Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

„Unser entselbstetes besseres Selbst“

Aus der April 1919-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Jeder Sieg über die Annahme, daß es eine materielle Individualität gebe, bedeutet einen Schritt vorwärts in der Richtung zur Wirklichkeit. Das völlige Verschwinden des Glaubens an ein von Gott getrenntes Selbst wird die Vollendung der Aufgabe bekunden, die ein jeder zu erfüllen hat; und die Christliche Wissenschaft ermöglicht uns dieses Vollbringen, indem sie das Licht leuchten läßt, welches uns die Wahrheit des Seins offenbart und auslegt. Sie erläutert die Einheit des Guten oder die Beziehung zwischen Gott und Seiner Idee, auf die Jesus Christus hinwies, als er sagte: „An demselbigen Tage werdet ihr erkennen, daß Ich in meinem Vater bin und ihr in mir und Ich in euch.“ Die volle Erkenntnis des Einsseins Gottes und des Menschen, einschließlich des individuellen geistigen Bewußtseins, würde die völlige Zerstörung der Annahme, daß es eine materielle Individualität gebe, würde das Ende alles menschlichen Leidens bedeuten. Für das unerleuchtete menschliche Gemüt bedeutet jedoch diese Erklärung des Seins den Untergang dessen, was es für ein wesentliches Element seines wirklichen Seins hält. Infolgedessen widersetzt sich seine Selbstsucht bei jeder Gelegenheit dem Fortschritt geistiger Erkenntnis, wodurch sie seine Wahrnehmung der gegenwärtigen und ewigen Vollkommenheit des Menschen verhindert.

Nur die Annahme, daß es eine materielle Persönlichkeit oder Individualität in der Materie gebe, hindert den Menschen daran, das Himmelreich oder die Harmonie zu erkennen. Daher handelt es sich beim Überwinden des falschen Selbst lediglich darum, daß wir die Aussage des materiellen Sinnes umkehren. Von dem materiellen Selbst und dem materiellen Sinn läßt sich nichts weiter sagen, als daß sie das Vorhandensein der wahren Individualität und des geistigen Sinnes, von denen man die Unwahrheit redet, wohl andeuten, diese Individualität und diesen Sinn aber keineswegs darstellen. Hieraus geht deutlich hervor, daß des Menschen geistige Individualität nur durch das Überwinden des falschen materiellen Selbst erlangt werden kann. Gerade wie das materielle Selbst die Verkörperung des sterblichen Gemüts ist, welche verschwindet, sobald man erkennt, daß dieses sterbliche Gemüt unwirklich ist und nicht existiert, so kann man die wahre Individualität nur dann verstehen, beweisen oder darstellen, wenn man das göttliche Gemüt im Sinne der Wissenschaft als ihren Ursprung erkennt. Diese Erkenntnis Gottes ruft in uns Reue hervor, d. h. die Bereitwilligkeit, den falschen Begriff vom Selbst — so schwer uns der Kampf auch werden mag — aufzugeben, da wissenschaftliches Gemütsheilen auf keine andere Weise vor sich gehen kann und wir nur so die Leiden des Fleisches gegen die Harmonien des Geistes austauschen können. Mrs. Eddy sagt auf Seite 6 von „Unity of Good“: „Früher oder später wird das ganze Menschengeschlecht einsehen, daß die menschliche Natur in dem Maße eine Erneuerung erfährt, wie die makellose Individualität Gottes erkannt wird. Hierdurch wird der Mensch eine höhere Individualität erlangen, nämlich die, die von Gott stammt; und die Erlösung der Sterblichen von Sünde, Krankheit und Tod wird nach ewigen Gesetzen stattfinden.“

Die wissenschaftliche Erkenntnis oder Verehrung Gottes bedeutet gemäß der Erklärung, die Jesus dem Weibe am Brunnen vor Sichar gab, daß man die Allheit des Geistes so wahrhaft und geistig anerkennt, daß das Bewußtsein des Betenden Gott wiederspiegelt — ja Sein Gleichnis wird. Diese Erkenntnis erweckt in uns den innigen Wunsch, das Ebenbild der Liebe zu werden und im Gehorsam gegen das göttliche Prinzip zu wachsen. Solche Gottesverehrung läßt keine materielle Individualität zu. Die logische Notwendigkeit der Allheit des Geistes schließt die Möglichkeit des Dualismus aus. In der Wissenschaft des Gemütsheilens darf man sich nur so lange mit dem befassen, was das sterbliche Selbst zu sein scheint, bis man die Unwirklichkeit desselben bewiesen hat. Daher ist es notwendig, daß man das materielle Sein vollständig verneint und den Menschen schon jetzt als unsterbliche Idee Gottes sieht, um metaphysisches Heilen von körperlichen Leiden bewirken zu können. Jedes Bestreben, auf geistigem Wege zu heilen, ist daher gleichbedeutend mit dem Bestreben, den materiellen Sinn zu entselbsten und sich in das wahre Bewußtsein des Seins zu erheben.

Hieraus geht deutlich hervor, daß jedes menschliche Problem, das eine Lösung durch die Christliche Wissenschaft verlangt, als eine Begleiterscheinung der Annahme, daß es eine von Gott getrennte materielle Individualität gebe, betrachtet werden muß. Daher wird der Versuch, ein gegebenes Problem durch wissenschaftliche Gedankenvorgänge zu lösen, stets fehlschlagen, wenn man der das Problem verursachenden Annahme beistimmt, daß es eine materielle Individualität gebe, denn das hieße die fundamentale Streitfrage zwischen dem Sterblichen oder Unwirklichen und dem Unsterblichen oder Wirklichen umgehen. Wenn wir uns aber in einer besonderen Notlage, d.h. in einem Zustand materieller Selbstsucht befinden und dann unsere Zuflucht zum Geist nehmen und aufrichtig bestrebt sind, durch das Anrufen des Prinzips mehr von dem Glauben an ein sterbliches Selbst los zu werden, so erhalten wir genau im Verhältnis zu unserer Erkenntnis einen deutlicheren Begriff von der geistigen Gottessohnschaft, und wir sind dann dementsprechend den Leiden der fleischlichen Natur weniger ausgesetzt. Wer bestrebt ist, den materiellen Sinn zu verneinen, anstatt nur nach sinnlichem Behagen zu trachten, wird durch jeden Kampf mit dem Irrtum die göttliche Liebe als das Prinzip und das göttliche Gesetz als die Regel des Seins klarer erkennen.

Man sollte meinen, daß es den Menschen keinen großen Kampf kosten könnte, alles anzunehmen, was die Christliche Wissenschaft zu bieten vermag, da sie doch nur Gutes verspricht, nur Gutes offenbart. Das wäre auch der Fall, wenn es das menschliche Gemüt verstände, das absolut Gute anzuerkennen, das die Christliche Wissenschaft erklärt und demonstriert. Das menschliche Gemüt mit seiner Auffassung vom Selbst ist jedoch nur eine Nachbildung des göttlichen Gemüts und der geistigen Sohnschaft und kann daher niemals gut werden oder das Gute erkennen. Es muß dem weichen, was wirklich ist, und hierdurch entsteht das Empfinden des Kampfes zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen.

Hat es denn aber irgendwelchen Zweck, diesen falschen Sinn vom Selbst in seiner Ruhe zu stören, wenn er doch niemals in etwas Besseres verwandelt werden kann? Warum ihn nicht seiner unausbleiblichen Vernichtung entgegengehen lassen, da ja doch das Unechte den wirklichen Menschen nicht berührt? Einfach deshalb nicht, weil man sich nicht von einer Lüge befreien kann, indem man ihr Vorhandensein und Kraft zugesteht und sie dann unbeachtet läßt. Man kann den Irrtum nur dadurch loswerden, daß man seine Unwirklichkeit durch die Erkenntnis Gottes und Seiner Idee beweist. Vor allen Dingen muß man die richtige Auffassung vom materiellen Selbst als einer Unwirklichkeit erlangen, und dann erst kann man diesem falschen Selbst durch den Sieg über die geringeren Bekundungen der Selbstsucht, des Eigenliebe, der Eigenliebe, der Begierden, der Freuden und Schmerzen der Sinne entsagen. Der Mensch befreit sich von dem falschen materiellen Selbst in dem Maße, wie er die sterbliche Gesinnung der Gesinnung untertan macht, die „in Jesus Christus auch war“ und die die wahre Individualität des Menschen ausmacht. Wie die Nacht bei Anbruch des Tages weicht, so muß auch die Wahrheit, daß wir „allzumal Kinder des Lichtes“ sind, wie Paulus sagt, als positive Kraft angewandt werden, um zu beweisen, daß wir „nicht von der Nacht noch von der Finsternis“ sind.

Wir können die menschliche Auffassung vom Selbst nur ablegen, indem wir den Menschen als Gottes Bild anerkennen und dann dermaßen in Übereinstimmung mit diesem Bekenntnis leben, daß unsere Gedanken, die früher auf persönliche Ziele gerichtet waren, nun geistige Ideen aufzunehmen bereit sind — dermaßen, daß diese Gedanken, die einst in der Materie Substanz und Glück suchten, auf den Geist, das Reich der Wirklichkeit gerichtet sind. Deshalb sagt Mrs. Eddy (Miscellany, S. 167): „Der Geist lehrt uns das aufzugeben, was wir nicht sind, und zu verstehen, daß wir eins sind mit dem Geiste, mit jener Liebe, die getreu und eine allgegenwärtige Hilfe in der Not ist, und die uns niemals verläßt.“

Den wissenschaftlichen Sieg über die Materie erlangt der Mensch in dem Maße, wie er seine wahre Identität als Idee Gottes wahrnimmt, Gott über alles lieben lernt und die Erkenntnis erlangt, daß nichts wichtiger ist als das Aufgeben jeglicher Auffassung von einem vom Geist getrennten Dasein. Er muß sofort damit anfangen, indem er täglich der Neigung zur Selbstsucht widersteht. Hiermit ist jedoch nicht gesagt, daß man in dem Gewirr des menschlichen Kampfes sich dem Willen eines anderen unterordnen soll, um zu beweisen, daß man seine eigene Auffassung vom Selbst aufgegeben hat. Das hieße auf die denkbar törichtste Art die Frage zum Satz machen, indem man einem anderen die Bürde der Selbstsucht aufladen würde, die man aus Trägheit oder Feigheit nicht zu verneinen oder abzuwerfen vermag. Es gibt nur eine Annahme, daß es eine von Gott getrennte Individualität gebe. Wenn jemand diesen falschen Anspruch wissenschaftlich bekämpft, wird er in dem Maße, wie er seine eigene persönlichere Auffassung vom Selbst überwindet, der scheinbaren Notwendigkeit enthoben sein, sich der Selbstsucht zu unterwerfen, die in einem anderen zum Ausdruck kommt. Selbstverleugnung bedeutet Gehorsam gegen das Prinzip, sollte auch dieser Gehorsam von uns das Abhauen der rechten Hand oder das Ausreißen des rechten Auges des materiellen Wollens und Strebens fordern. Daher sagt Mrs. Eddy (Miscellany, S. 6): „In unserem entselbsteten besseren Selbst leben, bedeutet nichts anderes, als daß man sich für immer von den Sünden des Fleisches, von den Irrtümern des menschlichen Lebens, von dem Versucher und der Versuchung, von dem verführerischen Lächeln der Verdammnis abgewandt hat.“

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / April 1919

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.