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Friede und Friedensstifter

Aus der Juni 1915-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Bei den meisten Leuten ruft der Gedanke eines Friedensstifters zunächst die Vorstellung eines Menschen von ungetrübter Gemütsstimmung hervor, eines Menschen, der Disharmonie durch Harmonie ersetzen und zwischen Einzelpersonen oder Völkern freundschaftliche Beziehungen herstellen will. Vielleicht denkt mancher an eine aufopfernde Mutter, die ihr widerspenstiges Kind in Schutz nimmt, damit im Hause nur Friede herrsche, oder an einen Freund, der nie Einwendungen macht, nie andrer Meinung ist, oder an jemand, der im öffentlichen Leben steht, aber nie energisch vorgeht, niemals die Initiative ergreift, niemals Fragen aufwirft, sondern in taktvoller Weise alle Kontroversen vermeidet, indem er die Ansichten und das Urteil andrer annimmt, auch wenn er damit nicht ganz einverstanden ist, und sogar wenn er glaubt, etwas in Vorschlag bringen zu können, was zur Besserung der bisherigen Verfahrungsarten führen würde. Nach einiger Überlegung gelangen wir aber zu der Erkenntnis, daß durch oberflächliches Schlichten von Streitigkeiten nichts ausgerichtet wird. Das sterbliche Gemüt ruft: „‚Friede! Friede!‘ und ist doch nicht Friede,” wodurch es sehr leicht den Fortschritt aufhält und die Demonstrierung des Prinzips verhindert.

Friede wird wie folgt bestimmt: „Ein Zustand der Ruhe oder Stille; Gelassenheit; das Aufhören des Krieges oder das Gegenteil desselben; allgemeine Ordnung; ein Zustand der Versönlichkeit oder Eintracht.” Hieraus folgt, daß der Friedensstifter ein Mensch ist, der Frieden herbeiführt, indem er Furcht, Selbstsucht und Sünde beseitigt, die alle zerstörend auf die Harmonie wirken. Dies kann nicht durch bloßen Takt, durch diplomatische Geschicklichkeit oder durch eine immerwährende zustimmende Haltung der Welt gegenüber erreicht werden, indem man sich dem stärkeren Willen fügt oder sich falschen Zuständen unterwirft, denn hierdurch geht man der Disharmonie nicht auf den Grund. Ein solches Verhalten gleicht bestenfalls einem Linderungsmittel; oft aber wird es dadurch mit dem Menschen „hernach ärger, denn es vorhin war.” Friede kann niemals dadurch hergestellt werden, daß man den Irrtum übersieht, sondern nur dadurch, daß man ihn überwindet, ihn gleichsam mit der Wurzel ausreißt.

Geht man unharmonischen Zuständen auf den Grund, so findet man oft, daß sie der reinen Selbstsucht entspringen. Der wahre Reformator sieht den Irrtum und trachtet danach, ihn den Forderungen der Gerechtigkeit gemäß zu berichtigen. Er beobachtet die Goldene Regel und deckt den Irrtum im Geist der Liebe auf, und zwar einzig und allein, um ihn zu beseitigen, um Falsches richtigzustellen. Er ist somit mit den mächtigsten Waffen gegen die bösen Kräfte versehen — mit Waffen, die nicht „fleischlich, sondern mächtig vor Gott [sind], zu verstören Befestigungen.”

Wer auf der peinlich genauen Ausführung einer Aufgabe besteht, wird oft als ein Pedant oder ein wunderlicher Mensch angesehen. Wunderliche Menschen denkt man sich aber in der Regel nicht als Friedensstifter. Wenn jedoch diejenigen, die bei andern keine Fehler, nachlässige Arbeit und Gleichgültigkeit gegenüber der Pflicht durchlassen und keine minderwertige Arbeit von ihnen annehmen, sondern Tüchtigkeit, Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit und lauteres Wesen erwarten — wenn das wunderliche Menschen sind, dann stehen wir vor dem Widerspruch, daß wunderliche Menschen Friedensstifter sind, denn beider Wirken ist im wesentlichen konstruktiv.

In Wissenschaft und Gesundheit sagt Mrs. Eddy: „Es erfordert den Geist unsres gesegneten Meisters, um einem Menschen seine Fehler zu sagen und so Gefahr zu laufen, um des Rechttuns willen und um unserm Geschlecht zu nützen, sich menschliches Mißfallen zuzuziehen” (S. 571). Man kann jedoch weder die Wirkungen der eignen Irrtümer noch die der Irrtümer andrer Menschen durch Gleichgültigkeit gegen dieselben überwinden. Ist also nicht Unbehagen im Irrtum dem Behagen darin vorzuziehen? Denn das durch Sünde hervorgerufene Unbehagen ist eher geeignet, uns vor ihren Folgen zu befreien, als Zufriedenheit in derselben. Es ist überdies klar, daß in allen Fällen, wo Zweifel bezüglich einer Sache herrscht, es am besten ist, sich über die in Frage kommenden Dinge auszusprechen und sie dadurch der richtigen Lösung entgegenzuführen.

Solange sich eine Lüge für Wahrheit ausgeben kann, liegt sie im Hinterhalt; tritt aber ihre Falschheit zutage und wird ihr Wesen vom Standpunkt der Wahrheit aus erkannt, so fährt sie gleich einer Schlange aus ihrem Versteck hervor und sucht sich im letzten, verzweifelten Kampf zu behaupten, indem sie dem Gegner, der ihr den Todesstoß versetzt, der Lüge zeiht und ihn als die Ursache des Aufruhrs hinstellt. Dann beginnt der Kampf; doch der Streiter für die Wahrheit wird von der Wahrheit beschützt, Sie stößt ihm Mut und Ruhe ein, und wenn er standhält, bis sich die Wolken verzogen haben, wird er als Ergebnis seines Kampfes auf einen Sieg blicken können. Er hat Weisheit nötig, um zu wissen, wie und wann er reden soll; er muß selbst fest an der grundlegenden Wahrheit festhalten, für die er eintritt, denn „der ideale Führer ist der gehorsame Nachfolger.”

Bei der Aufhebung materieller Annahmen scheint die „reinigende Umwälzung,” die in Wissenschaft und Gesundheit als die Wirkung des göttlichen Gesetzes beschrieben wird, die „die Annahme vom Bösen bis zum Äußersten aufrührt, wenn es dasselbe an die Oberfläche bringt und auf den gemeinschaftlichen Nenner Nichts zurückführt,” nicht Frieden zu bedeuten, sondern ein Schwert. Vom materiellen Standpunkt aus erscheint es allerdings bisweilen, als könnten wir einzeln nur wenig dazu beitragen, dem Aufruhr Einhalt zu tun. Für den Christlichen Wissenschafter aber, der weiß, daß der Konflikt nicht zwischen Einzelwesen stattfindet, sondern zwischen Wahrheit und Irrtum, ist ein solcher chaotischer Zustand nur die Übergangszeit zwischen der Aufdeckung der Irrtümer, denen Macht eingeräumt worden ist, und der Herstellung geordneter Zustände. Er weiß, daß der Irrtum keine Macht hat, weil die Wahrheit unendlich und über allem erhaben ist. Der Irrtum vermag keinen Teil der Wahrheit, des Lebens oder der Liebe zu zerstören, sondern er kann sich nur selbst aufbrauchen. Ferner kennt der Christliche Wissenschafter den Wert und die Macht rechten Denkens; er weiß, daß keine Idee der Wahrheit verloren gehen kann, und daß jeder Gedanke dem Frieden in dem Maße förderlich ist, als er mit dem Wesen der Wahrheit in Einklang steht. Mit Hilfe dieses machtvollsten aller Werkzeuge — dem richtigen Denken — können alle zur Herstellung des Friedens beitragen. Und dieser Friede nimmt im Bewußtsein des einzelnen seinen Anfang.


Wer kann der Raupe, die am Zweige kriecht,
Von ihrem künft’gen Futter sprechen?
Und wer der Puppe, die am Boden liegt,
Die zarte Schale helfen durchzubrechen?
Es kommt die Zeit, sie drängt sich selber los
Und eilt auf Fittichen der Rose in den Schoß.

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