Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Beweis und Fortschritt

Aus der Dezember 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wohl dürfen wir uns fragen, wofür wir eigentlich leben. Von welchem Gedanken wird unser Sinn hauptsächlich beherrscht? Wovon werden wir geleitet oder regiert? Wem leisten wir am ersten Gehorsam, oder welcher Sache dienen wir zuvörderst? Die Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit, mit der wir solche und andre Fragen beantworten, die sich jedem Christlichen Wissenschafter bieten, entscheidet, wie weit wir als Darleger oder praktische Ausüber der Wissenschaft des Heilens durch das Gemüt gekommen sind, jener ewigen, jetzt allmählich den Erdball umspannenden Wahrheit. Wir werden täglich geprüft, müssen uns täglich fragen, wie weit wir den Geboten Gottes nachkommen.

Wie unsre Führerin in ihren Schriften so oft darlegt, ist Fortschritt ein Gesetz Gottes, daher geistig. Zweck und Ziel des Fortschritts ist die Verherrlichung Gottes durch die Erlösung der Menschheit aus der Knechtschaft eines falschen Sinnes vom Sein. Menschlich gesprochen scheint Vollkommenheit unerreichbar zu sein. Zu oft schließt der sogenannte Fortschritt die Ketten der sterblichen Sklaverei nur noch fester, trübt den klaren Blick und macht selbst das heiligste Streben bösen Zwecken dienstbar, weil seine Ideale nie anders als materieller Art sind.

Der Übertreter — der Mensch, der in seinem eigennützigen Streben das göttliche Gesetz nicht beobachtet und die göttlichen Erfordernisse außer acht läßt — findet den Weg beschwerlich. Er läßt sich die Substanz des Guten entgehen, weil er den Schatten der Sinnentäuschung zu greifen sucht. Je mehr man das Streben nach der Erkenntnis der Wahrheit hinausschiebt, desto schwieriger wird es, den Irrtum zu beseitigen. Wer aber erkannt hat, daß aller wahre Fortschritt mehr geistiges Licht bedeutet, mehr Kraft und vollere Hingabe, dessen sittliches und geistiges Empfinden wird so rege sein, daß ihn die Sophisterei des sterblichen Gemüts nicht in ihre Falle locken kann. Er wird auf der Hut sein und der Ermahnung des Meisters gedenken: „Wachet und betet, daß ihr nicht in Versuchung fallet!”— damit er jenen Ansprüchen des sterblichen Sinnes, die im Gegensatz stehen zu dem geistigen Sein des Menschen und sich als Engel des Lichts verkleidet einfinden, nicht nachgebe.

Der Irrtum weiß sich sehr gut zu verstellen. Wenn man aber versteht, daß seine Macht erdichtet ist und dies hat beweisen können, so ist sein Einfluß dahin. Das geringste Nachgeben gegenüber seinen Ansprüchen, sei es durch Mangel an Glauben, an sittlichem Mut oder an der Kenntnis jener Unendlichkeit des Guten, von welcher der Mensch einen Besitzzettel hat, bedeutet unvermeidlich Leiden zum Zweck der Besserung. Der Weg des Lebens ist gerade und schmal; aber er wird durch den Geist der Wahrheit erhellt und durch den „Gabriel Seiner Gegenwart” bewacht (Wissenschaft und Gesundheit, S. 567). Wir können die vielen fürsorglichen Mittel der göttlichen Liebe zur Erlösung des Menschen nicht hinreichend würdigen.

Wir werden bisweilen mutlos, wenn trotz unsrer Überzeugung, daß die Christliche Wissenschaft Sünde, Krankheit und Tod vernichtet, und trotz unsres Bemühens, dem Gesetz der Liebe zu gehorchen, diese Übel hinsichtlich der Zahl, Heftigkeit oder Wirkung nicht nachzulassen scheinen. Ein solches Gefühl haben wir besonders in Fällen, wo eine Schwierigkeit, deren Lösung wir durch die Christliche Wissenschaft erwarteten, gewaltig Front macht und durch nichts erkennen läßt, daß sie dem Wirken des Gemüts zu weichen beginnt. Wenn man sich über den nahenden Irrtum nicht schnell klar wird, begeht man leicht den Fehler, den Ursprung des Übels erforschen zu wollen, in dem Wahn, die Antwort werde vielleicht das Mittel zur lange erstrebten Besserung sein.

Wer nicht auf der Hut ist, kann durch Zweifel auf vielerlei Weise am Fortschritt gehindert werden. Er hat keinen listigeren Feind als diesen. Viele von uns sind zu Zeiten im Tale des Zweifels gewesen; keiner wird diesen Aufenthalt aber als angenehm oder förderlich bezeichnen wollen. Glaube an Gott, der dem Namen und Wesen nach die Liebe ist — ungeachtet aller materiellen Zeichen und Scheinbarkeiten des Mißlingens — ist das positive geistige Verhalten, durch das allein die heilende Macht der Wahrheit wirksam werden kann. Der Zweifel ist ein Hemmnis, und das weiß der Zweifler. Wenn er ernstlich weiterstrebt, wird er stets beklagen, daß er ihm Gastfreundschaft gewährt hat. Er erkennt, daß Glaube allein jedem geheiligten Streben Kraft verleiht, und daß Aberglaube und Leichtgläubigkeit dem Emporstreben zu Gott nur hinderlich sein können. Der Zweifel wirft in fünf Minuten mehr Fragen auf, als ein Mensch in seinem ganzen Leben beantworten könnte, es sei denn, man versteht das übersinnliche Wesen der Wirklichkeit des Seins und erkennt die große grundlegende Tatsache, daß geistige Macht und das Erlangen des Guten, des Friedens und der Freude natürliche Ergebnisse eines wissenschaftlichen Verständnisses von der Allheit Gottes sind. Daher tun wir wohl, wenn wir's auch noch nicht „ergriffen” haben, um mit dem Apostel zu reden, an der gebotenen Hoffnung festzuhalten, welche wir haben als einen festen Anker unsrer Seele.

Der Apostel spornte die Ebräer an, „Nachfolger derer” zu sein, „die durch den Glauben und Geduld ererben die Verheißungen,” und er tröstete sie mit seiner Darlegung der Tatsache, daß diese Verheißungen unveränderlich sind, weil sie von einem unwandelbaren Gott kommen. Diese segensreichen Verheißungen sind in Christo, in der Wahrheit, erfüllt. Wenn also die Wahrheit unser ganzes Denken, Wünschen und Streben regiert, dann werden sich diese Verheißungen an uns erfüllen — erst durch das Aufdämmern geistiger Ideen, sodann durch das helle Morgenlicht, das uns aus dem Gewölk des Irrtums zu erhabenen Höhen emporführt, und schließlich durch den vollen, herrlichen Tag, das Bewußtsein der vollkommenen Wiederspiegelung der unsterblichen Liebe. Wer aber warten will, bis er die Entstehung dessen entdeckt hat, was kein wirkliches Dasein hat — wer da wissen will, woher das kam, was dem unendlichen Guten scheinbar entgegengesetzt ist — wird lange in der Wüste und Einöde des unbefriedigten Verlangens weilen.

Jeder Christliche Wissenschafter hat irgend einmal vor einem Rätsel gestanden. Das liegt daran, daß das Sterbliche nur ungern dem Unsterblichen, das Begrenzte nur widerwillig dem Unbegrenzten weicht. Kein geistiger Aufstieg ist leicht. Diejenigen, die das Ziel erreichen, beweisen dadurch ihr Festhalten an der göttlichen Tatsache, daß die Liebe niemals hindernd wirkt oder Trübung verursacht, sondern stets leitet, ermutigt und erlöst. Der ewige Christus kam „in die Welt ein Licht.” Genau so ist dieses Licht jetzt hier, um den Pfad des Suchers nach Gott zu erleuchten. Und ein festes Vertrauen auf das Gemüt erweist sich als eine nieversagende Quelle der Kraft, die zum Sieg über den Irrtum führen muß, mögen wir auch von Schatten umgeben sein, und mag auch alles um uns her hoffnungslos erscheinen.

Unzählige Menschen können die tiefe Weisheit der Worte unsrer Führerin bestätigen, daß Fortschritt der Menschheit die Fesseln abnimmt (siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. 256). Wenn wir auf die Monate oder Jahre zurückblicken, seit wir angefangen haben, unser Leben im Sinne der Christlichen Wissenschaft zu gestalten, werden wir sehen, wie mit jeder Demonstration, so klein sie auch erscheinen mag, ein hemmendes Gewicht von uns genommen, ein Zweifel vernichtet, ein Furchtgefühl beseitigt, eine uns anhaftende Sünde überwunden worden ist. Man tut wohl daran, sich zu erinnern, welche Freude man über einen Beweis von der Gegenwart der Liebe empfunden hat, durch den das Vertrauen auf das unwandelbare und wohltätige Wirken des göttlichen Prinzips wiederhergestellt wurde.

Wenn es eines andern Beweises bedarf, daß die göttliche Wissenschaft der Weg des Lebens ist, und daß wir unsre Bürden mit jedem Schritt geistwärts loswerden, brauchen wir nur unsre heutigen Vorstellungen mit denen früherer Jahre zu vergleichen. Welche Irrtümer sind doch bereits geschwunden! Wie viele Anschauungen, die wir früher für geoffenbarte Wahrheiten hielten, sind als grundfalsch und als Erzeuger von Kummer und Leid bloßgestellt worden! Wie ganz anders blicken wir jetzt um uns her! Welche Veränderung hat in unsern Beziehungen zu andern stattgefunden! Wie ganz anders betrachten wir jetzt das eifrige Streben der Welt nach den zeitlichen Gütern des sterblichen Sinnes! Man bedenke, welchen Segen es bedeutet, sich jeden Augenblick bewußt sein zu können, daß die Macht, welche Gerechtigkeit schafft, die Macht des Geistes ist, die läutert und erhebt, die uns unser Erbteil des Guten erkennen läßt, unser ganzes Tun bestimmt und der Tröster ist, der jetzt und immerdar das Sehnen unsres Herzens stillt.

Ihn zu erkennen (siehe Phil. 3: 10), das war der heiße Wunsch des großen Heidenapostels von dem Augenblick an, als er zuerst das Licht der Wahrheit sah und die Schuppen einer materialistischen Anschauung von Gott und der Religion ihm von den Augen fielen. Durch stete Treue gegen dieses Ideal veranschaulichte er in feinem Leben jene Entwicklungsstufen des sterblichen Gemüts, die auf Seite 115 und 116 von Wissenschaft und Gesundheit so klar dargelegt sind. Auch ein andrer Apostel — Petrus, dem Jesus so viel Güte erwies — spricht von einer solchen Entwicklung im Sinne eines Erscheinens geistiger Eigenschaften. Er beginnt mit dem Fleiß, geht dann aufwärts zum Glauben, zur Tugend oder einem edlen Charakter, zur Erkenntnis, Mäßigkeit und Selbstbeherrschung, zur Geduld und Gottseligkeit, zur Heiligkeit, die „gut und nütze” und „ein großer Gewinn” ist, zur brüderlichen Gesinnung und schließlich zur Liebe.

Durch dieses geistige Fortschreiten, durch das stetige Sicherheben zur Erkenntnis der Wahrheit und ihrer praktischen Anwendbarkeit wird nicht nur ein jeder von uns befähigt, die Nachahmung der geistigen Idee, jeden Gedanken, der nicht christusähnlich ist, als solchen zu erkennen und zu vernichten, sondern wir können auch nicht umhin, im Dienste Gottes Früchte zu tragen. Bedeutet dies nicht, daß wir uns von manchem lossagen müssen, woran wir gehangen haben? Wenn Gottes Wille in und durch uns geschieht, besteht die Belohnung darin, daß mit jedem Schritt, der uns von den Falschheiten des fleischlichen Sinnes hinweg und aufwärts führt, die Eigenschaften, die nicht ein Ausdruck der Wahrheit und Liebe sind, beseitigt werden. Sind dies nicht Beweise des Fortschritts, nach dem wir alle trachten?


Gott will, daß des Menschen Leben nicht ein müßiges Dastehen sei, nicht ein gedankenloses Hindämmern durch den Morgen und Mittag des Daseins bis hinein in den Todesschatten, sondern daß es ein fortgehendes Schaffen des Menschen sei an dem, was zeitlich und ewig ihm zum Heil gereichen muß.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Dezember 1917

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.