Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

„Als ein Kindlein”

Aus der Juni 1916-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn wir erst angefangen haben, die geistigen Tatsachen des Seins zu erfassen, so sehen wir in manchem scheinbar unbedeutenden Vorfall die Versinnbildlichung einer Idee der Wahrheit; ja sehr oft wird uns eine überaus nützliche Lehre zuteil. Wir sind noch nicht der Notwendigkeit entwachsen, auf die Art und Weise gelehrt zu werden, wie Jesus seine Jünger und das Volk lehrte, nämlich durch Gleichnisse und Veranschaulichungen. Eine der wichtigsten Veranschaulichungen des Meisters war wohl die, als er ein Kind zu sich rief und es mitten unter die Jünger stellte. Wenn wir dem Geheiß der inneren Stimme, über irgendeine scheinbar unbedeutende Sache nachzudenken, Folge leisten, so wird das Bewußtsein heute ebenso wie zu Jesu Zeiten durch eine solche Betrachtung erleuchtet und erhoben.

Wir haben allen Grund, besonders dankbar zu sein, wenn uns eine solche Erfahrung zu der Erkenntnis führt, wie einfach doch die Christliche Wissenschaft ist, denn diese Erkenntnis tut sehr not. Wie schwierig erscheint uns zuweilen die Arbeit im Dienste dieser Wissenschaft! Wir glauben, wir müßten eine eingehende Kenntnis von Krankheiten und ihren Gesetzen sowie eine hervorragende Fähigkeit in der Anwendung der Wahrheit haben, um unharmonische Zustände überwinden zu können. Eine solche Ansicht läßt uns befürchten, daß wir vielleicht in unsrer Arbeit gewisse Erscheinungsformen des Irrtums übersehen oder gewisse Regeln in der Anwendung der Wahrheit, die zur Heilung notwendig sind, außer acht gelassen hätten, und setzen dann ein größeres Vertrauen auf unser intellektuelles Verständnis von gut und böse und von der richtigen Art und Weise, die Wahrheit anzuwenden, anstatt uns auf die Allgegenwart und Allmacht Gottes zu stützen.

Nichts hat mir die Einfachheit der Wahrheit und ihrer Anwendung im täglichen Leben so klar vor Augen geführt wie ein kleiner Vorfall, dessen Zeuge ich letzten Sommer auf einer Reise war. Nicht weit von uns, im Schlafwagen, saß eine Mutter mit ihrem zehn Monate alten Kinde, welches sie zur Abwechslung von Zeit zu Zeit in die Ecke des Sitzes ihr gegenüber setzte. Eben hatte es sich das Kind wieder in seiner Ecke bequem gemacht, als das Brausen eines herannahenden Zuges zu vernehmen war, und zwar mußte er an der Seite vorbei, wo die Kleine saß. Als diese das Geräusch vernahm, zog sie sich mit einem leichten Schauder ganz in die Ecke zurück und starrte mit weiten, furchterfüllten Augen zum Fenster hinaus um zu sehen, was da komme. Dies dauerte jedoch nur einen Augenblick, und dann, als man hätte erwarten können, daß die Kleine vor Angst zu schreien anfangen würde, wandte sie sich mit einer sichtbaren Anstrengung vom Fenster ab und schaute empor in das Antlitz der Mutter. Während der Zug vorbeibrauste (und das muß ihr sehr lange geschienen haben, denn es kam sogar mir lang vor), hielt sie ihren Blick unverwandt auf das Antlitz der Mutter gerichtet. Sie schaute nicht nur kein einziges Mal nach dem Ding hin, welches ihr Furcht einflößte, sondern es war klar, daß sie sich der Gegenwart der geliebten Mutter und all der Liebe, des Schutzes und der Güte, die diese Gegenwart für sie bedeutete, bewußt war. Und in dem kleinen Gesichtchen war deutlich zu lesen, daß das Kind Trost und Frieden gefunden hatte.

Als ich diesen Vorfall beobachtete, erkannte ich nicht sofort, welch wunderbare Veranschaulichung des vertrauensvollen Glaubens er bedeutete. Erst nachdem ich weiter darüber nachgedacht hatte, wurde mir die geistige Lehre klar. Ich sah, daß dieser Vorfall in all seiner Einfachheit die durch die Christliche Wissenschaft gelehrte Anwendung der Wahrheit gegenüber der Erscheinungsform des Bösen darlegte. Die Kleine forschte dem Ungeheuer, das auf uns loszustürmen schien, nicht nach, und sie brauchte nicht über dasselbe unterrichtet zu sein; auch wußte sie nicht, wie ihr geholfen werden würde. Sie weigerte sich einfach hinzusehen, weigerte sich zu hören, weigerte sich, den scheinbaren Anzeichen von Gefahr Glauben zu schenken, und hielt ohne Wanken an der Mutterliebe fest — an der Liebe, die sie noch nie verlassen hatte. Die ganze Zeit hindurch war sie nicht in Gefahr gewesen. Hätte sie jedoch ihre Denkweise umgekehrt und den Einflüsterungen des Irrtums Gehör geschenkt, ja hätte sie auch nur einen Augenblick gezaudert, so wäre sie sich ihrer Sicherheit nicht bewußt gewesen. Nicht die Tatsache, daß man beschützt und geborgen ist, sondern das Sichbewußtsein dieser Tatsache bringt Frieden, und unser Bewußtsein, laßt uns das nicht übersehen, wird durch unser Denken bestimmt.

Tatsächlich kommt alles auf das Bewußtsein an; und wie wir ein richtiges Bewußtsein erlangen und es uns wahren können, wird uns durch das Studium der Christlichen Wissenschaft klar. Dank ihrer wunderbaren Lehre von einem Gott, der Liebe ist, dessen liebevolle Beziehung zu uns selbst mit dem Wort Mutterliebe nur sehr unvollkommen wiedergegeben werden kann, gelangen wir zu der Einsicht, wie einfach die Anwendung der Wahrheit ist. Die Denkweise jenes Kindes ist es, die dieses Bewußtsein fördert.

Laßt uns jene herrlichen Stellen auf Seite 495 und 261 von Wissenschaft und Gesundheit von neuem zu Herzen nehmen und darüber nachdenken: „Wenn die Illusion von Krankheit oder Sünde dich in Versuchung führt, dann klammere dich fest an Gott und Seine Idee. Laß nichts als Sein Gleichnis in deinen Gedanken weilen.” „Halte den Gedanken beständig auf das Dauernde, das Gute und das Wahre gerichtet, dann wirst du das Dauernde, das Gute und das Wahre in dem Verhältnis erleben, wie es deine Gedanken beschäftigt.”


Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Juni 1916

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.