Über den Zweck der Sendung des Messias finden wir in der Heiligen Schrift zwei Aussprüche, die sich direkt zu widersprechen scheinen, deren wichtige Bedeutung aber im Lichte der christlich-wissenschaftlichen Lehre völlig klar wird. Den Aufzeichnungen des Matthäus zufolge gab nämlich Jesus die bestimmte Erklärung ab, er sei nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen, während wir in der ersten Epistel des Johannes lesen, der Sohn Gottes sei erschienen, „daß er die Werke des Teufels zerstöre.” Mrs. Eddy bringt nun diese Aussprüche in einem einzigen Satz mit einander in Beziehung und gibt zugleich den Zweck der von ihr entdeckten Christlichen Wissenschaft an. Auf Seite 261 von „Miscellaneous Writings“ lesen wir: „Jesus sagte, ‚Ich bin nicht kommen, das Gesetz ... aufzulösen‘— die im mosaischen Gesetz vorbildlich dargestellten göttlichen Anforderungen —, sondern es in Gerechtigkeit ‚zu erfüllen‘ durch die vernichtende Gewalt der Wahrheit über den Irrtum.”
Christus Jesus kam nicht, um das Gesetz und die Propheten beiseite zu setzen, sondern um den Menschen zu zeigen, wie diese Gesetze durch das Beseitigen dessen, was sie veranlaßt hat, erfüllt werden können — mit andern Worten, durch die Vernichtung der Sünde. Wenn es keine Sünde, keinen Ungehorsam gäbe, so wären Gesetze überflüssig, denn, wie Paulus an Timotheus schreibt, „dem Gerechten [ist] kein Gesetz gegeben ..., sondern den Ungerechten und Ungehorsamen, ... und so etwas mehr der heilsamen Lehre zuwider ist.” Der Meister schenkte allerdings den Gesetzen und Geboten rein menschlichen Ursprungs keine Beachtung, war aber stets dem größten aller Gebote gehorsam, indem er alles austrieb, was Gott ungleich ist, und zwar durch die Erkenntnis des vollkommenen Menschen, des Menschen, der als das Spiegelbild des allein Guten ungefallen und unveränderlich ist.
Unter den Ärzten und Geistlichen gibt es solche, die aus dem gleichen Grund gegen die Christliche Wissenschaft Einwand erheben, wie die Gegner des Christus-Heilens in früheren Tagen. Wohl verwirft die Christliche Wissenschaft manche der althergebrachten Theorien und Anschauungen über die Art und Weise, wie körperliche und moralische Erlösung zu erlangen ist; aber sie hat in dem halben Jahrhundert ihres Bestehens unstreitbar bewiesen, daß sie nicht gekommen ist zu zerstören, sondern zu erfüllen. Indem sie mit den Werken des einen Bösen aufräumt, d.h. mit dem Unwirklichen oder Unwahren, erfüllt sie das Gesetz der Wahrheit, denn alles, was wahr ist, ist von der Wahrheit und kann daher nicht vergehen. Die Christliche Wissenschaft lehrt vor allen Dingen Gehorsam gegen das göttliche Gesetz, und ihren Anhängern ist es durch die fortgesetzte Beweisung dieses Gesetzes klar geworden, daß, wenn erst die ganze Menschheit sich demselben gefügt hat, Sünde, Krankheit und Tod nicht mehr sein werden; denn, wie Mrs. Eddy auf Seite 340 von Wissenschaft und Gesundheit sagt, „der eine unendliche Gott, das Gute, vereinigt Menschen und Völker; richtet die Brüderschaft der Menschen auf; beendet die Kriege; ... hebt den Fluch auf, der auf dem Menschen liegt, und läßt nichts übrig, was sündigen, leiden, was bestraft oder zerstört werden könnte.”
Wenn nun das göttliche Gesetz solchen Segen bewirkt, warum lassen wir es je an Gehorsam gegen dasselbe fehlen? Warum stellen so viele Menschen den eignen Vorteil höher als das Wohl der Allgemeinheit? Sie sind nur dann gehorsam, wenn dieses Gesetz nicht mit ihrer Auffassung von seinen Anforderungen in Konflikt gerät. Sie mißachten die Ermahnung, Gott von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften zu lieben, auch sehen sie nicht ein, daß man sich durch die Übertretung eines Gebotes der Übertretung aller Gebote schuldig macht. Sobald ihnen eine Verkürzung der besonderen Vorrechte droht, die sie sich selber zuerkannt haben, machen sie es wie die Gäste, die zum Abendmahl geladen waren: sie fangen an, „sich zu entschuldigen,” sie suchen ihre Handlungsweise zu rechtfertigen, wenigstens in ihren eignen Augen.
Wir dürfen nie vergessen, daß Wir die Christliche Wissenschaft und alle Segnungen, die sie uns gebracht hat, ihrer Entdeckerin und Gründerin, Mary Baker Eddy, verdanken. Sie erkannte wie niemand anders den hohen Wert des ihr anvertrauten Kleinods, und es war somit ihr ernstes Bestreben, dafür zu sorgen, daß nichts dessen Glanz trüben oder dessen Fassung schädigen möge. In allen ihren Schriften ermutigt und ermahnt sie ihre Nachfolger unablässig, die Lumpen und Fetzen des sterblichen Sinnes, die „Werke der Finsternis” von sich zu tun und den „Rock der Gerechtigkeit,” „die Waffen des Lichts” anzulegen, damit der Zweck erfüllt werde, zu dem jeder Christliche Wissenschafter Dienste genommen hat, nämlich das Überwinden der Sünde samt ihren Begleiterscheinungen, Krankheit und Tod. Die Christlichen Wissenschafter, welche wackere Streiter sind, erkennen die Notwendigkeit des prompten Gehorsams. Sie machen keine Ausflüchte, sondern fügen sich willig den weisen Bestimmungen, die zu ihrem Wohl erlassen worden sind.
Jedem Christlichen Wissenschafter bieten sich Probleme, die sein Vertrauen zu der Führung der einen Intelligenz auf die Probe stellen. Ist er klug, so bereitet er sich durch fleißiges Forschen in Wissenschaft und Gesundheit und in unserm Kirchenhandbuch auf solche Zeiten vor. Wer ernstlich sucht, findet entweder im Buchstaben oder im Geiste der Werke unsrer Führerin eine Antwort auf jede Frage, sei sie von persönlichem oder allgemeinem Interesse. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, welch hohen Wert Mrs. Eddy dem Kirchenhandbuch beimaß. Im „Sentinel“ vom 22. August 1914 (Oktoberheft des Herold, 1914) erschien ein am 27. Februar 1903 verfaßter Brief von Mrs. Eddy an den Vorstand Der Mutter-Kirche, dessen ernste Ermahnung einen wunderbar klaren Blick erkennen läßt. Sie sagt da unter anderm: „Heben Sie niemals die Satzungen noch die konfessionelle Verwaltung Der Mutter-Kirche auf. Wenn ich auch nicht persönlich bei Ihnen bin, so werden doch das Wort Gottes und meine Unterweisungen in den Satzungen Sie auch fernerhin, wie bisher, sicher führen.”
Hier haben wir einen bestimmten Verweis für den Geist der Anmaßung, der darauf aus ist, die Satzungen, denen alle Christlichen Wissenschafter Treue gelobt haben und die ihnen als Richtschnur dienen, aufzuheben oder zu umgehen. Niemand erkannte so klar wie unsre Führerin die Gefahr für den Fortschritt unsrer Sache — das selbstische Streben, welches Stellung und Macht an sich zu reißen und den Stempel des wahren Christus-Nachfolgers, nämlich Demut und Gerechtigkeit, zu verwischen sucht. Wohl uns, wenn wir ihre Warnung beachten! Ihr vornehmster Wunsch war, die Christliche Wissenschaft rein zu erhalten, damit das große Werk zum Heil der Menschheit ausgeführt werden könne; und diejenigen, denen sie dieses Werk anvertraut hat, müssen darauf sehen, daß die Christliche Wissenschaft genau so gelehrt und verkündet wird, wie im Handbuch vorgeschrieben ist.
