Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Geistige Wahrnehmung

Aus der Dezember 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Eine der trostreichen Versicherungen, die uns die Christliche Wissenschaft bringt, ist die, daß Gott nie versäumt. Seine Kinder zu versorgen, Gott braucht nicht neue, besondere Dinge zu schaffen, um den besonderen Bedürfnissen der Welt oder des einzelnen entgegenzukommen. Im ersten Buch Mose lesen wir, daß Gottes Schöpfung „vollendet” war, und das vollendete Werk des allweisen Schöpfers bedarf weder der Ergänzung noch der Verschönerung. Ferner lesen wir im Prediger: „Was ist’s, das geschehen ist? Eben das hernach geschehen wird. Was ist’s, das man getan hat? Eben das man hernach wieder tun wird; und geschieht nichts Neues unter der Sonne.” Die unerschöpflichen Versorgungsmittel in der Schatzkammer der göttlichen Liebe gehören uns; aber solange wir diese Tatsache nicht erkennen und anwenden, ist der Vorrat für uns ebenso wertlos wie der Inhalt eines versiegelten Buches oder das Gold in einer unentdeckten Mine. Gottes Segnungen sind Seinen Kindern in dem Maße zugänglich, wie diese zu der Erkenntnis kommen, daß Gott Geist und Sein Weltall geistig ist.

Was wahr ist, hat von jeher bestanden, besteht jetzt und wird immerdar bestehen. Weder Gott noch Seine Schöpfung kann sich ändern. Nichts ändert sich als unser Begriff von den Dingen. Mrs. Eddy schreibt auf Seite 68 von Wissenschaft und Gesundheit: „Die Christliche Wissenschaft stellt Entfaltung, nicht Zuwachs dar;” und auf Seite 507 lesen wir: „Die Schöpfung erscheint immerdar, und der Natur ihrer unerschöpflichen Quelle nach muß sie immerdar erscheinen.” Die menschliche Auffassung von den Dingen ist stets so materiell wie das Denken, das die Auffassung gestaltet; folglich kann der Sterbliche die geistige Schöpfung nur in dem Verhältnis wahrnehmen, wie er die materielle Denkweise durch die geistige ersetzt. Das sterbliche Gemüt maßt sich an, eine eigne Schöpfung hervorzubringen; aber diese Schöpfung ist ebenso unbeständig und wandelbar wie das sterbliche Gemüt selber, es ist fortwährend dem Wechsel und der Veränderung unterworfen.

Die Wahrheit ist darum nicht weniger wahr, weil sie der sterbliche Sinn nicht demonstrieren kann. Die Wissenschaft der Zahlen ist so alt wie das Gemüt, und doch liegt die Zeit gar nicht so weit hinter uns, wo nur wenige oder vielleicht gar keine Menschen imstande waren, mathematische Regeln zu demonstrieren. Die Mathematik ist und bleibt auf ein festes Gesetz gegründet, auch wenn nie ein Problem auf Grund ihrer Regeln gelöst worden wäre, auch wenn die Zahlen, durch die dieses Gesetz zum Ausdruck kommt, nie erfunden worden wären. Das Unvermögen, irgendeinen Teil der Wahrheit zu demonstrieren, beweist nichts als die Schwachheit und Unwissenheit der Sterblichen. Die Christliche Wissenschaft wäre auch dann wahr, wenn sie nie einen Sünder umgewandelt oder einen Kranken geheilt hätte. Die Unfähigkeit der Sterblichen, gewisse Dinge wahrzunehmen, beeinflußt diese Dinge in keiner Weise. Unsre Vorfahren hätten alle modernen Erfindungen ebensogut haben können wie wir, nur fehlte es ihnen am nötigen Verständnis. Es stand jedermann zu jeder Zeit frei, diese Erfindungen zu machen. Daraus geht hervor, daß, wie wertvoll eine Sache auch sein mag, sie wertlos ist, solange man sie sich nicht aneignet und sie nicht verwertet.

Die geistige Wahrnehmung der Dinge, die von jeher bestanden haben, vernichtet nichts andres als falsche Begriffe, und falsche Begriffe werden nur dadurch vernichtet, daß man sie durch richtige Ideen ersetzt. In diesem Vorgang braucht man nicht zu leiden, geht nichts verloren. Die Erziehung eines Kindes vernichtet nichts andres als Unwissenheit. Erziehung kann demnach als das Ersetzen von Unwissenheit durch Erkenntnis bezeichnet werden. Unwissenheit bedeutet Finsternis, und Erziehung ist das Licht, das die Finsternis vertreibt. Daraus ergibt sich, daß Unwissenheit nichts Wesentliches ist, denn wäre sie es, so würde die Erziehung einer Person Unwissenheit auf jemand anders übertragen, und die Summe der Unwissenheit bliebe stets dieselbe. Genau so verhält es sich in der Metaphysik. Wenn die Unwissenheit in bezug auf geistige Dinge durch richtige, vollkommene Erkenntnis ersetzt wird, so geschieht nichts weiter, als daß ein neuer Standpunkt eingenommen wird.

Wer dies versteht, wird auch einsehen, daß die Christliche Wissenschaft eine Entdeckung und nicht eine Erfindung ist. Die Christliche Wissenschaft behauptet nichts weiter als die geoffenbarte, kundgewordene Wahrheit zu sein, und Wahrheit ist gleichbedeutend mit Gott. Die volle Wirkung der erlösenden Macht der göttlichen Wahrheit war für die Menschheit dermaßen verloren gegangen als ob sie nie bestanden hätte, bis dann eine Frau erschien, die genug geistige Gesinnung hatte, um diese Macht wahrzunehmen, die weise genug war, sie zu erklären, und die tapfer genug war, sie einer ihr nichts weniger als wohlgesinnten Welt darzubieten. Gleichwie die Gefangenen im Mittelalter, so lechzte die Menschheit in einem hoffnungslosen Kerker. Sie wußte nicht, daß die Tür nicht verriegelt war, daß sie bloß aufgestoßen zu werden brauchte, um das Licht herein zu lassen und die Gefangenen sofort frei zu setzen.

Geistige oder physische Heilung kommt nur in dem Maße zustande wie wir des Menschen Vervollkommnungsfähigkeit wahrnehmen; ja sie kann auf keine andre Weise erfolgen, ob der Vorgang nun Minuten- oder jahrelang dauert. Eine vollständige Umwandlung des Denkens muß der endlichen Wahrnehmung der Harmonie, des Himmels, vorausgehen, wie Mrs. Eddy auf Seite 218 von Miscellaneous Writings dartut. Sie schreibt da: „Das sterbliche Gemüt muß alle seine Begriffe von Leben, Substanz und Intelligenz ändern, ehe es die Unsterblichkeit des Gemüts und dessen Ideen erreicht.”

Jeder Tag sollte uns eine größere Entfaltung bringen; und jede Entfaltung ermöglicht es uns, ein größeres Maß der Erkenntnis oder der geistigen Wahrnehmung zu erlangen. Wir haben alle das Recht, uns einer fortwährenden Offenbarung der unendlichen Wunder des Gesetzes und des Reichs Gottes zu erfreuen, Segnungen, die uns durch falsches Denken vorenthalten geblieben sind. Aber selbst ein gelegentlicher Aufstieg auf den Verklärungsberg erschließt uns neue Begriffe von alten Dingen, die uns nie wieder abhanden kommen werden.

Die Menschen haben heutzutage nur ein schwaches Verständnis von dem geistigen Weltall, „denn,” wie Paulus schreibt, „wir sehen jetzt durch einen Spiegel in Räthseln;” aber er fügt hinzu: „Wann aber das Vollkommene wird gekommen sein, dann wird das Stückwerk abgetan werden” (Zürcher Bibel). Der zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffene Mensch ist nie gefallen; aber dieser wahre Mensch kommt nur in dem Verhältnis zum Vorschein, wie der Adam-Mensch abgelegt wird. Wir machen uns das Vollkommene in dem Maße zueigen, wie wir die Wesenlosigkeit des Unvollkommenen erkennen lernen. Der Musiker wird nie imstande sein, Harmonie zum Ausdruck zu bringen, solange er glaubt, Disharmonie sei ein Teil der Musik. Der Apostel Johannes sagt: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder;” aber diese Sohnschaft kommt nur in dem Umfange zum Ausdruck, wie wir als Einzelwesen diese ewige Tatsache beweisen.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Dezember 1917

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.