Als Jesus kurz vor seinem Sieg in Gethsemane mit seinen Jüngern in dem „großen Saal“ versammelt war, sagte er zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere denn diese tun; denn ich gehe zum Vater.“ Mrs. Eddy gibt uns in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ auf Seite 14 den Grund an für die größeren Werke: „Denn das Ego wallt außer dem Leibe und ist daheim bei Wahrheit und Liebe.“ Diese Worte sind eine Erklärung jenes Gesetzes der Entwicklung und Unterstützung, das allein eine Arbeit und einen Arbeiter in irgendeinem Zweig der christlich-wissenschaftlichen Bewegung in angemessener und wirksamer Weise aufrechterhält, und das allein die Früchte dieser Arbeit vermehrt. Der wohlgemeinte und aufrichtige Wunsch, wie er z. B. in den Worten zum Ausdruck kommt: „Wir müssen unsere Lektoren unterstützen,“ oder: „Wir müssen unsere Leser unterstützen“— dieser Wunsch wird den Zweck, der uns so sehr am Herzen gelegen ist, nur dann erfüllen, wenn wir die großen Dinge, die dieses von Jesus dargelegte Gesetz der Vermehrung von uns verlangt, wirklich verstehen und befolgen; und die erste Forderung dieses Gesetzes kommt in den Worten zum Ausdruck: „Wer an mich glaubt“— an den Christus, die Wahrheit.
Die Verheißung, daß die Macht des Christus geoffenbart werden solle, gilt also dem, der die Wahrheit versteht, sich unbedingt auf sie verläßt und sie furchtlos bekennt — hinsichtlich der Frage der Macht in allen ihren Einzelheiten sowie der Frage von hier und jetzt, von jedem Gesichtspunkt aus gesehen; ja sie gilt dem, der die Allheit, den Gehalt, die Fähigkeit und die Zulänglichkeit des Gemütes kennt und glaubt — des Gemütes, welches das Hier und Jetzt mit nichts anderem als mit seiner eigenen Wahrhaftigkeit teilt. Wer das „Mich“ zu verstehen sucht, das sich in den göttlichen Eigenschaften des Christusgemütes kundtut, bereitet sich auf einen Vortrag oder einen Gottesdienst in einer Weise vor, wie Jesus zu tun pflegte, „dessen demütige Gebete tiefe und gewissenhafte Bezeugungen der Wahrheit waren — Bezeugungen von des Menschen Gleichheit mit Gott und von des Menschen Einheit mit Wahrheit und Liebe“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 12). Er wird zuallererst seinen Gesichtspunkt gründlich läutern und ihn zu der erforderlichen Norm erheben, bereit, mit und für Christus zu wachen, und gewappnet gegen die schlaue, suggestive Erwartung, irgend etwas außer Christus zu finden. Dann wird er nicht schläfrig werden, indem er seinen Blick auf menschliche Persönlichkeit heftet, sondern er wird mit der Treue und dem Scharfblick eines Johannes in dem unaufhörlichen Entfaltungsprozeß des göttlichen Gemütes das Aufdämmern einer neu offenbarten Idee erkennen und diese festhalten. Er wird die Demonstration der großen Tatsache erfahren, daß nur ein Wille besteht —„nicht mein, sondern dein Wille“— der Wille Gottes, der Wille der Liebe, der den Sklaven des Hohenpriesters befreit, von dem Hauptmann anerkannt wird, dem Schächer die Gewißheit der Sündenvergebung bringt und sich über den von falschen Theorien vorgeschriebenen Tod erhebt.
Den zweiten Teil dieses Gesetzes des Wachstums und der Unterstützung gibt Jesus mit den Worten an: „Denn ich gehe zum Vater.“ Hier wiederum ist der Kampfplatz im eigenen Gedankenkreis, und der Kampf besteht im Widerstand gegen die Annahmen der Materialität, in der Weigerung, irgendeine Ansicht oder Meinung zu hegen oder an sich und anderen eine Kritik zu üben, die in der Annahme wurzelt, daß Ursache, Initiative oder Entscheidungsfähigkeit im sterblichen Menschen zu finden sei, dem Werkzeug der größeren Torheit, nämlich des Glaubens an ein sterbliches Gemüt. Der Kampf besteht also darin, daß man sich weigert zuzugeben, daß es außer Gott eine wirkende, bewegende oder handelnde Macht gibt. Er fordert das Festhalten an der Tatsache, daß alles, was wahr ist, alles, was die Wahrheit stützt, alles, was sie zum Ausdruck bringt, jetzt und immerdar „in des Vaters Schoß“ ist, des göttlichen Prinzips, und daher stets den Schutz genießt, den der „Schirm des Höchsten“ gewährt.
Die Auffassung von Arbeit und deren Beweise werden der Menschheit und dem einzelnen in dem Maße klarer, wie der einzelne zu dem Ideal emporwächst, das Jesus, Christus, vor Augen hatte. Nur dann kann diese Entwicklung stattfinden, wenn man das eigene Ich durch den Dienst der Wahrheit und Liebe beiseitesetzt und den weiteren Ausblick der Liebe und Fürsorge für die ganze Menschheit erlangt hat — ja nur dann, wenn das Speisen und Heilen der Menge so wichtig erscheint wie das Speisen und Heilen des einzelnen oder der nächsten Umgebung.
Einen christlich-wissenschaftlichen Arbeiter unterstützen heißt, Christus so lieben, daß man beständig in bewußter Gemeinschaft mit Gott lebt. Es heißt, die Wahrheit über den Menschen erkennen, sich der Beziehung des Menschen zu seinem Schöpfer bewußt werden und dies getreulich und mit einfachem Auge tun. Jesus sagte: „Wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die Adler“— wo man es zuläßt, daß der leblose, ungöttliche Glaube an Leben oder Intelligenz in der Materie Zeit oder Raum einnimmt und sich geltend macht, da werden die Adler (Geier) der mentalen Malpraxis und des tierischen Magnetismus, Furcht, Tadelsucht, menschliches Vergleichen und all die verwirrenden Arten der Unbeständigkeit sich versammeln, sich von toten Formen, von Scheinbarkeiten und vom Buchstaben nähren, während die lebendige, heilende Christus-Botschaft ungehört und unbeachtet vorübergeht.
Wenn wir uns beim Besuch der Vorträge, der Gottesdienste und der Versammlungen bewußt werden, daß wir da nichts anderem begegnen können als Gott und Seinem Gesetz und Seinem Willen, dann werden sich die Heilungen mehren. Alle Suggestionen, die uns durch hypnotischen Einfluß zu der Annahme verleiten möchten, daß es in Wirklichkeit eine regierende und lenkende Macht des Bösen gebe, werden von der aufgehenden Sonne des rechten Denkens in ihr untätiges Nichts vertrieben — von der geistigen Stärke, die sich ganz und gar auf geistige Verursachung verläßt, weil diese allein stets wirksam war und stets wirksam sein wird. Um diesen Michael der geistigen Kraft zu beherbergen, muß man die hinterlistigen, angenehmen Selbstschmeicheleien und Selbstanklagen des fleischlichen Gemüts samt und sonders fahren lassen — alles, was uns dazu verleiten will, auf den Treibsand der persönlichen Stärke Schutz für den Menschen zu suchen, oder aber zu denken, der Mensch sei von Gott getrennt und besitze nicht die Fähigkeit, zu stehen, ohne sich auf einen Mitmenschen zu stützen.
Der allmächtige Arm des Prinzips allein war es, der Jesus am Kreuz umschlang und ihn sicher durch die Erfahrung im Grabe führte. Die Schrecken der Einöde auf der Insel Patmos wurden für den Johannes in die Vision eines neuen Himmels und einer neuen Erde verwandelt, weil Johannes, wie sein Meister, sich gänzlich auf die Tatsache verließ, daß Gott Liebe ist. Mrs. Eddy überwand mit ihrer Erkenntnis der Wahrheit des Seins die Scharen des sterblichen Gemüts, die sich der Offenbarung der Christlichen Wissenschaft widersetzten. In ihrer Botschaft an Die Mutter-Kirche im Jahre 1901 (S. 20) schreibt sie: „Der Christliche Wissenschafter ist allein mit seinem eigenen Ich und mit der Wirklichkeit der Dinge.“ Kann der Mensch eine stärkere Stütze haben als sein eigenes richtiges Vertrauen auf diese Tatsache?
Der einzige Stab, auf den sich der Mensch seiner eigenen Sicherheit und der Sicherheit anderer wegen stützen darf, ist seine wachsende Erkenntnis der Wahrheit. Nur dieser Stab verletzt nie die Hand dessen, der sich auf ihn stützt, nur er versagt nie als starke Stütze. Wir wollen daher unsere Auffassung von Arbeit in der Christlichen Wissenschaft, welcher Art sie auch sei, frei halten von den Befürchtungen, die durch die Eingriffe und Belästigungen der beschränkten persönlichen Anschauungen erzeugt werden und die zuerst durch falsches Mitleid schwächen und dann auf dem Wachtposten schlafen; die heute „hosianna“ und morgen „kreuzige ihn“ rufen. Die größte Unterstützung, welche wir denen geben können, die getreulich für uns und für das Heil der Welt arbeiten, besteht darin, daß wir in uns selber den Feind des falschen Denkens vernichten und einander lieben, wie Jesus geboten hat.
Wenn wir unser Werk getreulich weiterführen, mehr von dem Christus, der Wahrheit zu erfassen suchen und den Blick beharrlich auf das Prinzip richten, dann wird sich die Erfahrung der Trompeter und Sänger bei der Einweihung des Tempels Salomos wiederholen, und alle werden Segen erlangen. Der vermittelnde Priester, der Glaube an geheiligte Materie als Zwischenmittel der Wahrheit und Liebe wird nicht mehr zwischen dem Menschen und seinem Gott, seinem Guten stehen, sei es, um die Körperlichkeit zu verherrlichen, sei es, um die Erkenntnis der Gegenwart des heilenden Christus zu verhindern, denn die Strahlen der Erkenntnis der allgegenwärtigen göttlichen Liebe wird das Haus Gottes erfüllen, und das Ende von Sünde, Krankheit und Tod wird bedeutend näher gerückt sein.
Zum Trost all seiner gehorsamen Nachfolger offenbarte Jesus den Schutz, den seine eigene Arbeit für den Christus gewährt. Er sagte: „Wer diese meine Rede hört und tut sie, den vergleiche ich einem klugen Mann, der sein Haus auf einen Felsen baute. Da nun ein Platzregen fiel und ein Gewässer kam und wehten die Winde und stießen an das Haus, fiel es doch nicht; denn es war auf einen Felsen gegründet.“