Die sozialen Bestrebungen in allen Ländern gehen darauf hin, die Menschen von dem Joch mühsamer Arbeit zu befreien. Der Sozialismus, die Gewerkvereine, ja sogar Regierungen erstreben die Herbeiführung kürzerer Arbeitszeit und befürworten mehr freie Zeit, mehr Ruhe, mehr Vergnügen, Diese Sache wird mit solchem Eifer verfochten, daß diejenigen, die sie blindlings verfolgen, leicht zu der Ansicht gelangen, als ob man durch ein Sichlosmachen von der Arbeit glücklich werde, als ob bezahlter Müßiggang das Ziel sei, nach dem die Menschheit streben müsse. Dadurch wird aber das göttliche Gesetz: „Was der Mensch säet, das wird er ernten” beiseite geschoben. Viele soziale Reformer behaupten, Gütergemeinschaft würde universale Gerechtigkeit und die Brüderschaft unter den Menschen herbeiführen, und als Beweis für die Richtigkeit ihrer Lehre führen sie die göttliche Unparteilichkeit an.
Mrs. Eddy schreibt auf Seite 13 von Wissenschaft und Gesundheit: „Liebe ist unparteiisch und allumfassend in ihrer Anwendbarkeit und in ihren Gaben. Sie ist der offene Quell, der da ruft: ‚Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser‘.” „Kommet her zum Wasser”! Wollen wir unsern Durst gestillt haben, so müssen wir erst eine Bedingung erfüllen: wir müssen kommen! Wir müssen uns unsre Belohnung verdienen! Die Belohnung, die uns aus den Bemühungen andrer erwächst, ist nie unser rechtmäßiges Eigentum. Sie gewährt uns keine wahre Befriedigung; sie kann nur vorübergehend Gutes wirken. Früher oder später müssen wir alle erkennen lernen, daß wahre Freude allein in geistiger Arbeit zu finden ist, daß die Früchte unsrer eignen Arbeit allein uns die Ruhe und die Zufriedenheit verschaffen, nach der die Welt lechzt.
„Kommet her zum Wasser”! Das Wasser ist frei für jedermann. Wir brauchen nur die Gelegenheit zu benützen, brauchen uns nur dauernd um unsre Belohnung zu bemühen. Man hört zuweilen die Frage, warum sich die Praktiker für ihre Arbeit bezahlen lassen. Diese Frage beruht ohne Zweifel auf der Ansicht, daß man für die Christliche Wissenschaft bezahle. Die Christliche Wissenschaft ist frei für alle, die sie anwenden wollen. Sie brauchen nur die Bibel und das Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift zu studieren und die darin enthaltenen Lehren in die Tat umzusetzen. Das Honorar des Praktikers ist für seine Zeit und Arbeit.
Angenommen, es wohnt jemand in der Nähe einer Quelle, deren Wasser für den allgemeinen Gebrauch bestimmt ist. Aus verschiedenen Gründen will oder kann er aber das Wasser, das er braucht, nicht selber holen. Würde er es nicht selbstverständlich finden, den Mann, den er beauftragt, ihm das Wasser zu bringen, für diese Dienstleistung zu bezahlen? Gewiß. Er würde nicht für das Wasser bezahlen, sondern für die Zeit und Arbeit dessen, der das Wasser für ihn holt. Wollte er sich diese Kosten ersparen, so müßte er die Arbeit selbst tun. Man erhält nichts ohne zu geben. Es gibt keine Belohnung ohne Dienstleistung. Dies ist kein menschliches Gesetz, es ist das unparteiische, unabänderliche Gesetz Gottes.
Unser Meister sagte: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; Ich will euch erquicken.” Um von drückender Arbeit, von menschlicher Anstrengung und von Mühsal frei zu werden, müssen wir durch geistige Tätigkeit zum Christus, zur Wahrheit „kommen,” und zwar darf dieses Kommen nicht auf bloßem blinden Glauben beruhen, nicht auf abergläubischer Furcht, auf Unwissenheit, nicht auf leeren Worten, sondern auf Taten. Wer auf die rechte Art zur Wahrheit kommt, bekundet Demut, Glauben, Hoffnung, aufrichtiges Suchen und Streben. Diese mentalen Eigenschaften machen den Kommenden, den wahren Arbeiter, empfänglich für die Macht der Wahrheit, die die Sterblichen von ihren selbstauferlegten Lasten befreit. Diejenigen, die zu Christus Jesus kamen, wurden geheilt. Der verlorene Sohn fand keinen Frieden, bis er zu seinem Vater zurückgekehrt war. Wenn wir dem Geist zustreben, finden wir die Harmonie, nach der wir vergebens in der Welt und in den Dingen der Welt gesucht haben.
„Kommt her zu mir,” sagte der Meister, nicht: „Sendet jemand zu mir,” wie so manche seiner Nachfolger seine Worte auszulegen scheinen. Wie viel leichter ist es doch, der Mutter, der Gattin oder dem Bruder die Arbeit aufzutragen, oder sie auszusenden, um Hilfe zu holen. Völliger Gehorsam ist jedoch nicht dieser Art. Wir müssen selbst kommen; wir müssen uns dem Quell alles Guten immer mehr nähern, bis wir zuletzt jenes Verständnis erlangen, das uns Harmonie, Rast und Ruhe bringt. Das Kommen zum Christus bedingt mehr als zeitweilige Anstrengungen, es bedingt ununterbrochenen Fortschritt.
Die Menschheit sollte sich fragen: Was ist wahre Arbeit? Die Antwort lautet: Gottes Arbeit. Und was ist Gottes Arbeit? Die Arbeit des Guten, der Liebe und der Wahrheit. Mrs. Eddy nennt sie „das mühelose Wirken der göttlichen Energie” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 445). Nachdem Paulus die Philipper aufgefordert hatte, ihre Erlösung von Krankheit, von Sünde, kurz, von allem Irrtum auszuarbeiten, wodurch sie dem Himmel näher kommen würden, sagte er, Gott wirke in uns „das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.” Dies ist somit die wahre Arbeit, der sich die Menschheit in zunehmendem Maße befleißigen soll, anstatt zu versuchen, sich von ihr frei zu machen. Diese Arbeit kann und soll die Triebkraft in unserm täglichen Leben sein, in jeder Handlung, die unsre Zeit und unser Denken in Anspruch nimmt. „Gott ruht im Wirken,” lesen wir auf Seite 519 von Wissenschaft und Gesundheit; somit muß das Bild und Gleichnis Gottes das gleiche tun. Würde das göttliche Gemüt aufhören zu wirken, so würde es aufhören zu bestehen, Wer liebt, genießt Ruhe; wer versteht, genießt Frieden.
Wenn wir fröhlichen Herzens arbeiten, wachen und beten, werden wir der liebevollen Einladung freudig Folge leisten: „Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es höret, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.”