Ein Jagdhund kann dazu abgerichtet werden, so lange vor einem Loch in der Erde Wache zu halten, bis ihn sein Herr wegruft. Er mag Stunde für Stunde vor einem solchen Loch verbringen und dabei für alles, was um ihn her vorgeht, taub und blind sein. Wie verlockend auch die Anzeichen sind, daß gefiedertes und andres Wild in der Nähe ist, er weicht nicht von der Stelle. Nichts hat für ihn Interesse als gerade das Loch, welches ihm zugewiesen worden ist. Kommt nichts aus dem Loch heraus, so erbeutet er nichts. Aus dieser unserm vierfüßigen Freunde anerzogenen und unter menschlicher Herrschaft stehenden Eigenheit können wir eine nützliche Lehre ziehen.
Gar mancher Mensch wacht, bildlich gesprochen, vor einem Loch in der Erde, und wenn nichts herauskommt, so ist er sehr enttäuscht. Er steht unter dem Bann der Beschränkung und ist daher für die unendlichen Möglichkeiten um ihn her blind und taub. Ein solcher kommt dann wohl zu einem Praktiker der Christlichen Wissenschaft und bejammert seinen Mangel an Erfolg. Er reduziert gleichsam Gottes unendliche Hilfsquelle auf ein einziges Loch in der Erde. Er widmet sich einem bestimmten Geschäft, ist zu einem bestimmten Beruf herangebildet, bezieht seine Einkünfte aus einer bestimmten Kapitalanlage. Falls die Quelle versagt, auf die er sich verläßt, meint er, es sei für ihn alles verloren, denn er denkt sich Gott als ebenso hilflos und klein wie sich selber. Mrs. Eddy sagt auf Seite 255 von Wissenschaft und Gesundheit: „Der sterbliche Mensch hat ein Bündnis mit seinen Augen geschlossen, um die Gottheit mit menschlichen Begriffen zu verkleinern. Mit dem materiellen Sinn im Bunde gewinnen die Sterblichen begrenzte Anschauungen von allen Dingen.”
Welche Erleichterung verspürt dann der kleinmütige Sterbliche, wenn ihn die Christliche Wissenschaft auf den unbegrenzten Reichtum des Prinzips hinweist, welches das Weltall regiert, auf die Freigebigkeit des liebevollen Vater-Mutter Gottes, auf die unaufhörliche Tätigkeit des ewigen Lebens, auf den unerschöpflichen Quell der Gesundheit und des Glücks. Er lernt erkennen, daß ihn Gott auf tausenderlei Art mit allem, was er braucht, versehen kann, daß, genau und wissenschaftlich gesprochen, jedes rechte Verlangen bereits erfüllt ist. Sehnt er sich nach Substanz, Kraft, Fähigkeiten, Talent, Unterscheidungsvermögen, Schönheit, Weisheit, Liebe? Dies alles gehört ihm in Wirklichkeit bereits an. Beneidet er einen andern um seine persönlichen Reize, seine Gewandtheit in der Rede und im Umgang, seine Intelligenz, seine Fähigkeit, rasch einen Entschluß zu fassen, seine Entschiedenheit? Dann lasse er ab vom Neid, denn dieser trifft stets neben das Ziel. Alles Gute gehört bereits jetzt dem Menschen, denn er ist die Kundwerdung der unendlichen Quelle des Seins. Die Menschheit wird sich des Besitzes göttlicher Eigenschaften dadurch bewußt, daß sie dieselben von Gott, dem unbegrenzten Geber, beansprucht. Wir lesen auf Seite 60 von Wissenschaft und Gesundheit: „Seele hat unendliche Mittel, mit denen sie die Menschheit segnet, und das Glück würde schneller erlangt werden und sicherer in unserm Besitz bleiben, wenn wir es in der Seele suchen würden.”
Die Beschränkung spielt oft dem, der nicht wachsam ist, gar merkwürdige Streiche. Jeder Praktiker der Christlichen Wissenschaft erkennt folgende Klage im wesentlichen als eine der vielen, denen er sein Ohr leihen muß: Ich habe nur noch ein Grundstück übrig, und dieses bereitet mir große Schwierigkeiten. Ich kann es weder verkaufen noch vermieten, niemand scheint es zu wollen; und ehrlich gesagt, ich halte selber nichts darauf. Der Praktiker der Christlichen Wissenschaft stellt dann wohl einige Fragen, die den Zweck haben, die Vorstellung von Beschränkung zu heilen. Wie kann man von einem Fremden erwarten, daß er ein Grundstück richtig bewerte, wenn der Eigentümer selber nichts darauf hält? Lernen wir dankbar zu sein, zu segnen statt zu fluchen, uns bewußt zu werden, daß unsre Versorgungsmittel von einem unbegrenzten Prinzip kommen.
Je mehr wir über die Gewohnheit nachdenken, vor einem Loch in der Erde Wache zu halten, desto unbefriedigender erscheint sie uns. Die Heilige Schrift erklärt, die Erde sei um des sterblichen Menschen willen verflucht worden, und diese Vorstellung von einem unechten Menschen sei aus Erde geformt. Hierzu sagt Mrs. Eddy: „Der Irrtum bebaut seinen eignen unfruchtbaren Acker und begräbt sich in der Erde, denn Erde und Staub bedeuten ein Nichts” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 537). Gemäß der Antwort auf eine altbekannte Scherzfrage ist ein Loch in der Erde das, was immer kleiner wird, je mehr man hinzutut.
