Wenn wir einmal die volle Bedeutung der Tatsache erfaßt haben, die die Christliche Wissenschaft lehrt, daß das menschliche Dasein mit allen ihm eigenen Phänomenen mental ist, dann ist es nicht schwer zu verstehen, daß Heilungen, die es wert sind, in den Mittwochabend-Versammlungen oder in unseren Zeitschriften mit dankbarem Herzen mitgeteilt zu werden, nicht notwendigerweise Befreiungen von physischen oder körperlichen Krankheiten und den damit verbundenen Leiden sein müssen. Jede Erfahrung, durch die das sterbliche Gemüt gezwungen wird, sich zu demütigen und sich vor der Wirklichkeit Gottes, des Guten, als dem Alles-in-allem und daher dem allgegenwärtigen Prinzip zu beugen, bedeutet eine Heilung.
Ich erinnere mich sehr wohl der ersten Mittwochabend-Versammlung, der ich in unserer herrlichen Mutter-Kirche beiwohnte — mit welcher Ehrfurcht ich alles aufnahm, was ich dort sah und hörte. Das Zeugnis einer Dame machte an dem Abend einen tiefen Eindruck auf mich. Sie sprach davon, wie sie bei verschiedenen Gelegenheiten mit der Christlichen Wissenschaft in Berührung gekommen war, und wie sie diese Lehre unbeachtet gelassen und sich geweigert hatte, irgend etwas mit ihr zu tun zu haben, weil sie infolge vieler falscher Angaben, die sie über Mrs. Eddy gehört hatte, ein großes Vorurteil gegen diese hegte. Schließlich wurde sie von einer Krankheit befallen, die keinen materiellen Arzneimitteln weichen wollte. Nun wurde sie wiederum auf die Christliche Wissenschaft aufmerksam gemacht, und widerstrebend fing sie an, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift,“ von Mrs. Eddy, zu lesen. Schließlich erlangte sie Heilung von ihrem körperlichen Leiden, aber erst nachdem sie ihr Vorurteil gegen Mrs. Eddy und ihre Lehren aufgegeben hatte. Beim Erzählen dieser Erfahrung gab sie ihrer Freude und Dankbarkeit Ausdruck — jedoch weniger für due Befreiung von Krankheit, die für ihren erleuchteten Sinn nur ein nebensächliches Ereignis war, als für die Vernichtung jenes ungerechten Gedankens, jenes Vorurteils, welches, wie sie nun erkannte, kein Vergehen gegen Mrs. Eddy war, sondern gegen Gott, das Prinzip, das die Grundlage aller Lehren Mrs. Eddys ist.
Die Verleugnung des Prinzips und die Weigerung, es anzuerkennen, verursachten bei dieser Dame körperliche Schmerzen und Leiden. Die Verleugnung des Prinzips ist Sünde, denn jede Gottesleugnung bringt notwendigerweise die Anerkennung einer anderen Macht oder Wirklichkeit mit sich. Diese Anerkennung bedeutet eine Übertretung des ersten Gebotes: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Mrs. Eddy sagt in ihrem Werke „Retrospection and Introspection“ (S. 67): „Die Sünde war und ist die lügnerische Annahme, daß Leben, Substanz und Intelligenz sowohl materiell als geistig und dennoch von Gott getrennt sind.“ Die Sünde endigt immer in Leiden. Daß solches Leiden ganz bestimmt eintritt, wird beständig in der Bibel bestätigt. Mrs. Eddy erklärt uns dies immer und immer wieder in ihren Schriften. In Wissenschaft und Gesundheit (S. 5) sagt sie: „Wir können der Strafe, die der Sünde gebührt, nicht entrinnen;“ und sie fährt fort: „Leiden verursachen als Folge von Sünde ist das Mittel, die Sünde zu zerstören“ (S. 6).
Der Versuch, eine Zahlenreihe zusammenzuzählen, ohne die betreffenden Regeln dabei anzuwenden, muß notwendigerweise eine falsche Summe zur Folge haben. In diesem Sinne bestraft das göttliche Gesetz die Menschen, die sich weigern oder es unterlassen, Gottes Geboten zu gehorchen. Daher werden Leiden und Disharmonie nicht nur geheilt, wenn man sich dem Prinzip zuwendet, sondern man kann ihnen auch durch das beständige Festhalten am Prinzip vorbeugen. Im zweiten Buch Mose lesen wir: „Wirst du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen und tun, was recht ist vor ihm, und zu Ohren fassen seine Gebote und halten alle seine Gesetze, so will ich der Krankheiten keine auf dich legen, die ich auf Ägypten gelegt habe; denn ich bin der Herr, dein Arzt.“ Hieraus geht hervor, daß unsere Befreiung von körperlichen Leiden nur insofern verhindert wird, als wir es versäumen, das Prinzip, Gott, zu suchen, auf das Prinzip zu hören und es zu verstehen. Wenn unsere Erkenntnis zunimmt, daß Gott der alleinige Schöpfer ist und daß Er den Menschen zu Seinem Blide und Gleichnis erschaffen hat, dann wird eine Quelle des Leidens zerstört, nämlich die Annahme, daß der materielle Körper Macht besitze, uns Leiden zu verursachen.
So oft wir eine Schranke niedergerissen haben, die uns vom Prinzip trennt, wie klein sie auch gewesen sein mag. können wir uns freuen, denn durch diese Tat haben wir uns ganz sicherlich einen Schmerz erspart, der sonst unvermeidlich gewesen wäre. Wir können ein Werkzeug, das auf irgendeine Weise das Prinzip oder die Wahrheit zum Ausdruck bringt oder uns irgendwie hilft, eine klarere Gotteserkenntnis zu erlangen, nicht hoch genug schätzen. Unsere Zeitschriften, einschließlich des Monitors, sind Boten, durch die heutzutage der ganzen Welt die Wahrheit erklärt wird, und zwar in solcher Ausdrucksweise, daß das sterbliche Gemüt veranlaßt wird, sich vor der Wahrheit zu beugen.
Meine Erfahrung in bezug auf den Monitor war von großer Wichtigkeit für mich, weil sie die Heilung eines mentalen Zustandes bedeutete. Dieses Ereignis hat mich mit ebensogroßer Dankbarkeit erfüllt, als ob ich von körperlichen Leiden geheilt worden wäre, weil ich dadurch der Erkenntnis der Wahrheit und allem, was diese Erkenntnis in sich schließt, um einen Schritt näher gekommen bin. Als ich mit der Christlichen Wissenschaft vertraut wurde, war ich in den Grundlehren der Staatswissenschaft, Volkswirtschaft und Politik wohl unterrichtet, ja sie schienen einen wesentlichen Bestandteil meines Lebens auszumachen. Ich las zwei bekannte Bostoner Zeitungen, weil sie unanstößig waren, so weit man das von Zeitungen erwarten kann, und weil sie das predigten, was ich für gesunde politische Lehren hielt. Später betrachtete ich es als meine Pflicht, den Monitor zu lesen, da ich anfing, mich einen Christlichen Wissenschafter zu nennen, und ich bemerkte sofort, daß die Unanstößigkeit dieser Zeitung ganz anderer Art war als die anderer Blätter. Ich las jedoch den Monitor nur mit geringer Freude, denn es kam mir so vor, als ob dieses Blatt den Angelegenheiten des Auslandes zu viel Platz einräume, und den Geschehnisse des eigenen Landes zu wenig. Außerdem fand ich vieles, was nicht mit meinen Anschauungen übereinstimmte.
Besonders die Seite für das Redaktionelle wurde für mich zum wahren Kampfplatz. Die Art und Weise, wie der Redakteur die öffentlichen Fragen behandelte, paßte mir gar nicht. Und der Standpunkt, den der Monitor hinsichtlich des Frauenstimmrechtes vor etlichen Jahren während der Referendum-Kampagne in Massachusetts vertrat, trug nur dazu bei, alle meine Einwände zum Vorschein zu bringen. Ich war bereit zuzugeben, daß kein besonderer Grund vorlag, warum die Frauen nicht stimmen sollten; aber von der praktischen Seite aus betrachtet, gelang es der Zeitung meiner Ansicht nach nicht, ihre Ansicht zu rechtfertigen. Zu Anfang des Krieges war ich über die Stellung des Monitors zu gewissen internationalen Fragen sehr aufgebracht. Auch sein Verhalten während der Präsidentenwahl gefiel mir nicht; offen gestanden, fand ich auf der Seite fürs Redaktionelle selten etwas, was ich nach meiner Meinung mit Freude oder Nutzen lesen konnte. Infolgedessen las ich die Zeitung längere Zeit überhaupt nicht vollständig durch, sondern beschränkte mich auf die „Home Forum“ Seite mit ihrem metaphysischen Aufsatz.
Eines Tages — ich kann nicht genau sagen wann — trat ein Wechsel ein. Meine Denkweise änderte sich unbewußt, und ich las nun das Redaktionelle. Mich fesselten die vielseitigen Kenntnisse, die sich in diesen Artikeln kundtaten, handelte es sich um Kirchengeschichte oder Weltgeschichte, frühere und gegenwärtige Landesund Auslandspolitik oder Geographie, Wissenschaft und Biographie oder Anekdoten und Witz. Bald bemerkte ich, wie ich eine andere Anschauung über den gegenwärtigen Krieg und dessen Endzweck bekam, so daß ich heute vollkommen mit den Ansichten, wie sie der Monitor zum Ausdruck bringt, übereinstimme. Meine Besorgnis über die Lösung der Frauenfrage verlor sich nach und nach. Allmählich änderte sich meine Ansicht über unseren Präsidenten; ich lernte seine Ruhe, seine würdevolle Haltung und seinen Mut bewundern und achten. Ferner erhielt ich neue Ideen über die wichtigen volkswirtschaftlichen Fragen der Gegenwart und der nächsten Zukunft, über die Beziehung zwischen Arbeiter und Kapital. über Staatsverwaltung, über das Staateigentumsrecht, über Besteuerung, usw. Jetzt lese ich zuerst das Redaktionelle, dann die allgemeinen Nachrichten, und zum Schluß den metaphysischen Aufsatz auf der „Home Forum“ Seite.
Ich halte diese Erfahrung für eine wirkliche Heilung — eine Heilung, für die ich aufrichtig dankbar bin, eine Heilung, die es ebensogut verdient, erwähnt zu werden, wie Befreiung von körperlichen Leiden. Ich war krank, ich war blind für das allem zugrundeliegende, alles überschattende Prinzip, das in diesen Tagen mehr denn je zuvor in der Geschichte seine Wirkung in den Erfahrungen der Menschen geltend macht. Mit Recht kann ich heute mit den Worten des blinden Mannes, den Jesus geheilt hatte, sagen: „Eines weiß ich wohl, daß ich blind war und bin nun sehend.“