Mrs. Eddy sagt an einer Stelle, die gleich zahlreichen anderen in ihren Schriften besonders leuchtend hervortritt: „Zeiten und Völker werden durch ihre höchsten und niedrigsten Ideale, durch ihren Gott und ihren Teufel gekennzeichnet“ (The People's Idea of God, S. 6). Diesen Ausspruch bestätigt die Geschichte, und ein deutliches Beispiel dafür ist in den heutigen Weltzuständen zu finden. Die gegenwärtige Prüfungszeit der Nationen offenbart die Art ihrer Ideale und das Wesen der Dinge, die das nationale Bewußtsein hauptsächlich erfüllt haben.
Dadurch, daß das menschliche Bewußtsein das Böse als eine Macht und eine Intelligenz anerkennt, gesteht es nicht nur die Möglichkeit einer bösen Errungenschaft ein, sondern es weist auch selbst auf die Mittel und Wege zu solchen Errungenschaften hin. Jeder Mensch besitzt daher infolge der sterblichen Annahme, d. h. weil er das Böse für einen Bestandteil seines Bewußtseins hält, die schlummernde Fähigkeit, die schlimmsten Phasen dieser Annahme zum Ausdruck zu bringen, wofern er nicht die Unwirklichkeit des Bösen im Sinne der Christlichen Wissenschaft versteht und demonstriert.
Demnach sind diejenigen Menschen oder diejenigen Nationen die höchststehenden, bei denen die höheren Ideale überwiegen. Dieser Kontrast trat am deutlichsten bei den alten israelitischen und assyrisch-babylonischen Rassen hervor. Ersteres Volk, das von dem Patriarchen Abraham abstammte, welcher seines Vaters Haus und seine Verwandtschaft verlassen hatte, um eine höhere Auffassung vom Dasein als die materielle zu finden und danach zu leben, zeichnete sich durch den Besitz des höchsten Gottesbegriffs aus, den es damals gab. Die Israeliten unterschieden sich in ihren ersten Erfahrungen durch ihr tätiges Vertrauen auf göttliche Führung und göttlichen Schutz deutlich von allen anderen Nationen. Andererseits brachte die assyrisch-babylonische Nation durch ihre Hingabe an die Sinnlichkeit oder die Eigenschaften des fleischlichen Gemüts die niedrigsten Ideale des Menschengeschlechts zum Ausdruck, weshalb sie auch durch ihren Teufel gekennzeichnet wurden. Diese Nation gewann allmählich die Herrschaft über die Israeliten — aber erst nachdem diese den Gott Abrahams verlassen und den Götzendienst der Eroberer angenommen hatten; mit anderen Worten, als die materielle Annahme das Übergewicht über die Erkenntnis des Geistes gewonnen hatte.
Heutzutage ist die Menschheit wie nie zuvor Zeuge des Konfliktes zwischen ihren niedrigsten und höchsten Idealen, und die Völker der Erde haben für die eine oder die andere Seite Partei ergriffen, je nachdem sie es vorgezogen haben, sich von ihrem höchsten Rechtsbegriff, d. h. von dem Prinzip, regieren zu lassen oder demselben den Rücken zu kehren. Deutschland, welches an der Spitze der angreifenden Mächte steht, hat offen gezeigt, daß seine Ideale dem Wohl der Menschheit nachteilig sind. Es hat vorgezogen, sich nicht durch Liebe zur Rechtschaffenheit unter den Völkern auszuzeichnen, sondern dadurch, daß es sich dem Bösen ergab, also durch seinen Teufel. Gleich seinem assyrischen Vorbild hat es vor dem Altar materieller Kraft und weltlicher Herrschaft mit solcher Hingabe angebetet, daß es jene edleren Eigenschaften der Ehre und der Gerechtigkeit geopfert hat, welche von allen Völkern, die genügend Selbstachtung besitzen, so hoch geschätzt werden.
Die angelsächsische Rasse, die die Verteidigungsmächte vertritt, findet sogar bei ihren Feinden wegen ihrer Freiheitsideale und ihrer Gerechtigkeit Anerkennung, und sie zeichnet sich durch ihren unwandelbaren Glauben an den Gott Israels aus, den die hebräischen Schriften offenbart haben. Ein jeder muß jetzt erkennen, daß dem deutschen Volk die Achtung der zivilisierten Welt deshalb verloren gegangen ist, weil es unwürdigen Idealen gehuldigt hat; wohingegen es ebenso deutlich ersichtlich ist, daß Großbritannien und Amerika wegen ihrer Treue gegen höhere Dinge sich die gute Meinung der Welt erworben haben.
Wenn der Schüler der Metaphysik die mentalen Faktoren in diesem Kampfe eingehender prüft, und wenn er sieht, welche Chancen dem Guten wie dem Bösen geboten worden sind, findet er so manches, was recht interessant ist. Etwa um dieselbe Zeit, als sich die amerikanischen Kolonisten auf die Unabhängigkeitserklärung vorbereiteten, kündigte Mesmer in Deutschland an, daß er den tierischen Magnetismus, wie er ihn nannte, entdeckt habe. Daher wurde dem mentalen Verfahren, durch welchen ein Mensch einen anderen zu beherrschen sucht, der Name Mesmerismus gegeben, und seitdem hat man es als Hypnotismus und mentale Suggestion bezeichnet. Diese Lehre bedeutet in Wirklichkeit persönliche Herrschaft auf der einen und Verlust individueller Freiheit auf der anderen Seite. Es ist daher kein Wunder, daß der Verfechter der Autokratie in diesem Kriege, daß die führende Macht, die gegen die Freiheit der Selbstregierung ins Feld zog, die Nation war, in deren Bewußtsein diese Lehre zum Ausdruck kam und in der sie so viele Anhänger fand, wie die Ereignisse bewiesen haben.
Wenn man diese Tatsachen verfolgt, stößt man auf die weitere höchst interessante Tatsache, daß Frankreich offiziell Einspruch gegen die Behauptungen Mesmers erhob. Eine Kommission, die von der französischen Regierung ernannt wurde, um diese Theorie zu untersuchen, gab einen ungünstigen Bericht ab, indem sie diese Erscheinung mit den übrigen „Irrtümern des menschlichen Gemüts“ auf die gleiche Stufe stellte. Vom Standpunkte der menschlichen Mentalität erscheint es daher als natürliche Folge, daß Frankreich die erste Nation war, gegen die Deutschland vorging; denn es liegt in der Natur des Bösen, das anzugreifen, was ihm seinen Anspruch auf Macht streitig macht.
Wiewohl nun Frankreich es gewagt hatte, das Böse zu verneinen, welches im tierischen Magnetismus zum Ausdruck kam, so hatte es doch kein Mittel entdeckt, um das Wirken jener Annahme zu vereiteln, und es blieb daher durch das Zugeständnis gebunden, daß das Böse Macht besitze. Das menschliche Gemüt glaubt wohl an das Gute, aber ebenso fest an eine entgegengesetzte Macht, nämlich das Böse. Und so hat das menschliche Pendel beständig zwischen diesen entgegengesetzten Annahmen hin und her geschwungen, während die Sterblichen um einen Erlöser beteten und auf ihn warteten. Diesen Erlöser findet man aber, Jesu Worten gemäß, in der Erkenntnis der Wahrheit, woraus deutlich zu ersehen ist, daß das Böse, wie der Meister später den Juden erklärte, nicht wahr ist, daß es daher weder Macht noch Intelligenz besitzt, und daß der Mensch Herr über dasselbe ist. Somit war es notwendig, daß die Wahrheit von des Menschen göttlicher Sohnschaft und seiner daraus sich ergebenden Unabhängigkeit von allem Bösen endgültig anerkannt und die Herrschaft auf die Schultern der Christus-Idee übertragen werde, ehe Harmagedon erfolgreich zu Ende gekämpft und die Völker von dem Mesmerismus der Herrschaft des Bösen befreit werden konnten.
Hieraus ergab sich notwendigerweise, daß im materiellen Verlauf der Dinge die Vereinigten Staaten an dem Kampfe teilnehmen mußten. Und warum? Weil in dem nationalen Bewußtsein des amerikanischen Volkes durch die Entdeckung der Christlichen Wissenschaft das einzige Mittel gegen den tierischen Magnetismus, gegen den Mesmerismus der falschen Annahme ans Licht gebracht worden war. Genau ein Jahrhundert nachdem Mesmer einen Bericht von seiner vorgeblichen Entdeckung des tierischen Magnetismus veröffentlicht hatte, gab Mrs. Eddy das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift,“ in den Vereinigten Staaten heraus. In diesem Buch zerlegte sie das Wesen und das Wirken des tierischen Magnetismus, entlarvte dessen Machtlosigkeit und Unwirklichkeit, und gab das wirksame Verfahren an, nach welchem es vernichtet werden kann. Sie war die erste seit der Zeit Jesu und seiner Jünger, die vermöge ihres geistigen Seherblicks die Wissenschaft der Unendlichkeit des Guten erkannte, sowie auch die entsprechende Wahrheit, daß das Böse, die Täuschung, die die Menschheit mit ihrer Suggestion mesmerisiert hat, eine Lüge ist.
Daher bedeutete der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg weit mehr als den bloßen Anschluß einer weiteren Nation an die Alliierten, weit mehr als das Hinzukommen von Schiffen und Geld und Millionen von Mannschaften. Es bedeutete, daß der Zweig des Israels von heute, innerhalb dessen sich die Verheißung des Wiedererscheinens des heilenden Christus erfüllt hatte, in Wirklichkeit diese Wahrheit der Christlichen Wissenschaft mit in den Kampf gegen das Böse nahm, möge auch diese metaphysische Tatsache noch nicht allgemein verstanden und anerkannt werden. Die Welt sieht immer mehr ein, daß der Feind in diesem Kriege nicht Fleisch und Blut ist, und daß daher noch etwas anderes als Fleisch und Blut diesen Kampf aufnehmen muß. Es liegt somit auf der Hand, daß der Endsieg über das Böse durch die Erkenntnis des göttlichen Prinzips gewonnen werden muß.
Mag auch die Notwendigkeit, zwischen dem geringeren und größeren Übel zu wählen, sogar Christliche Wissenschafter in das Gewühl der Schlacht geführt haben, so wissen diese doch, daß es die Mission der Christlichen Wissenschaft ist, dem ganzen Menschengeschlecht die Befreiung vom Bösen zu bringen. Die Wahrheit kämpft nicht gegen Menschen und Völker, sondern nur gegen den Mesmerismus böser Suggestionen, der die Menschen mehr oder weniger in der Täuschung gefangen hält. Bei der gegenwärtigen Umwälzung ist das Böse bis zu den untersten Tiefen seiner Schändlichkeit aufgerührt worden, aber nur, damit seine Nichtigkeit ausgearbeitet werde und die Gottesebenbildlichkeit des wirklichen Menschen in die Erscheinung trete. Wenn die Völker, die gegen die Freiheit der Welt kämpfen, sich des Selbstbetrugs des Bösen bewußt worden sind, ihre falschen Ideen aufgegeben haben und nach den besseren Dingen des Himmelreichs trachten, dann werden sie wieder in den Bund der Völker aufgenommen werden. Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 227): „Die Christliche Wissenschaft erhebt die Fahne der Freiheit und ruft: ‚Folget mir! Entrinnt der Knechtschaft von Krankheit, Sünde und Tod!‘ Jesus zeichnete den Weg vor. Bürger der Welt, nehmt die herrliche ‚Freiheit der Kinder Gottes‘ an und seid frei! Das ist euer göttliches Recht.“
