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Wer ist bereit?

Aus der Juli 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn das individuelle Bewußtsein anfängt, auf die Botschaft der Christlichen Wissenschaft zu horchen, so erkennt es mehr oder weniger deutlich, daß ihm eine wunderbare Vereinigung von innerer Reinheit und geistiger Erkenntnis in Aussicht steht, eine Verwirklichung des Ideals, das verspricht, alle physischen, mentalen und moralischen Übel, welche die vielerlei Vorstellungen des Sinnentraums begleiten, zu vernichten. Die göttliche Liebe wird dann erkannt als das sanft-zwingende Prinzip dieses neuen Begriffs vom Leben, und es herrscht die freudige Erwartung, daß das Bewußtsein jetzt nur die Liebe wiederspiegeln und daß jede Tätigkeit der absoluten, grundlegenden Wahrheit von Gott als dem Alles-in-allem entsprechen wird.

Wer durch Heilung und Wiedererlangung von Glück und Frieden gelernt hat, auf diesem neuen Pfad mit einiger Sicherheit weiter zu schreiten, ist sehr geneigt zu erwarten, daß alle, mit denen er in Berührung kommt, namentlich die nächsten Freunde, mit gespannter Aufmerksamkeit dem Bericht dieser wunderbaren Erfahrungen lauschen und ebenfalls schleunigst diesen neuen Weg einschlagen werden. Er empfindet es dann als eine unangenehme Überraschung, daß diese Freunde so handeln wie die Leute im Gleichnis des Meisters, die des Königs Einladung „verachteten” und weggingen, „einer auf seinen Acker, der andre zu seiner Hantierung,” und er kann sich eines Gefühls der Bitterkeit nicht erwehren. Aber er erlangt die Lehre, die ihm bei seiner künftigen Arbeit sehr wertvoll ist, daß die, die für das Hochzeitsfest des Königssohns bereit sind, Gott im eignen Bewußtsein wiederspiegeln, und er sieht ein, daß er vor allem sein eignes Denken bewachen muß, damit er nicht selber neben dem einen vollkommenen Gemüt ein andres Gemüt oder andre Gemüter anerkenne und ihnen Wirklichkeit beimesse und somit das Licht verliere, das ihm anfangs solche Erleuchtung brachte.

Wohl kann ein Christlicher Wissenschafter nicht mehr tun als sein eignes Heil ausarbeiten, und diese Arbeit findet ganz und gar innerhalb seines eignen Bewußtseins statt. Insofern aber sein Bewußtsein die ganze Menschheit umfaßt, steht seine Erlösung zu der Erlösung andrer in Beziehung, und er vernichtet daher sowohl seine falschen Vorstellungen über sich selbst, als auch seine falschen Vorstellungen über andre. Mrs. Eddy erkannte, wie nötig es ist, daß das Menschenherz seine Pflicht gegen den Nebenmenschen erkenne und erfülle. Darum fordert sie uns auf, täglich zu beten: „Möge Dein Wort die Liebe der ganzen Menschheit bereichern und sie beherrschen!” (Kirchenhandbuch, Art. VIII, Abschn. 4.)

Wer sich somit der Oberherrschaft der unendlichen, allumfassenden Liebe bewußt zu werden sucht, wird sich hüten, ihr Walten dadurch zu leugnen, daß er behauptet, gewisse Menschen seien für die Wahrheit nicht bereit. Gott ist stets bereit, die Liebe der Menschheit zu bereichern und zu segnen. Unser Gebet ändert den göttlichen Willen nicht, es beschleunigt nicht dessen Bekundung, wohl aber bringt es den Betenden der Erkenntnis des Absoluten näher. Und in dem Maße wie das Übel des Glaubens an viele der Wahrheit entgegengesetzte Gemüter im eignen Denken vernichtet wird, ist es aus der Gesamtheit entfernt, der scheinbare Widerstand gegen die Wahrheit ist vermindert, und die Zeit ihrer Aufnahme ist allen nähergerückt.

Das sogenannte Bereitsein für die Offenbarungen der Wahrheit ist bestenfalls etwas Relatives, wo es sich um menschliche Wesen handelt. Ein Mensch kann anfangs die Botschaft mit Freuden aufnehmen, weil sie ihm Heilung bringt. Wenn er sich aber dem Spott und Haß, der Verfolgung oder Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht, zeigt es sich oft, daß er noch lange nicht für die höhere Offenbarung von Gottes Allheit bereit ist, die ihn befähigen würde, mitten im Gewirr der Unwirklichkeiten und des materiellen Widerstreites am geistigen Frieden festzuhalten und das klare Bewußtsein zu erlangen, daß das Übel ein Nichts ist. Nur durch die klare Erkenntnis der Wahrheit, daß es kein Dasein oder Gemüt außer Gott gibt, wird man bereit, die Vereinigung der Liebe mit ihrer Idee zu bekunden und somit den scheinbaren Gegner zu überwinden, indem man dessen Widerstand aufhebt — wenigstens den Widerstand, der der eignen Vorstellung von seiner Wirklichkeit entspricht.

War die Welt nicht bereit für die Demonstration Jesu von Nazareth, obschon sie ihn kreuzigte? Die materiellen Mächte und Gewalten seiner Zeit waren nur das Toben des fleischlichen Gemüts, das, von der Wahrheit durchbohrt, die er verkündete, sein Ende voraussah. Jesus ging bei seinem Wirken von der Voraussetzung aus, daß seine Zeit für die Offenbarung des Christus, den er kund tat, bereit war. Die Wahrheit, die er lehrte, ist in der ganzen folgenden Zeit erhalten geblieben, und schließlich betrat Mrs. Eddy wiederum den Weg der Offenbarung, in der Überzeugung, daß die Welt für die weitere Offenbarung der Wissenschaft des Christus bereit war. Hätte sie nicht angesichts jeder materiellen Scheinbarkeit unerschütterlich dagestanden, so wäre ihr Werk nicht vollbracht worden. Wird nicht jede Familie zum Empfang der Offenbarung der Wahrheit vorbereitet, wenn ein Mitglied die Wahrheit erkennt? Die starre Anschauung, die durch diese Familie zum Ausdruck kommt, daß der Mensch seinem Wesen nach materiell sei, kann nicht mehr ganz so materiell sein, wenn sich einem Angehörigen die Erkenntnis von der geistigen Wirklichkeit, von dem in Gottes Bild geschaffenen Menschen erschlossen hat.

Wenn die Botschaft der Christlichen Wissenschaft einer Gemeinde durch Gottesdienst oder Vortrag gebracht werden soll, so wirken die Christlichen Wissenschafter ihrer Hoffnung nicht dadurch entgegen, daß sie erklären, die Leute seien noch nicht für die Wahrheit bereit, noch behaupten sie, daß der Welt für die christlich-wissenschaftlichen Schriften das Verständnis fehle. Die staunenswerte Schnelligkeit, mit der sich diese Wahrheit über die Erde verbreitet, ist ein Beweis dafür, wie hungrig das Menschenherz für die Botschaft der Christlichen Wissenschaft ist. Mögen auch „die Heiden” toben und „die Völker reden so vergeblich.” Es ist dabei nichts weiter nötig, als daß das Nichts seine Scheinbarkeit aufgebe und Gott als das All erkannt werde.

Ob man die Botschaft andern durch Wort, durch Schriften oder durch stille Wiederspiegelung der Liebe bringen soll — das muß jedem überlassen bleiben. Wenn wir vollkommene Weisheit besäßen, so würden wir nie in bezug auf das Schweigen und Reden irren, von denen es in den Sprüchen heißt, sie hätten beide ihre Zeit. Niemand kann aber von den Bemühungen eines andern sagen, sie wären besser unterblieben, er hätte die Botschaft lieber andern nicht verkünden sollen. Jeder, der die Leitung der Weisheit sucht, wird der Liebe Drang nach Ausdruck in sich verspüren, und zu solchen Zeiten sollte man der Furcht vor entgegengesetzten Meinungen nicht erlauben, die innere Stimme zum Schweigen zu bringen. Zweifellos wird die Wiederspiegelung der Wahrheit durch einen Menschen, gleichviel ob still oder laut, beim Irrtum Widerstand hervorrufen. Kein Wort der Wahrheit ist je gesprochen worden, das auf das Böse nicht irgendwie diese Wirkung gehabt hätte. Doch wenn ein Mensch scheinbar zu einem Werkzeug des Widerstandes wird, so ist höchstwahrscheinlich etwas von der Wahrheit in sein Bewußtsein gedrungen, und er kann ihr nicht auf immer entgehen, so sehr er sich auch sträuben mag. Ob die Zeit bis zur Ernte lang oder kurz scheint, ist nicht wesentlich. Die sterbliche Vorstellung von Zeit, die man hinsichtlich des Fortschritts eines andern hat, beweist, daß man sich nicht klar ist über das ewige Jetzt, in welchem alles Wirkliche stets eins ist mit seinem Prinzip.

Der Ausdruck relative Wahrheit ist bestenfalls nur ein Notbehelf, um die Grade der Abweichung des sterblichen Gemüts zu erklären. Zu sagen, ein gewisser Mensch oder eine Anzahl Menschen seien für die Wahrheit bereit, andre aber nicht, mag dem menschlichen Sinn nach zutreffen. Der Christliche Wissenschafter hat es sich aber zur Aufgabe gemacht, von keinem geringeren Standpunkt aus zu denken, als von dem der absoluten Wahrheit. Unerschütterliche Treue gegen die Wissenschaft des Gemüts verbietet das geringste mentale Zugeständnis gegenüber der Behauptung, daß es ein der Wahrheit entgegengesetztes Gemüt gebe. Diejenigen, für die man sich interessiert, müssen allerdings oft erst durch Leiden lernen; doch viele Christliche Wissenschafter werden sich erinnern, daß sie selber zu guter Letzt recht schnell zur Christlichen Wissenschaft kamen. Tags zuvor schienen sie vielleicht dem oberflächlichen Beobachter noch lange nicht für die Wahrheit bereit zu sein. Auch sie hatten so manches durch Leiden gelernt — was ja nur die Art des sterblichen Gemüts ist, seine falschen Ansprüche gegenüber der Unsterblichkeit aufzugeben —, und auf einmal sahen sie das Licht leuchten.

Unser wahres Selbst ist stets für die Wahrheit bereit und mit ihr eins; für das menschliche Gemüt aber bedeutet diese geistige Tatsache eine Entdeckung. Ein jeder ist für die Wahrheit bereit, ein jeder nähert sich dem Punkte, wo er die Wahrheit erkennen wird. Sicherlich ist schon jetzt ein jeder bereit, geliebt zu werden, und es ist Sache des Christlichen Wissenschafters (der sich nur in dem Grade seiner Erkenntnis der Wahrheit von andern unterscheidet), den dauernden Beweis zu liefern, daß er selbst jederzeit bereit ist, die heilende Liebe zum Ausdruck zu bringen. Auf Seite 476 von Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eignes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken.” Der Christliche Wissenschafter muß Gottes Idee in derselben Weise sehen.

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