In der Heiligen Schrift ist sehr häufig von Kleidern die Rede. Die volle Bedeutung dieser Stellen kann man jedoch nicht erfassen, ohne die Allheit des Gemütes zu verstehen, die die Grundlage bildet, auf der die Heilige Schrift geschrieben ist. Der Gegenstand der Kleidung nimmt eine neue Bedeutung an, wenn er von dem Gesichtspunkte betrachtet wird, daß „alles ... unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung“ ist, „denn Gott ist Alles-in-allem“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468). Übrigens kann man nur von diesem Gesichtspunkt aus „die Lilien“ in der Weise schauen, wie der Meister sie geschaut haben wollte, als er auf die Leichtigkeit hinwies, mit der sie sich kleideten, wie auch auf die Schönheit ihres Erblühens. Vom materiellen Standpunkt betrachtet, ist das Thema von Kleidung oft mit Sorge und Furcht verbunden. Von Anfang bis zu Ende lehrt uns die Heilige Schrift, wie nötig es die Menschheit hat, ihre Denkweise über diesen Gegenstand zu ändern.
Das englische Wort für Kleidung (dress) ist von dem lateinischen Wort dirigere, d.h. lenken, abgeleitet. Das Bedürfnis der Menschheit ist, demnach, daß die Gedanken über Gott und der Begriff über des Menschen Beziehung zu Gott, richtig geleitet oder verbessert wird. Auf Seite 452 von Wissenschaft und Gesundheit sagt Mrs. Eddy: „Wir besudeln unsre Gewänder durch starres Festhalten am Alten und müssen sie später reinwaschen. Wenn der geistige Sinn der Wahrheit seine Harmonien entfaltet, dann läufst du der Weltklugheit des Irrtums gegenüber keine Gefahr. Erwartest du einfach dadurch zu heilen, daß du die Worte der Verfasserin wiederholst, daß du recht redest und unrecht handelst, dann wirst du enttäuscht werden. Solch eine Praxis demonstriert nicht die Wissenschaft, durch die das göttliche Gemüt die Kranken heilt.“ Passende Gewänder sind notwendig, um den Kranken Heilung zu bringen, und diese Gewänder sind richtige Gedanken — Gedanken, die dem großen Beispiel nachgebildet sind, das Jesus Christus gab, der denen Gesundheit brachte, die den Saum seines Gewandes berührten.
Welcher Art sind nun diese heilenden Gewänder, und wie müssen sie erlangt und getragen werden? Diese Frage ist heute in vieler Herzen. Vor allem müssen wir die Tatsache erkennen, daß das sterbliche Gemüt immer mit einem „unflätigen Kleid“ angetan ist, wie Jesaja sagt. Habsucht, Geiz, Eitelkeit, Selbstsucht, Sinnlichkeit sind einige seiner Kleidungsstücke. Wie wichtig ist es ferner, den Unterschied klar zu verstehen, den die Lehre der Christlichen Wissenschaft macht zwischen dem wirklichen Menschen und dem sterblichen Gemüt. Diese Lehren beweisen, daß der Mensch niemals sterblich oder materiell ist, und daß Mensch und Sterblichkeit so wenig miteinander gemein haben wie Licht und Finsternis. Der Mensch ist immer und ewig mit den Eigenschaften des göttlichen Gemütes angetan, gerade wie der Sonne Strahlen stets Licht aussenden. Es ist unmöglich, die Sonnenstrahlen von der Sonne zu trennen, und ebenso unmöglich ist es, den Menschen von dem Gemüte zu trennen, das die Quelle seiner Existenz ist.
Aber wie man durch das Auffangen der Sonnenstrahlen diese verhindert, auf einen gewissen Gegenstand zu scheinen, so kann man richtige Gedanken scheinbar verhindern, das eigene menschliche Problem zu erreichen, indem man das Licht der Wahrheit, welches diese irrigen Auffassungen berichtigt, aufhält. Durch Gefühle der Furcht, des Verdachtes, des Ärgers, die wir gegen einen Mitmenschen hegen, können wir z.B. die Segnungen von ihm abhalten, deren er sich erfreuen würde, wenn wir freundlich, vertrauensvoll und liebevoll gegen ihn wären, und dies sind richtige Gedanken, falls sie auf der Allheit des Gemütes beruhen. Die erste Frage, die das menschliche Gemüt in dieser Lage immer stellt, ist die: Soll man sich zum Besten halten lassen? Wohin auch immer die Strahlen der Sonne fallen oder nicht fallen mögen, ihr Verhältnis zur Sonne bleibt sich immer gleich; sie spiegeln immer das Licht wieder. Kein Grad der Dunkelheit berührt sie. Dieses Beispiel zeigt so gut wie irgend etwas Irdisches zeigen kann, wie wir unsere Einheit mit der göttlichen Liebe aufrecht erhalten müssen. Wenn wir den festen Wunsch haben, gegenüber unseren Mitmenschen immer nur Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und alle anderen Eigenschaften des göttlichen Gemütes zu wiederspiegeln, dann können wir verhindern, daß Verdacht, Haß, Mißtrauen oder irgendein anderer Schatten des Sinnenzeugnisses in ihm ein Gefühl der Trennung von Gottes Herrschaft hervorrufen.
Wenn wir unseren Mitmenschen gegenüber diese Haltung einnehmen, so haben wir hier und jetzt Gelegenheit, die Freude und den Frieden zu empfinden, die durch ein klares Erkennen der Einheit des Menschen mit seinem Schöpfer erzeugt werden. Diese Tatsache leiht der symbolischen Figur Bedeutung, die Johannes als ein Weib beschreibt, das mit der Sonne gekleidet war. Die Werke unserer Führerin mit ihrem Licht der geistigen Erkenntnis zeigen die reiche Gewandung, die die Heilige Schrift für uns alle vorgesehen hat. Diese Gewandung ist unumgänglich notwendig, wenn wir in das Himmelreich kommen wollen, das inwendig in uns ist und das nur durch reine, geistige Gedanken erreicht werden kann, durch Gedanken, die allein auf der absoluten Wahrheit beruhen.
Geistig erklärt, war Josephs bunter Rock, der den Neid seiner Brüder erregte, das Gewand richtiger Gedanken, die Joseph wiederspiegelte. Seiner Brüder Taten beruhten auf ihrem Glauben an die Wirklichkeit der Materie, der sie mit Neid und Haß antat. Aber gerade diese Handlungen seiner Brüder gaben Joseph Gelegenheit, die praktische Natur seines Gewandes, d.h. seiner geistigen Haltung zu beweisen. Denn als seiner Brüder falsche Begriffe sie zuletzt in eine Notlage brachten, war Joseph, dank seiner Gotteserkenntnis, imstande ihrer Not abzuhelfen. Nachdem er bewiesen hatte, daß die göttliche Liebe eine Schutzwehr gegen Haß ist, brachte er auf der Grundlage dieser Liebe die Wiedervereinigung seiner Familie zuwege. Verzeihung, Edelmut und Güte waren die Farbstoffe, die seinem Gewande solch prächtigen Schimmer gaben; und Josephs Rock samt der Macht, die er ausübte, kann jeder haben, der diese göttlichen Gedanken sein eigen machen will.
Geheimer Groll, tiefer Kummer, eine tief eingewurzelte Neigung, sich zu grämen, ja jede Neigung, bösen Gedanken nachzuhängen, können wie alte Kleider zusammengerollt und weggeworfen werden; denn die Verheißung lautet: „Sie werden verwandelt wie ein Kleid, wenn du sie verwandeln wirst.“ Alles, was ungerecht, lieblos oder böse ist, ist ohne Prinzip und wird deshalb vergehen; aber alles, was auf dem Prinzip beruht, wird fortdauern. Der Augenschein der körperlichen Sinne kann die nicht mehr betören, die auf Grund der Allheit des Prinzips sich weigern, das Gewand ihrer Lügen anzuziehen, und die infolgedessen die Wahrheit der Verheißungen Gottes dartun können. Wer vor allen Dingen danach trachtet, seine Gedanken unbefleckt zu erhalten von dem Glauben an die Materie in irgendeiner Form, oder von der Abhängigkeit von der Materie, der bleibt nicht lange im Zweifel über das richtige Gewand. Weil „die göttliche Wissenschaft des Menschen ... zu einem einheitlichen Gewebe der Beständigkeit gewoben [ist] ohne Naht oder Riß,“ wie Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit erklärt (S. 242), muß man alle Gedanken und Handlungen auf dem Prinzip beruhen lassen; denn wenn man um sein Gewand das Los wirft — d.h. wenn man die Wohltaten der Wahrheit sucht, ohne durch die Überwindung des menschlichen Gemütes und der Freuden und Leiden der Sinne dem Prinzip Gehorsam zu leisten, werden Kummer und Scham die unvermeidliche Folge sein.
Die Christlichen Wissenschafter freuen sich, daß sie durch das Studium der Bibel in Verbindung mit dem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ lernen, ihre Kleider weiß zu waschen „im Blute des Lammes.“ Tag für Tag, Stunde für Stunde nehmen sie freudig jede Gelegenheit wahr, falsche Gedanken durch richtige zu verdrängen. Sorgfältig wischen sie alle Flecken des Sinnenaugenscheins ab mit der Bekräftigung von Gottes stets vorhandenem, stets wirkendem Gesetz der Gerechtigkeit, der Freude und des Friedens; und so beweisen sie Gottes Macht, jegliche Art von Sünde und Krankheit zu heilen. Durch jede Heimsuchung hindurch finden sie ihren Weg; auch helfen sie anderen, Gottes Gesetz und dessen praktische Anwendung in allen menschlichen Problemen zu sehen. In weiße Kleider gehüllt, die Siegespalme in der Hand, können sie sich dann der großen Menge zugesellen, von der Johannes in der Offenbarung spricht, und mit ihr in dem Ruf einstimmen: „Heil sei dem, der auf dem Stuhl sitzt, unserm Gott, und dem Lamm!“