf Seite 275 von Wissenschaft und Gesundheit erklärt: „Alle Substanz, Intelligenz, Weisheit, alles Sein, alle Unsterblichkeit, Ursache und Wirkung gehören Gott an. ... Keine Weisheit ist weise als Seine Weisheit.” Wir müssen uns also alle vom materialistischen Wissen abwenden und von Gott Weisheit lernen. Johannes bestimmt Gott als Geist; daher müssen wir alle das Wesen des Geistes, das Wesen Gottes erkennen lernen — müssen uns die Wahrheit über Gott, das Universum und den Menschen aneignen und dem göttlichen Gesetz gemäß handeln.
Betrachten wir nun einige von den Wahrheiten, die zu erkennen uns allen obliegt. Als erste und wichtigste ist zu nennen, daß Gott allmächtig ist; oder, um es anders auszudrücken, daß das Gute alle Macht besitzt. Demnach hat das Böse keine Macht, denn wenn alle Macht dem Guten gehört, gibt es keine Macht, die dem Guten widerstreiten könnte. Es gibt nur eine mathematische Wahrheit über das Problem zweimal zwei, nämlich, daß es gleich vier ist. Ohne mathematische Weisheit könnte jemand annehmen, daß zweimal zwei fünf sei, würde aber jedesmal in Schwierigkeiten geraten, wenn er diese Annahme bei der Lösung eines Problems verwenden wollte. Ganz gleich, wie lange er an dieser falschen Annahme festhält, er wird sie niemals als eine mathematische Tatsache festlegen können, wird genaue Resultate nur dann erzielen, wenn er die Annahme aufgibt und die Wahrheit anerkennt. So auch mit den Sterblichen. So lange sie annehmen, daß es eine Macht, ein Gemüt außer Gott gebe, so lange werden sie sich fürchten und Not leiden. Erst wenn sie erkannt haben, daß Allmacht wirklich alle Macht bedeutet, und daß Gott, die göttliche Liebe, alle Macht besitzt, kann Furcht verbannt werden, so daß Vertrauen und Friede Raum finden.
Zu biblischen Zeiten gab es viele Menschen, die Weisheit hatten und daher wußten, daß Gott, das göttliche Gemüt, stets gegenwärtig, erreichbar und allmächtig ist, und die dadurch Siege über die Furcht errungen haben. So finden wir im Buch Daniel verschiedene Beispiele des Vertrauens auf die Allerhabenheit des Geistes und den daraus entstehenden Siegen über Furcht. Es war offenbar Daniels Aufgabe, zu beweisen, daß die Herrschaft auf Gottes Schulter ist, und daß sterblicher Haß und sterbliche Wut den Menschen keine Furcht einjagen oder sie ihres Lebens berauben kann, wenn sie dem göttlichen Gemüt gehorchen und vertrauen. Ferner sehen wir, daß die Menschen willens sind, die Macht des göttlichen Gemüts anzuerkennen, wenn sie diese Macht bewiesen sehen. Man denke z.B. an die Könige Nebukadnezar, Belsazer und Darius. All diese Männer gaben durch öffentliche Verordnung ihrem Vertrauen zu dem Gott Daniels Ausdruck, nachdem Daniel die Macht des einen Gottes bewiesen hatte. Darius drückte seine Stellung zu Gott in folgenden Worten aus: „Das ist mein Befehl, daß man in der ganzen Herrschaft meines Königreichs den Gott Daniels fürchten und scheuen soll. Denn Er ist der lebendige Gott, der ewiglich bleibet, und sein Königreich ist unvergänglich, und Seine Herrschaft hat kein Ende.”
In dem ersten Buch der Könige lesen wir, wie Elia jeden Sinn von Mangel oder unzulänglicher Versorgung überwand, denn er wußte, daß „der Herr gibt Gnade und Ehre; er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.” Die Raben versorgten Elia, und der Witwe ward das Mehl im Kad nicht verzehret, und dem Ölkrug mangelte nichts. So durchdrungen war Elia von der Erhabenheit, von der Allmacht Gottes, daß er in keiner Weise der Macht des göttlichen Gemütes Schranken setzte. Als er den Kampf gegen die Propheten des Baal führte, war er der Allmacht des Gottes Abrahams und der daraus sich ergebenden Machtlosigkeit des Baal so sicher, daß er dreimal vier Kad Wasser über den Farren und das Holz goß und auch die Grube um das Brandopfer mit Wasser füllte, worauf das Feuer des Herrn herabfiel und das Brandopfer fraß. Elia bewies ferner, daß das göttliche Gemüt die Kranken heilt und über alle sogenannten materiellen Gesetze erhaben ist. Im Neuen Testament finden wir, wie Jesus wiederholt und wiederholt bewies, daß Furcht machtlos ist, daß der Geist und nicht Materie in Zeiten der Not des Menschen einziger Verlaß sein muß.
Mrs. Eddy hat unwiderlegbar bewiesen, daß die göttliche Macht auch heute zugänglich ist. Ihre Schriften sind ein kostbares Vermächtnis an das Menschengeschlecht, und durch sorgfältiges Studieren und Anwenden ihrer Lehren lernen wir nicht nur die Allmacht und Allgegenwart Gottes erkennen, sondern auch des Menschen Beziehung zu Ihm. Da der Mensch Gottes Bild und Gleichnis ist, hat er das Recht, seine Herrschaft über Disharmonie, Furcht, Sünde, Krankheit und Tod geltend zu machen. Keine dieser scheinbaren Mächte kann in irgendeiner Weise das Bild und Gleichnis des ewigen und alles beschützenden Gemüts antasten. Des Menschen Erbe ist Herrschaft, nicht Knechtschaft, Freiheit, nicht Beschränkung, Ruhe des Gemüts, nicht Furcht, Vertrauen, nicht Sorge. Der Mensch kann keines wahren Wertes beraubt werden. Durch die Erkenntnis, daß alle Schöpfungen Gottes gut, ewig, vollkommen und harmonisch sind, vermag der Mensch jederzeit seine Freiheit von der Furcht vor dem geltend zu machen, was böse, schädlich, irrig und unharmonisch ist.
Das sterbliche Gemüt oder die fleischliche Gesinnung, von der Paulus sagt, sie sei „eine Feindschaft wider Gott, sintemal es dem Gesetze Gottes nicht untertan ist; denn es vermag’s auch nicht,”— dieses Gemüt mag wohl ausrufen: „Ich fürchte mich.” Sobald aber die Menschen Weisheit erlangt haben, lassen sie sich nicht mehr täuschen. Weisheit lehrt, daß das allmächtige, göttliche Gemüt das einzige Gemüt ist. Wenn wir erkennen, wie falsch es ist, anzunehmen, daß es noch irgendein andres Gemüt gebe, dann hat diese Annahme keine Macht mehr, und das sterbliche Gemüt, das überhaupt kein Gemüt ist, sondern nur eine falsche Vorstellung von einem Gemüt, verliert seine Macht, uns zu täuschen, oder in Knechtschaft zu halten.
Durch das Studium der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß Ursache und Wirkung mental sind, und wir beginnen dann unsre Gedanken zu analysieren und zu prüfen. Durch sorgsames Forschen finden wir, daß wir uns nur darum fürchten, weil wir glauben, daß es außer Gott, der unendlichen Liebe, eine Macht gebe. Wir wollen mit dem Meister bestimmt erklären: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit,” mit besonderer Betonung des Wörtleins „ist.” Nichts soll uns dazu bestimmen, „wird sein” dafür zu setzen. Wenn wir dabei bleiben, können wir Furcht verbannen und unsre rechtmäßige Freiheit erlangen.