Von dem Tage an, da Adam begann, seinen Bedarf in der Materie zu suchen und sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu verdienen, ist das Erwerben des Lebensunterhaltes stets mit Schwierigkeiten verbunden gewesen. Es ist daher nicht zu verwundern, daß sich die Menschen mit keinem andern Problem der menschlichen Erfahrung mehr abgeben als mit diesem. Wir haben alle irgendeine Beschäftigung und möchten alle Erfolg haben. Haben wir ihn nicht, so wollen wir wissen warum. Dieses „Warum” ist von jeher der Menschheit große Frage gewesen. Die Christliche Wissenschaft beantwortet sie mit Liebe und in faßbarer Weise. Sie lehrt, daß, wenn etwas falsch oder ungerecht ist oder erfolglos bleibt, wir das Recht haben, den Grund zu wissen. Daher sind wir ebenso berechtigt, uns wegen der Lösung finanzieller Probleme an die Christliche Wissenschaft zu wenden wie wegen der Lösung von Problemen rein physischer Art.
Der Anfänger, der seine finanziellen Probleme in, Sinne der Christlichen Wissenschaft zu lösen bestrebt ist, stößt oft auf Schwierigkeiten. Welcher Art auch seine Beschäftigung sei, möge er Spezereiwaren verkaufen oder eine Bank leiten, einen Straßenbahnwagen führen oder Inhaber einer großen Fabrik sein: auf Grund der Erklärungen des Praktikers wird es ihm offenbar werden, daß seine Auffassung von Tätigkeit eine gründliche Änderung erfahren muß, ehe er sein Problem auf metaphysischem Wege lösen kann. Zuallererst muß er lernen, daß es in Wirklichkeit nur ein Werk zu betreiben gibt, nämlich das unsres himmlischen Vaters, und daß dieses Werk nicht materiell ist.
Des weiteren wird der Schüler dieser Lehre bald einsehen, daß man die Christliche Wissenschaft nicht zur Hilft nehmen kann, um den Erfolg eines Geschäftsplanes, den man sich zurechtgelegt hat, zu erzwingen. Wer da glaubt, diese Religion zu selbstsüchtigen Zwecken verwenden zu können, irrt sich sehr. Obschon der Mangel an irgend etwas Gutem, Wünschenswertem oder Notwendigem nicht dem göttlichen Gesetz gemäß ist und durch richtiges Denken überwunden werden kann, so heißt es doch das Wesen dieser reinen, makellosen Religion vollständig verkennen, wenn man die metaphysische Behandlung zum Zweck materiellen Vorteils zu gebrauchen sucht. Die Christliche Wissenschaft befaßt sich nicht mit der Materie. Eine Behandlung wird nicht gegeben, damit ein kleines Quantum von Materie zu einem großen Quantum anwachse. Vielmehr schließt eine richtige Behandlung das klare Sichbewußtwerden in sich, daß alles „unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung” ist (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468), und daß es daher keine Materie und folglich auch kein materielles Geschäft gibt.
Es ist nicht immer leicht, einem Geschäftsmann, der seine Waren nicht verkaufen kann, klar zu machen, daß sein Problem nicht materiell sondern geistig ist. Die Christliche Wissenschaft befaßt sich mit Gedanken, nicht mit Dingen, und es liegt auf der Hand, daß sie sich bei der Behandlung eines sogenannten finanziellen Problems ebensowenig mit der Materie abgeben kann wie bei der Behandlung eines sogenannten physischen Problems. Man behandelt nicht die kranke Materie, damit sie gesunde Materie werde. Vielmehr muß man sich von der Materie ganz und gar abwenden, muß seine Blicke auf die unsterbliche, unvergängliche, unveränderliche Vollkommenheit von Gottes geistiger Schöpfung richten. Tut man das, dann schwindet die falsche Vorstellung, die sich einen kranken Menschen nennt, aus dem Bewußtsein. Welcher Unterschied besteht zwischen einem kranken Menschen und einem kranken Geschäft? Keiner, metaphysisch gesprochen. Eine falsche Vorstellung ist nie etwas andres als eine falsche Vorstellung, nenne sie sich Mangel an Gesundheit oder Mangel an Geld. Sie ist eine Lüge, eine Illusion, „nichts, das beansprucht etwas zu sein” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 330), und die Wahrheit vernichtet sie.
Die Sterblichen ziehen jedoch manchmal vor, in den Fußtapfen ihrer Vorfahren weiter zu wandeln und ihre Versorgung in der Materie zu suchen, obschon sich ein solches Verfahren immer und immer wieder als verfehlt erwiesen hat. Anstatt zu sagen: „Ich brauche Gott, ich muß mich bessern, ich muß zu einem höheren ‚Maße des vollkommenen Alters Christi‘ heranwachsen,” sagt das sterbliche Gemüt: „Ich muß dieses Stück Land verkaufen, ich muß in Stellung kommen, ich muß einen Musikschüler haben, ich brauche zwanzig Mark.” Mannigfaltig in der Tat sind die menschlichen Bedürfnisse. Und doch tut nur eines not, nämlich Gotteserkenntnis.
Dies versteht der Praktiker, aber nicht immer der Patient, ja dieser ist oft gar nicht damit einverstanden. Erst kommen die zwanzig Mark, und dann kommt die Gotteserkenntnis. Wie sehr steht dies im Widerspruch mit der Lehre Jesu: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen”! „Solches alles” wird uns auf gleiche Weise zufallen, wie einem kranken Menschen seine Gesundheit wieder „zufällt,”— als das natürliche und sichere Ergebnis einer besseren Erkenntnis Gottes.
Bei einer Hochzeit zu Kana in Galiläa gebrach es einst an Wein. Jesus hörte davon. War es nun seine Aufgabe, für Wein zu sorgen? Durchaus nicht. Aber sein Bewußtsein war so durchdrungen von der Erkenntnis des unbegrenzten geistigen Überflusses seines himmlischen Vaters, daß der scheinbaren materiellen Notdurft sofort abgeholfen war. Jesu eigentliche Arbeit bestand nicht darin, Wasser in Wein zu verwandeln; aber nach dem Brauch jener Zeit war Wein für die Hochzeitsfeier eine Notwendigkeit, und in dem klaren Lichte seines geistigen Bewußtseins konnte keine menschliche Notdurft ungestillt bleiben. Das eigentliche Problem war der Mangel an etwas Notwendigem; der Wein an und für sich war Nebensache. Er war das „solches alles,” das „zufiel.” Auf gleiche Weise wird uns auch heute alles „zufallen,” was wir im täglichen Leben bedürfen, wenn wir, wie der Meister, die wissenschaftliche Denkweise anwenden. Unter welchem Namen sich auch ein Mangel fühlbar machen mag, wir können die Abhilfe vertrauensvoll Gott überlassen, dessen unbeschränkte Liebe Seinen Kindern nichts Gutes vorenthält.
Während wir auf die Kundwerdung des ewigen, stets gegenwärtigen Guten warten, dürfen wir nicht über die Art und Weise spekulieren, wie es sich offenbaren wird. Wie können, ja wie dürfen wir unsern Weg selbst bestimmen und dann die göttliche Intelligenz anflehen, uns diesen Weg gehen zu lassen? Mrs. Eddy schreibt auf Seite 3 von Wissenschaft und Gesundheit: „Die Weisheit des Menschen reicht nicht hin, ihn zu berechtigen, Gott Ratschläge zu erteilen.” Das Gebet, das vorschreibt, wie die Erfüllung vor sich gehen soll, ist der christlich-wissenschaftlichen Auffassung gemäß überhaupt kein Gebet. Das Gebet ist die freudige Anerkennung eines vollkommenen Gottes und eines vollkommenen Menschen — eines Weltalls, in dem nichts unvollendet ist, in dem kein Mangel herrscht. Das Gebet ist das frohe Sichbewußtwerden, daß Gott bereits alles getan hat. Können wir Ihm nicht zutrauen, daß Er Sein eignes Werk aufrecht erhalten kann? Liegt es im Wesen der Liebe, erst eine Welt zu schaffen und sie dann im Stich zu lassen?
Möchten wir doch jeden neuen Tag mit einem Herzen voll Dankbarkeit für die sich uns bietenden herrlichen Möglichkeiten begrüßen, anstatt der Zukunft mit furchterfülltem Herzen entgegenzusehen. War das Gestern traurig und öde? Scheinen sich Gewitterwolken über dem Morgen zusammenzuziehen? Wir wollen freudigen Herzens der Tatsache gedenken, daß wir im ewigen Jetzt leben, daß wir in jeder Morgendämmerung die Dämmerung einer neuen Hoffnung erblicken können. Wir wollen die dunkeln Schatten der Furcht, der Sorge, der Entmutigung und des drückenden Verantwortlichkeitsgefühls verscheuchen, indem wir dem Sonnenschein der Freude, der Dankbarkeit, der Geduld und des unerschütterlichen Vertrauens Einlaß gewähren, jenes Vertrauens, das stets bereit ist auszurufen: „Vater, ich danke dir,” wie Jesus ausrief, noch ehe Lazarus aus der Gruft hervorgekommen war.
Stellen wir uns in stiller Morgenstunde vor Beginn der Tagesarbeit die Frage, die der Prophet vor alters jener Witwe stellte: „Sage mir, was hast du im Hause?” Laßt uns ein Inventar aufnehmen von unsern Gedanken, um festzustellen, was wir alles in unserm Bewußtsein beherbergen! Sind wir dankbar für das, was wir haben? Machen wir den bestmöglichen Gebrauch davon? Teilen wir es mit andern? Übersehen wir nicht oft unsre gegenwärtigen Möglichkeiten, weil wir uns nach andern Möglichkeiten sehnen? Halten wir die Kanäle offen, durch die uns Gottes Güte erreicht, oder schließen wir sie nicht vielmehr dadurch ab, daß wir Gedanken des Selbstbedauerns, des Stolzes, des Grolls, des Neids und der Verdammung hegen? Ist der Gedanke an das Selbst vorherrschend in unserm täglichen Tun und Treiben? Was beschäftigt uns mehr, das Geben oder das Empfangen? Mit welchem Gedanken machen wir uns an unsre Tagesarbeit — mit dem Wunsch, Geld zu verdienen, damit wir uns reich wähnen möchten, oder mit dem Wunsch, unsre reichen geistigen Schätze mit andern zu teilen, damit niemand arm sei? Kurz, trachten wir erst nach dem Reich Gottes und überlassen wir es Ihm, uns alles zu Seiner Zeit und auf Seine Weise „zufallen” zu lassen?
Wir müssen uns befleißigen, die Dinge richtig zu bewerten, sie in ihrem wahren Verhältnis zu der Wahrheit zu sehen. Man kann das kleinste Geldstück so nahe ans Auge halten, daß es den wundervollsten Sonnenuntergang verdeckt. Zuweilen starren wir unser Geschäftsproblem so lange an, bis wir uns selbst mesmerisiert haben und nichts andres mehr sehen können. Überlassen wir doch das Problem eine Weile dem himmlischen Vater. Wie oft haben wir schon an einem Fenster gestanden und nach etwas ausgeschaut, was nie gekommen ist! Vielleicht stehen wir am falschen Fenster. Wenden wir uns doch ein Weilchen ab und gestatten wir dem Gegenstand des Sehnens, da herein zu kommen, wo Gott es bestimmt hat. Wäre es nicht gut, wenn wir uns daran erinnerten, daß andre Leute auch ihre Probleme haben? Warum ihnen nicht eine hilfreiche Hand bieten? Dächten wir doch mehr darüber nach, wie wir andern helfen können! Es gibt so viele einfache Dinge, die wir tun können, während wir auf Gott harren, Dinge, die nicht immer Geld kosten sondern nur Barmherzigkeit, Wohlwollen und brüderliche Liebe. Während wir Liebesdienste tun und dabei unsre Probleme aus den Augen verlieren, lösen sich diese oft von selber.
Fasse Mut, o müdes Herz, das sich unter der Last eines drückenden Problems dahinschleppt! Es ist ja gar nicht dein Problem, sondern Gottes. Scheint alles schief zu gehen? So wisse, daß nichts schief gehen kann, denn Gott ist alles und tut alles. Gott, das göttliche Gemüt, regiert, erhält, unterstützt und versorgt Seine geistige Schöpfung, einschließlich des Menschen. Sein Weltall ist vollständig und vollkommen. Er schuf alles „am Anfang,” und Sein Werk, Sein Geschäft, um es so auszudrücken, besteht darin, die Vollkommenheit dieser Arbeit aufrechtzuerhalten. Jede Handlung Seiner Ideen hat in Ihm ihren Ursprung; Er ist Herr jeder Lage und ist die Ursache jeder wahren Wirkung.
Jede göttliche Idee ist ein Teil von Gottes allumfassendem Plan; daher gibt es keine untätige, nutzlose oder überflüssige Idee. Alle Ideen haben ihren rechten Platz und verrichten die für sie bestimmte Arbeit. Dieser Platz ist im göttlichen Gemüt, und sie können von da weder versetzt noch vertrieben werden. Als die geistige Wiederspiegelung Gottes hat der Mensch unbeschränkte Gelegenheiten, unendliche Fähigkeiten, ununterbrochene Beschäftigung. Sein Kapital besteht in den stets erreichbaren Gaben des göttlichen Gemüts. Da der Wiederspiegelung des Guten nichts Gutes mangeln kann, so besitzt der Mensch schon jetzt alles, was er zur harmonischen, ununterbrochenen und vollkommenen Führung seines Geschäfts bedarf. Sein Geschäft ist das Spiegelbild von Gottes Geschäft; daher ist es fortschrittlich, gedeihlich und einträglich, hier und jetzt.
Was bleibt dann aber für den Menschen zu tun übrig, wenn Gott schon alles getan hat? Des Menschen Aufgabe besteht darin, ein dankbarer Zeuge dieser Allheit zu sein, sich jeden Tag mit zunehmendem Verständnis über sein Einssein mit Gott zu freuen. Mrs. Eddy schreibt: „Ohne Sein Ebenbild und Gleichnis würde Gott ein Unding oder ein unausgedrücktes Gemüt sein. Er würde ohne Zeuge oder Beweis Seines eignen Wesens sein. Der geistige Mensch ist das Bild oder die Idee Gottes, eine Idee, die weder verloren gehen noch von ihrem göttlichen Prinzip getrennt werden kann” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 303). Dies ist also die göttliche Teilhaberschaft, die einzige Teilhaberschaft, die in Wirklichkeit existiert, nämlich Gott und Seine Idee. In diesem unauflöslichen geistigen Verband hat ein jeder seine bestimmte Aufgabe. Gottes Aufgabe oder Geschäft ist es, Sein Weltall aufrechtzuerhalten; des Menschen Aufgabe ist es, sich dieser Tatsache klar bewußt zu werden.