Das Lehren in der Sonntagsschule ist keine Arbeit, die man leicht nehmen darf. Wenn man die Kinder nur lehrt, um sich dadurch einer Pflicht zu entledigen, indem man jeden Sonntag Morgen eine Stunde mit ihnen verbringt, vielleicht mit dem Gefühl, etwas sehr Verdienstvolles getan zu haben, und das dann Sonntagsschularbeit nennt, so ist man sehr im Irrtum. Ein solcher Begriff muß etwas Besserem und Praktischerem Platz machen. Die Sonntagsschularbeit ist ein überaus wichtiger Teil der Kirchentätigkeit und nicht ein bloßer Nebendienst.
Der Sonntagsschullehrer tut wohl daran, die ihm zufallenden Pflichten sorgfältig zu erwägen und sich zu fragen, ob er zu dieser Arbeit geeignet sei oder nicht, denn es wird viel von ihm verlangt. Er bedarf eines klaren Urteils, einer geistigen Denkweise, großer Geduld und ernster Treue. Vor allem aber muß er jene Demut haben, die ihn seine eigne Unfähigkeit, von sich selber etwas zu tun, erkennen läßt, ihn aber zugleich zu der Einsicht bringt, wie unbegrenzt seine Leistungsfähigkeit ist, wenn Gott das Wollen und das Vollbringen in ihm wirkt. In dieser Weise vermag der Lehrer seine Arbeit richtig zu erfassen und sie mit Erfolg auszuführen — also nicht aus eigner Kraft, sondern mit Hilfe der göttlichen Intelligenz.
In jeder Sonntagsschulklasse herrschen besondere Umstände und der Lehrer muß daher den einzelnen Schülern gegenüber stets klug, liebevoll und nachsichtig sein. Diejenigen zu unterrichten, die die Schule aus Verlangen nach der Wahrheit besuchen und dieselbe leicht in sich aufnehmen, ist stets eine Freude. Leider aber sind nicht alle Schüler so geartet. Es gibt ihrer viele, die aus ganz andern Gründen kommen. Einige sind aus Pflichtgefühl da, andre aus Freude an der Gesellschaft ihrer Mitschüler, und wieder andre auf den elterlichen Befehl hin. Dem Lehrer fällt dann die Arbeit zu, auf wissenschaftliche Art und Weise in den Schülern die Lernbegier anzuspornen und ihnen zu zeigen, was und wie sie lernen müssen.
Wenn wir die Resultate in Betracht ziehen, die erreicht werden können, so finden wir, daß in diesem Werk Geduld und Ausdauer sich reichlich lohnt. Wir können nie wissen, wie weit der Einfluß unsrer Arbeit reichen wird. Frühzeitige Eindrücke sind dauernd, und es ist daher wichtig, daß sie richtig seien. Sie spielen bei der Bildung des Charakters eine wichtige Rolle und werden daher auch die späteren Jahre des Kindes beeinflussen. Und wer weiß, ob das Kind durch die Eindrücke, die es in der Sonntagsschule empfängt, nicht auch Trost und Hilfe mit nach Hause bringt? Wenn der richtige Gedanke Grund faßt, so kann das gute Ergebnis nicht ausbleiben.
Liebevolle Zurechtweisung ist ein wichtiger Teil der Arbeit des Lehrers. Oft zeigen sich unharmonische Zustände, die auf unpassenden Umgang, eigentümliche Veranlagung, Eigensinn, Nachlässigkeit usw. zurückzuführen sind — alles mentale Fehler, die gleich dem Unkraut in einem vernachlässigten Garten wuchern. Der Sonntagsschullehrer, dem wöchentlich nur eine Stunde zur Verfügung steht, um all diesen Neigungen entgegenzuwirken und sie zu berichtigen, hat sicherlich Gottvertrauen und Festigkeit nötig. Er wird Ermutigung finden in der Erkenntnis, daß richtiges Denken alle Macht besitzt, während falsches Denken machtlos ist; daß die Vergegenwärtigung der Wahrheit in einem Augenblick den Irrtum von Jahrhunderten vernichten kann.
Hieraus ist zu ersehen, wie wichtig es ist, daß man seine Denkweise vergeistige, denn alles richtige Denken ist geistig. Sich nur an den Verstand zu wenden, genügt nicht. Der Lehrer muß bestrebt sein, den Schüler sittlich höher zu führen. Reden über intellektuelle Forschungen und materiell-wissenschaftliche Entdeckungen sind wohl interessant und unterhaltend, haben aber wenig geistigen Wert. „Durch die Natur hindurch zum Gott der Natur” emporzuschauen, hat gewiß Berechtigung: beschränkt man sich aber auf die Natur, ohne zu sehen, was hinter ihr steht, so ist das eine Verletzung des ersten Gebotes: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.”
Kinder, und in gewissem Maße auch Erwachsene, haben die Neigung, plötzlich von einer Sache abzuspringen und sich auf das Gebiet materieller Vermutungen und Forschungen zu begeben. Wohl sind wir noch nicht so weit fortgeschritten, daß wir intellektueller Entwicklung entbehren können, und gewisse Zweige menschlichen Wissens scheinen vorderhand noch notwendig zu sein. Dies trifft aber nur insoweit zu, wie sie uns helfen, ihnen zu entwachsen; und in der Sonntagsschule dürfen materielle Dinge nur zur Veranschaulichung höherer geistiger Dinge behandelt werden. So kann ein Beispiel aus der Mathematik dazu dienen, den Unterschied zwischen der menschlichen Annahme und der geistigen Erkenntnis zu beleuchten, oder es kann auf die veränderlichen Theorien der materiellen Wissenschaft hingewiesen werden, um darzutun, wie unzulänglich sie sind, das menschliche Dasein zu erklären. Man muß jedoch sehr darauf achten, daß eine solche Veranschaulichung stets innerhalb der Grenzen eines Beispiels bleibt und den Sinn des Schülers für die Wahrheit nicht verdunkelt.
Jesus wies in seinen Gleichnissen sehr oft auf Naturvorgänge oder Naturerscheinungen hin, um die geistigen Gesetze zu erklären. In seinem Gespräch mit der Samariterin benutzte er sein Verlangen nach einem Trunk Wasser als Einleitung zu einer Lehre und richtete dadurch die Gedanken des Weibes auf das Wasser des Lebens, so daß sie zuletzt sagte: „Herr, gib mir dasselbige Wasser, auf daß mich nicht dürste und ich nicht herkommen müsse, zu schöpfen!” Eine Auseinandersetzung der Art und Weise, wie Jakob den Brunnen grub, oder ein Vortrag über die chemischen Eigenschaften des Wassers würden ihr dürstendes Herz nicht befriedigt haben. Jesus benutzte jede Gelegenheit, den Gedanken auf Gott als den stets gegenwärtigen Vater und Freund zu richten, und er ließ seine Zuhörer nie auf dem steinichten Boden der Materialität stehen. In gleicher Weise muß der Lehrer der Sonntagsschule durch seinen Unterricht und sein Beispiel die Gedanken der Kinder vom Selbst, von der Sünde und der Materialität wegleiten und sie lehren, Gott, Geist, als ihren Ratgeber, Heiler, Führer und Beschützer zu erkennen und sich ganz auf Ihn zu verlassen.
Auf Seite 235 von Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Die reinen und erhebenden Gedanken des Lehrers, die er den Schülern beständig mitteilt, werden höher reichen als die Himmel der Astronomie;” und weiter auf Seite 349: „Die Hauptschwierigkeit, die Lehren der göttlichen Wissenschaft dem menschlichen Denken exakt zu übermitteln, liegt darin, daß die englische Sprache, wie alle andern Sprachen für den Ausdruck geistiger Begriffe und Sätze unzulänglich ist, weil man gezwungen ist materielle Ausdrücke zu brauchen, während man es mit geistigen Ideen zu tun hat. Die Erläuterung der Christlichen Wissenschaft liegt in dem geistigen Sinn dieser Wissenschaft, und ihre Schüler müssen sich diesen Sinn erwerben, um ihre Bedeutung erfassen zu können. ... Wenn man von den Dingen des Geistes spricht, während man auf einer materiellen Ebene lebt, muß man sich im allgemeinen materieller Ausdrücke bedienen. Der sterbliche Gedanke erfaßt die höhere Bedeutung nicht sogleich; er ist dazu nur insoweit imstande, wie der Gedanke zur geistigen Wahrnehmung erzogen worden ist.”
Der Vater mit dem Sohn ist über Feld gegangen;
Sie können nachtverirrt die Heimat nicht erlangen.
Nach jedem Felsen blickt der Sohn, nach jedem Baum,
Wegweiser ihm zu sein im weglos dunklen Raum.
Der Vater aber blickt indessen nach den Sternen,
Als ob der Erde Weg er woll’ vom Himmel lernen.
Die Felsen blieben stumm, die Bäume sagten nichts.
Die Sterne deuteten mit einem Streifen Lichts.
Zur Heimat deuten sie. Wohl dem, der traut den Sternen!
Den Weg der Erde kann man nur am Himmel lernen.
