Die Lehren Christi Jesu fordern von uns in eindringlicher Weise, daß wir unsern Schuldigern vergeben, und sie weisen zugleich darauf hin, wie sehr wir selber der Vergebung bedürfen. Gewiß sollten uns solche Ermahnungen veranlassen, die Art unsres Vergebens zu prüfen. Wenn der Meister sich dem Übel in irgendeiner seiner unzähligen Erscheinungsformen (wie Sünde, Disharmonie oder Tod) gegenübersah, ließ er stets Barmherzigkeit walten. Niemals verurteilte er den, der den Verlockungen der Sünde scheinbar zum Opfer gefallen war, sondern er half ihm wieder auf. Seine Worte an den bekümmerten, leidenden, der Sünde müden Wanderer, der dem Vaterhaus den Rücken gekehrt hat, wirken ermutigend und heilend.
Er, in dessen reinem Bewußtsein kein unreiner, liebloser oder sündiger Gedanke auch nur einen Augenblick Raum finden konnte, vermochte dennoch zu jenem streng verurteilten, hart bedrängten, sündenbeladenen Weib zu sagen: „So verdamme Ich dich auch nicht; gehe hin und sündige hinfort nicht mehr!” Zu dem verachteten Wucherer und Zöllner Zachäus, der auf einen Baum gestiegen war, um ihn zu sehen, sagte er: „Steig eilend hernieder; denn ich muß heute zu deinem Hause einkehren!” Seine Worte an den Gichtbrüchigen lauteten: „Sei getrost, mein Sohn; deine Sünden sind dir vergeben.” Den Hilferuf des von allen gemiedenen Aussätzigen beantwortete er mit den Worten: „Ich will's tun, sei gereiniget!” Von dem sündigen aber reumütigen Weib im Hause des Pharisäers sagte er: „Ihr sind viele Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebet.” Bei seinem letzten großen Kampf am Kreuze, inmitten der Schmähungen seiner verblendeten Verfolger, konnte er voll Mitleid beten: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!”
Auf Seite 241 von Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Die Substanz aller Frömmigkeit ist die Widerspiegelung und Demonstration der göttlichen Liebe, welche Krankheit heilt und Sünde zerstört.” Wiederum lesen wir auf Seite 17: „Und Liebe spiegelt sich in Liebe wieder.” Obwohl nun unser Meister den Menschen gegenüber stets freundlich und barmherzig war, so duldete oder entschuldigte er doch keineswegs das Übel, von dem sie beherrscht wurden. Nie ließ er es gegenüber dem Irrtum, gleichviel in welcher Gestalt er erschien, an strenger Zurechtweisung fehlen. Er trennte aber stets die Sünde vom wirklichen Menschen und hielt dadurch sein eignes Bewußtsein frei von der Regung zum Verdammen oder zum Wiedervergelten. Nie verlor er den wahren, vollkommenen, zum Bilde Gottes geschaffenen Menschen aus dem Auge. Er blieb sich beständig bewußt, daß Gott, das Gute, einschließlich Seiner Schöpfung, das All der ewigen Wirklichkeit ausmacht, und daß das Übel eine Lüge ist, eine Nichtsheit, weil es auf einer Täuschung beruht, auf Wesenlosigkeit.
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