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Das Gleichnis vom großen Abendmahl

Aus der Juli 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die geistigen Lehren, die uns die Gleichnisse Jesu geben, sind so zahlreich und mannigfaltig wie die menschlichen Erfahrungen. Jedem aufrichtigen Sucher nach göttlicher Führung, der die Gleichnisse im rechten Geist betrachtet, erscheint es, als ob sie gerade für ihn bestimmt seien; und das sind sie auch, wenn er für die Lehren bereit ist, die sie enthalten. Der wahre Jünger wird der Lehren Jesu nie müde; er findet in ihnen stets etwas Neues und Praktisches. Mrs. Eddy schreibt: „Unser Meister lehrte Geistigkeit durch Bilder und Gleichnisse. Als ein göttlicher Schüler entfaltete er Gott vor dem Menschen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 117).

Das Gleichnis vom großen Abendmahl, wie es im vierzehnten Kapitel des Lukas-Evangeliums aufgezeichnet ist, handelt von vier Klassen von Menschen und enthält für eine jede derselben eine überaus hilfreiche Lehre. Erst kommt der Knecht, der die Gäste herbeirief; dann kommen die Geladenen, die sich später entschuldigten; dann die Armen, die Krüppel, die Lahmen und die Blinden; und zuletzt diejenigen, die genötigt wurden hereinzukommen.

Ein Mensch, so lesen wir, „machte ein groß Abendmahl und lud viele dazu.” Hier ist ohne Zweifel die göttliche Liebe gemeint, und das Abendmahl ist das Anteilhaben an den Segnungen, die allein in dem Bewußtsein des wahren Seins zu finden sind. Die Geladenen sind diejenigen, die die Stimme der Wahrheit vernommen haben; und ihrer sind viele. An alle, zu denen das Wort geredet worden ist, an alle, die die Wirksamkeit der heilenden und umgestaltenden Macht der Wahrheit im Leben andrer, im Leben ihrer Nachbarn, Freunde, oder Verwandten haben beobachten können, ist die Einladung ergangen. Die Worte des Jesaja: „Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser! und die ihr nicht Geld habt, kommt her, kaufet und esset; kommt her und kauft ohne Geld und umsonst beide, Wein und Milch!”— diese Worte haben durch all die Jahrhunderte weitergeklungen; und viele haben sie mit Freuden vernommen.

Zur Stunde des Abendmahls wurde ein Knecht ausgesandt, um den Geladenen zu sagen: „Kommt, denn es ist alles bereit!” Es ist beachtenswert, daß der Knecht erst dann ausgesandt wurde, als alles bereit war. Es war kein Grund vorhanden, warum die Geladenen dem Ruf nicht sogleich Folge leisten sollten, wie von ihnen erwartet wurde. Sie konnten nicht vorschützen, sie hätten nicht gewußt, daß sie geladen seien, denn die Einladung war früh genug an sie ergangen, um ihnen Zeit zu geben, die nötigen Vorkehrungen zu treffen.

In jenen Tagen war es Brauch, den Geladenen durch einen Boten noch besonders mitzuteilen, daß der Gastgeber bereit sei und sie nunmehr erwarte. Wer heutzutage eine Einladung erhält, wird ohne weitere Umstände zur festgesetzten Zeit erwartet. Nur zu oft müssen diejenigen, die eingeladen sind, von dem göttlichen Manna zu essen, besonders daran erinnert werden, daß die festgesetzte Zeit gekommen und das Mahl bereit sei. Ist es nicht auffallend, daß denen, die den Segen der Wahrheit, wenn auch nur in geringem Maße, entweder in moralischer oder physischer Heilung erfahren haben, ins Gedächtnis gerufen werden muß, daß sie eingeladen sind, an dem großen Segen teilzunehmen, der das nach Gerechtigkeit hungernde und dürstende Herz befriedigen kann? Aber so ist es in vielen Fällen; zu oft werden Entschuldigungen vorgebracht. Der wachsame und aufrichtige Jünger der Wahrheit braucht nie daran erinnert zu werden, daß er zum Gastmahl eingeladen ist. Er hat seine Angelegenheiten so eingerichtet und seine Arbeit so getan, daß er zur bestimmten Zeit bereit ist.

Als der Knecht den Geladenen sagte, das Festmahl sei bereit, fingen sie an, „alle nacheinander sich zu entschuldigen.” Und worin bestanden ihre Entschuldigungen? Waren sie solcher Art, daß ihr Fernbleiben gerechtfertigt war? Keineswegs. Für die Weigerung, einer solchen Einladung Folge zu leisten, gab es keine rechtmäßige Entschuldigung. Wenn aber die Sterblichen die Dinge der Sinne als von größerer Wichtigkeit betrachten als die Dinge des Geistes, dann genügt ihnen jede Entschuldigung, wie unvernünftig sie auch sein mag. Trotz der Ermahnung: „Jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils,” sind sie scheinbar zufrieden mit den Dingen, die sie haben, und wissen das ihnen dargebotene Gute nicht zu schätzen.

Wie groß ist doch die Zahl derer, die Entschuldigungen vorbringen, wenn sie an die Gelegenheit erinnert werden, jenes Gute zu erlangen, das „viel edler [ist] denn die köstlichsten Perlen!” Warum dieses Zögern, der liebevollen Einladung Folge zu leisten: „Kommt, denn es ist alles bereit”? Ist es nicht deshalb, weil die Menschen einen falschen Begriff von Wirklichkeit haben? Wenn jemand an einer Illusion festhält, so tut er es, weil sie ihm als Wahrheit erscheint. Dies kann die einzige Ursache sein.

Wie ein Mensch in seinem Herzen denkt, so ist er. Was ein Mensch in seinem Bewußtsein hegt, ist für ihn die Wirklichkeit des Seins, und außerhalb desselben scheint für ihn nichts Erstrebenswertes zu bestehen. Jesus sagte: „Niemand kann zweien Herren dienen.” Dies gilt sowohl für das, was man denkt, als für das, was man tut. Nur wenige Menschen sehen ein, daß man auch in seinem Denken der Knecht des Guten oder des Bösen, der Wahrheit oder des Irrtums ist. Das Gegenteil der Wirklichkeit ist nicht wirklich, und wer an die unwirklichen Dinge der sterblichen Vorstellung glaubt, kann die ewigen Wahrheiten des geistigen Seins nicht erkennen.

Mrs. Eddy schreibt: „Wenn die Kranken oder die Sünder erwachen und sich ihr Bedürfnis dessen vergegenwärtigen, was sie nicht besitzen, dann werden sie für die göttliche Wissenschaft empfänglich sein” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 323). Diejenigen, zu denen der Knecht gesandt wurde, erkannten nicht, wie sehr sie dessen bedurften, was ihnen angeboten wurde, und anstatt der Einladung freudig Folge zu leisten, machten sie Ausflüchte.

Was konnte nun der Knecht tun, als die Eingeladenen abschlägig antworteten und andre Angelegenheiten als von größerer Wichtigkeit betrachteten? Finden wir uns in unsrer Erfahrung nicht oft in der gleichen Lage wie dieser Knecht? Er war enttäuscht. Auch wir waren manchmal enttäuscht und entmutigt, weil diejenigen, die wir liebevoll eingeladen hatten, an dem großen Segen teilzunehmen, der uns in der Christlichen Wissenschaft geworden ist, dieses Vorrecht unbeachtet ließen. Die Entmutigung war wohl zuzeiten so groß, daß sie uns beinahe überwältigte. Vielleicht waren wir nahe daran, die Sache verloren zu geben und sagten uns: Was nützen alle Versuche, wenn diejenigen, die die Hilfe am nötigsten haben, unbekümmert und gleichgültig bleiben? Das Gleichnis gibt uns einen scharfen Verweis wegen einer solchen Denkart. Der Knecht muß zu jeder Zeit fest und unverdrossen bleiben, in der gewissen Zuversicht, daß das Mahl nicht umsonst zubereitet worden ist, und daß sich Gäste einfinden werden.

Der Gastherr war ungehalten, aber nicht enttäuscht. Er wußte, daß, wenn auch die Geladenen nicht kommen wollten, es doch solche gebe, die kommen würden. Deshalb befahl er dem Knecht, „die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden” herbeizuholen. Es waren diejenigen, die sich ihres Mangels bewußt waren, und voller Freude folgten sie der liebevollen Einladung.

Der Schüler muß einsehen lernen, daß die Sache der Wahrheit von keiner Gruppe oder Klasse von Menschen abhängig ist. Erweisen sich die Auserwählten treulos, so werden andre erstehen, die ihre Stelle einnehmen und das gute Werk weiterführen. Derjenige, den der Schüler segnen möchte, ist nicht immer bereit für den Segen, ja manchmal muß der Schüler in seinem Herzen die Worte wiederholen, welche Paulus und Barnabas an diejenigen richteten, die sich weigerten, das Wort Gottes anzunehmen: „Nun ihr es aber von euch stoßet und achtet euch selbst nicht wert des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden.”

Die Armen, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden folgten dem Ruf sofort. Aber es war noch mehr Raum vorhanden. „Und der Herr sprach zu dem Knechte: Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, auf daß mein Haus voll werde.” Diese Stelle des Gleichnisses ist vielleicht nicht jedem sofort verständlich. Auf den ersten Blick mag es scheinen, als ob es solche gebe, die mit Gewalt herbeigeführt werden können. Wie oft haben wir dies versucht und stets den gleichen Mißerfolg gehabt! Allerseits begegnen wir den traurigen Ergebnissen des Bestrebens, die Leute zu nötigen, so zu handeln, wie wir handeln, so zu reden, wie wir reden, so zu denken, wie wir denken.

Ist es nicht auffällig, daß wir hier gerade zu dem ermahnt werden, was wir schon so oft mit schlechtem Erfolg zu tun versucht haben? Jesus meinte jedoch nicht, daß wir die gleichen Mittel anwenden sollen, die sich in der Vergangenheit als wirkungslos erwiesen haben. In welcher Weise haben wir versucht, die Menschen zu nötigen? Geschah es nicht durch den Einfluß des sogenannten menschlichen oder sterblichen Gemüts, durch die Selbstsucht der persönlichen Anschauung, oder durch die Hartnäckigkeit des menschlichen Willens? Solche Mittel werden fortwährend angewendet; und wie fruchtlos sind sie doch! Die dem sterblichen Gemüt zuerkannte Macht ist kein Teil der Allmacht des Guten und kann nie dazu dienen, die Erkenntnis der göttlichen Wahrheit zu erlangen.

Es gibt jedoch eine Art und Weise, wie der Knecht die Menschen nötigen kann „hereinzukommen.” Eine rechte Lebensführung ist der stärkste Einfluß zum Guten und erzielt da Resultate, wo andre Mittel erfolglos bleiben. Der Schüler, der seiner Erkenntnis gemäß lebt (und fügen wir bei, daß er in Wirklichkeit nur das versteht, was er im Alltagsleben anwendet), wird die Menschen ebenso sicher zur aufrichtigen Anerkennung und Aufnahme der Wahrheit nötigen, wie der magnetische Pol den Kompaß des Seefahrers regiert.

Die Sterblichen würden sich nicht nötigen lassen, wenn sie nicht glaubten, das Böse sei genußbringend. Nur die Wiederspiegelung der göttlichen Liebe und Wahrheit vermag sie von diesem Glauben zu erlösen und ins Himmelreich zu bringen. Jesus fand die Menschheit auf den Straßen und an den Zäunen der sterblichen Annahme, wo sie an der Disharmonie der sterblichen Sinne litten und die vermeintlichen Freuden des materiellen Daseins als zu wirklich betrachten, um sie aufzugeben. Sein reines Leben war der irrigen Annahme von Sinnlichkeit ein Vorwurf, und dadurch, daß er diese falschen Vorstellungen zerstörte, nötigte er die Sterblichen, das Unwirkliche für das Wirkliche aufzugeben. Er dient allen Menschen zum Vorbild, und diejenigen, die in seinen Fußtapfen wandeln, sind seine Getreuen. Es gibt kein wirksameres Mittel als ein reines Leben, um den Gottlosen und den Übeltäter zu nötigen, von seinem Wege und von seinen Gedanken zu lassen.

An jeden, der die Wahrheit kennt, ergeht der Befehl, hinauszugehen auf die Landstraßen und durch die Liebe, die er wiederspiegelt, die andern zu nötigen, „hereinzukommen.” Der Jünger muß ein Freund der Sünder sein, im gleichen Sinne wie sein Meister, Christus Jesus, es war. Aus diesem Grunde wird ihm geboten, Haß mit Liebe, Böses mit Gutem, Fluchen mit Segnen zu vergelten. Tut er dies, so befreit er nicht nur sich selber vom Bösen, sondern hilft auch den andern, ihre Freiheit zu erlangen.

Der göttliche Zwang hat nicht den Zweck, uns ins Himmelreich zu schieben; er geht vielmehr voran, weist den Weg und sagt: „Kommt, denn es ist alles bereit!” Diejenigen, die erkannt haben, was ihnen mangelt, und die zu der Einsicht gekommen sind, daß diesem Mangel allein durch die göttliche Liebe abgeholfen werden kann, folgen ohne Zögern. Solche Gäste wissen das Festmahl zu würdigen, und ihr Herz ist voll Dank gegen Gott, den Geber aller guten und vollkommenen Gaben.

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