Die Schriftsteller aller Zeiten haben die stürmischen Erfahrungen im menschlichen Leben mit den rauhen Elementen der Natur verglichen. Jesu „Schweig und verstumme,” da er Wind und Wellen gebot, ruft uns ein Bild ins Gedächtnis, in welchem Furcht und Aufruhr recht deutlich hervortreten.
Jeder Bibelleser hat sich wohl in Gedanken die wilde Gewalt des Unwetters ausgemalt, das in der Geschichte der Sintflut beschrieben wird, sowie auch die Arche, in der Noah mit den Seinen auf den türmenden Wellen hin und her geworfen wurde. Es wird erzählt, daß es ohne Aufhören regnete, und daß das Wasser bei Tag wie bei Nacht stieg. Wochen und Monate schwamm die Arche wie ein winziger Punkt auf den weiten Wassern dahin, und Noah samt seiner kleinen Schar fühlte sich vollkommen geborgen. Mochten auch die Wasser schäumen und toben, der Himmel sich schwarz bewölken und Regengüsse herabsenden; mochte auch dem äußeren Anschein nach völliges Chaos und greuliche Verwüstung herrschen: die in der Arche hatten Gottes Verheißung der Befreiung und waren daher ohne Furcht.
Durch das klare und reine Bewußtsein Mrs. Eddys fängt die heutige Welt an, die Tatsache zu erkennen, daß auch ihr Gottes Verheißung der Befreiung gilt. Von Fern und Nah kommen die Beweise, daß „des Herrn Hand nicht zu kurz [ist], daß er nicht helfen könne, und seine Ohren ... nicht hart geworden [sind], daß er nicht höre.” Eins freilich wird von uns verlangt und muß von uns beachtet werden, wenn wir die Stürme des sterblichen Lebens gestillt zu sehen wünschen, wenn wir das „Schweig und verstumme” vernehmen wollen, vor dem sich heute wie zu Jesu Zeiten Wind und Wellen legen: wir müssen wie einst Noah in unsrer Arche bleiben. Wir können keine Abstecher machen, um uns mit diesem oder jenem Irrtum abzugeben, ebensowenig wie Noah in ein kleines Boot hätte steigen können, ohne von den wilden Wellen verschlungen zu werden. Wer weise handelt, wird zu keiner hemmenden Erdenfreude zurückkehren und sich ihr hingeben, wie es ja auch Noah nicht weise fand, außerhalb der Arche zu verweilen und sich an irgendein Besitztum zu klammern, während die Flut ihn zu verschlingen drohte.
Dank unserm Buch des Lebens, der Bibel, die uns durch das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft ausgelegt wird, fangen wir an zu verstehen, was Schutz bedeutet. Wir lernen der Versuchung mehr und mehr widerstehen, uns nutzlos den Stürmen auszusetzen, die über die Ebenen des sterblichen Sinnes dahinbrausen. Wir sehen uns immer weniger von drohenden Gewalten bedrängt; immer seltener finden wir uns fern von unsrer Arche, so daß wir durch schwere Wetter und wilde Stürme hindurch zu ihr zurück müssen. Wenn wir, wie Noah, allezeit eingedenk sind, daß wir Gottes Verheißung der Befreiung von allem Übel haben — die Verheißung der Herrschaft über jeden Berg der Schwierigkeit und jedes Meer der Sorge —, dann können wir auch heute vieles von dem erleben, was die Bibel uns von des Menschen Herrschaft über widrige Umstände und bedrohliche Elemente erzählt.
Schreiberin dieser Zeilen hatte ein Erlebnis, das ihr bewies wie schnell und vollständig wir vom Übel befreit werden, wenn wir in der Arche der Gottgeborgenheit bleiben — wenn die Gedanken voll Lob, Preis und Dank sich zu dem einen Gemüt erheben, so daß alle falschen Annahmen des sterblichen Gemüts nicht einmal soviel bedeuten wie das Kommen und Gehen der Wellen, die sich zu unsern Füßen brechen. Es ereignete sich, daß einer der großen Vorortsbahnwagen entgleiste und in höchst bedenklicher Weise an dem Rand eines Abgrundes entlang schwankte. Wie bei sturmbedrängten Seereisenden, so erhob sich auch hier ein Angstschrei, der in allgemeines Entsetzen überging, als der Wagen auf einmal krachte und dröhnte. Da, wo soeben noch frohes Lachen erklungen war, ließen jetzt Angstrufe und Verwirrung erkennen, daß die Fahrgäste entweder Gottes Verheißungen nicht kannten, oder sie in diesem Augenblick nicht im Bewußtsein festhielten. Für eine Reisende jedoch, die in ihrer Arche blieb, gab es in diesem Augenblick nichts andres als die absolute Gewißheit, daß Gottes Macht auch von dem Schlimmsten errettet. Selbst als der Wagen sich anscheinend mit Gewalt in die Schlucht stürzen wollte, hatte sie auch nicht eine Spur von Furcht, ja die Worte des Propheten wurden ihr immer klarer: „Des Herrn Hand ist nicht zu kurz ... und seine Ohren sind nicht hart geworden.” Diese Zuversicht erhielt sie aufrecht, auch als die Aufregung rings sich mehrte. Und der Wagen wurde genau an der scharfen Kante des Abhanges zum Stehen gebracht.
Die Zeitungen brachten später ein Bild von dem Wagen in dieser Stellung. Die Untersuchung zeigte, daß einer der Leitungspfähle mitten durch gebrochen war und den Wagen genau in der Mitte aufgefangen hatte, sonst wäre derselbe umgestürzt. Die neugierige Menge, die den Schauplatz des Ereignisses in Augenschein nahm, drückte lebhaftes Erstaunen aus über die seltsame Art der Bewahrung vor dem Unglück, und man hörte vielfach den Ausruf: „Welch eine wunderbare Rettung!”
Wir Christliche Wissenschafter gehen aus solchem Erlebnis mit einem neuen und beglückenden Gefühl hervor, falls wir nämlich unsre Arbeit getan haben, falls wir in unsrer Arche geblieben sind. Es wird dann, wie im obigen Fall, der Augenschein der Gefahr zu einem Wegweiser zur Arche. In der Geschichte von der Sintflut lesen wir ferner, daß die Wasser der Flut sich zuletzt verliefen, und daß Noah an einen Berg kam — die sichere Grundlage der Wahrheit, auf dem die Arche sich niederließ. Auch hierin liegt eine Verheißung für uns. Die Taube bringt auch uns die Verheißung des Friedens und führt uns zu jenem Hafen, in den früher oder später alle Kinder Gottes einlaufen werden.