Das Wort Gemeinde, wie es im Neuen Testament übersetzt wird, ist dasselbe wie das, welches übersetzt wurde als Kirche, nämlich έκκλησία. Dies ist sicherlich nicht nur Zufall, im Gegenteil, die Schreiber der Bücher, in denen das Wort vorkommt, mußten einen klaren Begriff der Tatsache gehabt haben, daß Gemeinde, gleichwie Kirche, keine bloße Zusammenkunft so und so vieler Personen ist, sondern ein mentaler Begriff, wie Mrs. Eddy erläutert auf Seite 583 von Wissenschaft und Gesundheit: „Der Bau der Wahrheit und Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht.“ Das ist natürlich die geistige Idee von Kirche, aber die geistige Idee hat ihr materielles Gegenstück in der Versammlung menschlicher Wesen, welche, anstatt der geistigen Idee, von der Welt als Kirche angesehen wurden, ehe man soweit war, dem Gebäude, in dem die Kirche zusammenkam, den Namen Kirche zu geben.
Unglücklicherweise ist es eine Notwendigkeit des materiellen Gemütes, sich materielle Bilder zu machen und die Offenbarwerdung der Wahrheit ist seiner Materialität eben so unsicher, als die Person des auferstandenen Heilandes den römischen Schildwachen oder den Juden, die ihren Geschäften nachgingen in den Straßen Jerusalems oder auf dem Weg nach Emmaus, unsichtbar war. Im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung wurde der Ort, wo die Versammlung zusammen kam, natürlich nicht als Kirche angesehen. Sogar Jahrhunderte später, als die Christen in Europa das Symbol des Schiffes anwandten, um die Kirche zu bezeichnen, und seine Achtersitze in den Marmor der Kathedrale von Torcello einschnitzten, bildeten sie sich niemals ein, daß die Kathedrale die Kirche sei, sondern die Gottesverehrer, die sich darin versammelten. Im Gebrauch des Wortes Kirche, wie es ja auch der Fall ist von aller materiellen Sprache, ist es notwendig, um die Tatsache zu erfassen, sich auf ein metaphysisches Verständnis zu verlassen, da, wie Mrs. Eddy schreibt auf Seite 269 von Wissenschaft und Gesundheit: „Die Metaphysik löst Dinge in Gedanken auf und tauscht die Dinge des Sinnes gegen die Ideen der Seele ein.“
Wenn das menschliche Gemüt zerstört geworden ist durch das Gemüt Christi, dann werden diese Sinnesgegenstände wieder gegen die Ideen der Seele ausgetauscht werden, und nur in dem Maße, wie dies geschieht, wird man sich der wahren Idee von Kirche bewußt werden. Es ist ein leichtes, Mrs. Eddys einfache Worte, daß die Kirche „der Bau der Wahrheit und Liebe“ ist, zu lesen, ohne das geringste Verständnis dessen, was dies bedeutet. Gleich über diesen Worten, auf derselben Seite des Glossariums, befindet sich die Auslegung von Christus als: „Die göttliche Offenbarwerdung Gottes, die zum Fleisch kommt, um den fleischgewordenen Irrtum zu zerstören.“ Doch, was bedeutet eine solche Auslegung des Christus für denjenigen, der sich gewöhnt ist, in der Weise orthodoxer Theologie oder materiellen Begriffes zu denken? Erst wenn man gesehen hat, wie Sünde, Krankheit und Tod zerstört werden durch das Erkennen der Nichtsheit der Materie und der unendlichen Allmacht des Christus, der Wahrheit, ist es möglich, Mrs. Eddys Auslegung von Christus, Dinge in Gedanken aufzulösen und, an Stelle eines Verständnisses von Jesus von Nazareth, die Erkenntnis vom Sohne Gottes, der Christus-Idee, „die zum Fleisch kommt, um den fleischgewordenen Irrtum zu zerstören,“ zu erlangen.
Es ist eben diese Schwierigkeit, Dinge in Gedanken zu übersetzen, auf nur oberflächliche Weise — und oberflächliche Auflösung bedeutet, bloßer Austausch einer objektiven Materialität gegen eine subjektive, was für die Welt die Gefahr von Mißverständnis des Wortes Kirche in sich schließt. Sollte man den Dom von St. Peter oder die Türme von Westminster nicht mehr wahrnehmen können und die Christen von Korinth oder von Ephesus in einer Mansarde zusammen kommen sehen, so könnte man dennoch, in christlichem Sinne, ebenso weit von einem Verständnis von Wahrheit und Liebe entfernt sein, als ein Hindu Reisender in Rom oder London. Erst wenn der alte Mensch mit seinen Lüsten abgelegt und der neue Mensch, der Christus, angezogen worden ist, wird es möglich zu erkennen, was Wahrheit und Liebe eigentlich bedeuten, und dadurch nur kann ein Verständnis von der Bedeutung der Gemeinde gewonnen werden. Denn eigentlich ist das Zusammenkommen von Leuten an und für sich ein ganz gewöhnlicher materieller Vorgang. Ohne ein richtiges Verständnis der Bedeutung von Kirche seitens der Kirchgänger, ist dieses sich versammeln wertlos für sie. „Ein sich versammeln,“ sagt Mrs. Eddy auf Seite 156 von „Miscellaneous Writings,“ und einander liebenswürdig oder streitsüchtig zuhören, hilft den Schülern nicht, sich die Christliche Wissenschaft gründlich anzueignen.“ Von einem Ende zum anderen ihrer Schriften zeigt Mrs. Eddy deutlich, daß die Christliche Wissenschaft nur erworben wird durch das Aufgeben der Materialität für das Geistige; und genau in dem Verhältnis, wie dies wahrhaft getan wird, wird die Gemeinde tatsächlich der Ausdruck von Wahrheit und Liebe, ein Ausdruck, der sich in Heilung offenbart, aber nie in Hochmut und Zorn.
Der Grund dessen ist einfach. Das Prinzip, in seiner ureignen Natur der Dinge, ist Liebe. Der Liebe beraubt, würde das Prinzip unharmonisch und daher unprinzipiell, was eine Unmöglichkeit ist. Denn Liebe, wie der Apostel Johannes in seinem ersten Briefe sagt, ist Gott, und Gott ist Wahrheit. Wenn daher die Kirche der Bau der Wahrheit und Liebe ist, wäre eine Gemeinde, die Wahrheit und Liebe nicht offenbart, außer der Grenze einer Definition der Kirche; dann müssen wir auch daran denken, daß Kirche noch eine zweite Auslegung hat, auf Seite 583 von Wissenschaft und Gesundheit in den Worten: „Die Kirche ist diejenige Einrichtung, die den Beweis ihrer Nützlichkeit erbringt, und die das Menschengeschlecht hebt, das schlafende Verständnis aus materiellen Annahmen zum Erfassen geistiger Ideen und zur Demonstration der göttlichen Wissenschaft erweckt und dadurch Teufel oder Irrtum austreibt und die Kranken heilt.“
Hier, wie in allem, was die Christliche Wissenschaft lehrt, setzt Mrs. Eddy Glaubensbekenntnisse und den Lärm vielen Sprechens, ruhig beiseite und reduziert eines Menschen Kirchen-Mitgliedschaft zu der strengen Probe seiner Fähigkeit, die Kranken zu heilen. Diese Fähigkeit is unumgänglich abhängig von dem Grade, in welchem er Liebe wiederspiegelt; und Liebe, im metaphysischen Sinne, ist nicht sinnliche Zuneigung, sondern sie wird ausgedrückt durch Selbstverleugnung und einem Verständnis der Nichtsheit der Materie. Solange ein Mensch sich von materiellen Trieben regieren läßt, kann er unmöglich wahrhaft lieben, weil solch materielle Triebe an und für sich die Vernichtung des geistigen Verständnisses vom Prinzip bewirken, indem sie alle Elemente der Disharmonie enthalten, und mit menschlichen Leidenschaften durchdrungen sind. Um geistig zu lieben, muß man lernen, ein jedes Bild, von einem aus der Materie entsprungenen Universum, zu verbannen. Anstatt der materiellen Gedanken, welche das menschliche, fleischliche Bewußtsein überschwemmen, müssen, bemerkt oder unbemerkt, jene Engel, die ein wahres Verständnis des Prinzips ausmachen, erscheinen. Gewiß ist dies, was der Schreiber des Hebräerbriefes zu seinen Lesern sagte, als er schrieb: „Zu der Menge vieler tausend Engel und zu der Gemeinde der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind.“
Der Schreiber hatte den alten Bund mit dem neuen verglichen, die Düsterheit und das Grausen von Sinai mit der Sonne auf dem Berge Zion. Wenn er von der Kirche, der Gemeinde spricht, so ist dies nicht eine Versammlung, von durch menschliche Leidenschaften und dem Hochmut menschlicher Meinungen beeinflußten Leuten, sondern die vielen tausend Engel, die Ideen Gottes, geistige Ideen, von aller Materie getrennt, harmonische Ideen, denen Disharmonie unbekannt ist; kurzum, von diesen Söhnen und Töchtern Gottes, die allein fähig sind, eine wirkliche Gemeinde zu sein, hat doch Mrs. Eddy auf Seite 581 von Wissenschaft und Gesundheit Engel ausgelegt als: „Gottes Gedanken, die zum Menschen kommen; geistige Eingebungen, die rein und vollkommen sind; die Inspiration der Güte, Reinheit und Unsterblichkeit, allem Bösen, aller Sinnlichkeit und aller Sterblichkeit entgegenwirkend.“
