Die metaphysische Wirkung der Wahrheit auf das menschliche Bewußtsein zeigt sich deutlich in der Bewegung zur Nutzbarmachung des Tageslichtes sowie in anderen Reformen. In dem erleuchtenden Kapitel „Glossarium“ in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ definiert Mrs. Eddy das Wort Abend wie folgt: „Nebelhaftigkeit des sterblichen Denkens; Müdigkeit des sterblichen Gemüts; verdunkelte Anschauungen; Friede und Ruhe“ (S. 586), und das Wort Morgen definiert sie als „Licht; Sinnbild der Wahrheit; Offenbarung und Fortschritt“ (S. 591). In ihrem Werke „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (S. 114) erzählt sie von einer höchst interessanten und wichtigen Beobachtung, die sie machte, als sie ihre erste christlich-wissenschaftliche Schrift, „Notizen über die Bibel,“ verfaßte. Ihre Worte lauten: „Was ich schrieb, schien in seltsamer Weise mit dem Lichte der Offenbarung und dem Sonnenlichte im Zusammenhang und in Übereinstimmung zu stehen. Ich konnte diese Aufzeichnungen nicht nach Sonnenuntergang machen. Alle Gedanken, die die Auslegung der Heiligen Schrift betrafen, schwanden bis zum Sonnenaufgang. Dann ergoß sich die göttliche Auslegung in meinen geistigen Sinn so herrlich, wie das Sonnenlicht auf die materiellen Sinne.“
Ein Einblick in das Leben der Hauptgestalten in der Bibel, deren Erfahrungen und Demonstrationen für alle Christen höchst anregend sind, läßt uns darauf schließen, daß diese Menschen sich im wahrsten Sinne das Tageslicht nutzbar machten. Oft lesen wir, daß sie zeitig aufstanden und den Herrn suchten. Vierzig Jahre lang mußten die Kinder Israel früh am Morgen in der Wüste „das Brod vom Himmel“ sammeln, denn sobald „die Sonne heiß schien, zerschmolz es.“ Später wurde dieses Volk gelehrt, ein Opfer zu bringen, wenn sie die Hilfe des Herrn begehrten. Wie aus der Heiligen Schrift hervorzugehen scheint, sollten sie von ihrem wertvollsten Besitztum opfern, entweder Früchte des Weinbergs, Erstlinge der Herden oder ein unschuldiges und unbeflecktes Lamm.
Die kostbarste Zeit des Tages ist der frühe Morgen, wenn die Natur in herrlicher Frische daliegt und der menschliche Sinn frei ist von Müdigkeit. Das ist die Stunde, in der die Gedanken gottwärts gerichtet sein sollten, um geistige Speise, geistigen Trank und geistige Freude in sich aufzunehmen. Der vielverheißende Befehl Jesu, des Wegweisers, lautet: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ Jeden Tag eine Stunde früher aufzustehen, um Zeit für das Studium der Lektions-Predigt zu gewinnen, ehe man an die Tagesarbeit geht, mag ein Opfern der sinnlichen Bequemlichkeit bedeuten; aber in der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß uns geistige Tätigkeit niemals ermüden kann. Im Gegenteil, sie verleiht uns neue Kraft, wie uns die Bibel lehrt. Das Wort Opfer erhält in der Christlichen Wissenschaft einen neuen Sinn. Es bedeutet nichts Geringeres, als daß man das fleischliche oder sterbliche Gemüt mit seinen materiellen Annahmen von Zeit, Gegenständen und Raum gegen das Verständnis des unsterblichen Gemüts mit seinen unkörperlichen, geistigen Ideen austauscht, die niemals geboren werden und niemals sterben. Die wachsende Freude am Leben, die eine Folge dieses Austausches ist, steht im Verhältnis zu dem Unterschied zwischen verzweifelnder Ungewißheit und dem mutigen Vertrauen, das die wissenschaftliche Entfaltung oder die absolute Kenntnis Gottes und des Weltalls, einschließlich des in Seinem Bilde und Gleichnis geschaffenen Menschen, mit sich bringt.
Überanstrengung des menschlichen Geistes oder Konzentration der Willenskraft ist keineswegs Christliche Wissenschaft, sondern etwas Böses, das auf sich selbst zurückfällt, geistige Auslegung verhindert, richtige mentale Tätigkeit lähmt und die Sterblichen in den Schlaf wiegt. Konsekration (Heiligung) nicht Konzentration befähigt uns, „unter dem Schirm des Höchsten“ zu sitzen. Keiner kann durch Gedankenkonzentration aus seinem Schlummer erwachen, aus dem Traum, daß Leben in der Materie sei; solches muß durch geistige Erleuchtung geschehen. Man handelt unvernünftig und ungerecht gegen sich selbst, wenn man zu lange schläft, den Tag dann mit einem Gefühl der Hast und Unruhe beginnt und es versäumt, seine geistige Nahrung zu sich zu nehmen, bis man von des Tages Last und Mühe erschöpft ist. Wir brauchen Gottes Gesetz während des ganzen Tages und sollten daher nicht warten, bis der Tag vorüber ist, ehe wir eine ruhige Stunde darauf verwenden, durch die Christliche Wissenschaft die Erkenntnis des Gesetzes Gottes zu suchen. Wohl mag es dem Anfänger zuweilen vorkommen, als könne er über das Gelesene nicht nachdenken noch es behalten, wegen der vielen materiellen Annahmen, die sich zwischen ihn und die geistige Bedeutung der gedruckten Seiten drängen; aber die Wahrheit ist doch am Werke, und nichts gibt uns mehr Vertrauen, Zuversicht, göttliche Energie und eine höhere Gewißheit der göttlichen Führung als das Bewußtsein, den Tag richtig mit Gott angefangen zu haben und für das Gute empfänglich gewesen zu sein. Diese Gemütsverfassung läßt das Licht herein und macht es der Christlichen Wissenschaft möglich, sich im Bewußtsein zu entfalten und die Gedankenbasis von der Materie zum Geist zu erheben, bis man gelernt hat, geistig zu denken, oder, wie die Bibel gebietet, zu beten „ohne Unterlaß.“ Dadurch wird man im Lichte des Tages, nach christlich-wissenschaftlicher Auffassung dieses Begriffes, ein erfolgreicher und glücklicher Mensch, weil man sich im wahren wissenschaftlichen Sinne das Tageslicht nutzbar macht.
