Unsere geliebte Führerin sagt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 201): „Der Weg, den Irrtum aus dem sterblichen Gemüt zu entfernen, ist der, die Wahrheit mit Fluten der Liebe einströmen zu lassen.“ Ich möchte gern Zeugnis von der Wirksamkeit dieser Art der Behandlung ablegen. Meine Demonstration gereichte mir sehr zum Segen und war eine Lehre, die ich anfangs, als ich fern von Christlichen Wissenschaftern lebte, sehr nötig hatte.
Als ich anfing, mich für die Christliche Wissenschaft zu interessieren, lebte ich in einer Stadt, wo eine ganze Anzahl Praktiker waren. Wiewohl ich mich stets bemühte, meine eigene mentale Arbeit zu tun, hatte ich doch immer den Hintergedanken, daß, falls ich durch mein eigenes Bekräftigen der Wahrheit einmal nicht imstande sein sollte, meine körperliche Heilung auszuarbeiten, ich ja viele in der Nähe hätte, an die ich telephonieren könnte und die mir helfen würden. Als ich dann in ein Land kam, wo es keine Praktiker gab, wollte mir der Irrtum einreden, es könnten Zeiten kommen, da ich außerstande sein würde, selber die Wahrheit zu erkennen. Bei meiner Ankunft im Hafen von Antofagasta bewegte sich das Beischiff infolge der hohen See plötzlich nach der Seite, gerade als ich beim Verlassen des Dampfers von der Leiter steigen wollte, wobei mir ein Unfall zustieß, indem ich mir den Knöchel des einen Fußes schwer verletzte. Inmitten der Aufregung des Landens nach einer dreißigtägigen Reise und in dem Durcheinander des Zollhauses verneinte ich nicht bestimmt genug die Möglichkeit von Unglücksfällen in Gottes Weltall, so daß nach einigen Stunden der Knöchel sehr stark anschwoll und ich die heftigsten Schmerzen litt, die ich je erlebt hatte.
Meine verspäteten Versuche, mir die Wahrheit zu vergegenwärtigen, schienen kaum etwas zu nützen. Nach Aussage der Sinne hatte ich entsetzliche Schmerzen. Da lag ich nun in einem Hotelzimmer, in einem fremden Lande, ohne irgendwelche Freunde südlich vom Äquator zu haben. Ich konnte nicht einmal die Sprache des fremden Volkes um mich her sprechen, so daß ich ihnen meine Not hätte klagen können. Die Frage einer Freundin kam mir ins Gedächtnis, die sie vor meiner Abreise an mich gerichtet hatte: „Was würdest du tun, falls du dort unten in dem fremden Lande krank werden solltest?“ Das sterbliche Gemüt war gleich mit der Einflüsterung bereit: Ob es nicht doch ein Fehler war, daß du dich so weit fort von der Heimat und von allen deinen Freunden gewagt hast? Hierauf vergoß ich vor Heimweh die ersten Tränen, indem mich das Mitleid mit mir selbst überwältigte. Da ich das Bedürfnis fühlte, jemanden in meiner Nähe zu haben, ließ ich schließlich eine Dame rufen, die mit demselben Dampfer angekommen war und einige Tage im gleichen Hotel bleiben wollte. Ich fühlte, daß sie mir nicht zu ärztlicher Behandlung raten würde, denn sie kannte mich als Christliche Wissenschafterin. Wir hatten während der Fahrt mehrere lange Gespräche über diesen Gegenstand geführt, da sie wenig davon wußte und gern mehr wissen wollte. Als sie sah, wie sehr ich zu leiden schien, wollte sie einen Arzt rufen lassen. Sie meinte, es sei ja erlaubt, gebrochene Knochen von Chirurgen einrenken zu lassen, und hier liege ja ein solcher Fall vor.
Ich hatte kein Verlangen nach einem Arzt, ließ es aber geschehen, daß sie sich erkundigte, ob es in der Stadt keine Christlichen Wissenschafter gäbe. Aber auch diese Hoffnung wurde bald zunichte. Die Dame machte dann die Bemerkung, sie habe sich danach gesehnt, noch einmal mit mir über die Christliche Wissenschaft zu sprechen. Infolgedessen fing ich an, ihr die Wahrheit zu erklären, indem ich ihr zunächst gewisse Fragen beantwortete; und ihr Interesse war so groß, daß ich eine Stunde mit ihr sprach, ehe ich mir bewußt wurde, daß die Schmerzen verschwunden waren. Während ich also mit jemand anders über die heilende Wahrheit gesprochen hatte, war mir selber geholfen worden. Ich schlief ein und wachte erst am nächsten Morgen auf. Wiewohl ich keine Schmerzen mehr hatte, wollte mir doch die Furcht einreden, daß ich nicht auf den Fuß auftreten dürfe, weil sich sonst das Übel wieder einstellen könnte. Da ich aber bemerkte, daß es der Irrtum war, der also redete, bewies ich sofort die Unrichtigkeit der Suggestion. Dann schien es mir, als könne ich unmöglich einen Schuh tragen; aber nachdem ich auch diese Furcht in ihr natürliches Nichts verbannt hatte, indem ich den Schuh sofort anzog, bemerkte ich, daß die Heilung vollständig war. Ich ging an dem Tage über eine Meile zu Fuß, ohne daß der Knöchel im geringsten empfindlich war; ja ich mußte die Erinnerung zur Hilfe nehmen, um bestimmen zu können, welcher Knöchel die Verletzung erlitten hatte. So lernte ich auf dem Wege der Demonstration, daß die göttliche Liebe stets gegenwärtig und in Zeiten der Not vollkommen ausreichend ist.
Wiewohl die Wahrheit, wie sie die Christliche Wissenschaft lehrt, zu allen Zeiten und an allen Orten ein wunderbarer Tröster ist, so scheint es mir doch, als ob man die Segnungen erst dann so recht würdigt, wenn man nach menschlichem Ermessen „ein Fremdling in einem fremden Land“ ist. Meine Gedanken wenden sich voll Liebe und Dankbarkeit der Frau zu, deren Herz so von Mut inspiriert war, daß sie sich wie der Fremdling im fremden Lande allein mit einer Botschaft vom Himmel in das Reich menschlicher Gedanken wagte, um uns zu der geistigen Erkenntnis zu erwecken, daß alle Menschen Kinder des einen Vater-Mutter Gottes sind, und daß es keine Fremdlinge in Seinem Reiche gibt.
Antofagasta, Chili.
