Die protestantische Kirche hat die Lehre der persönlichen Verantwortung immer in den Vordergrund gestellt. Der Grund dafür ist offensichtlich: Der Protestant weigert sich je zuzugeben, daß irgend jemand, in irgendeiner Weise, die Verantwortung der Gedanken und Handlungen seines Nächsten übernehmen könne. Mrs. Eddy machte es in den ersten Tagen ihrer Wirksamkeit ganz klar, daß sie mit diesem Argument übereinstimme. Auf Seite 5 von „Christian Healing“ (Christliches Heilen) schreibt sie: „Diese Wahrheit lautet, daß wir unsere Seligkeit selber schaffen und die Verantwortung für unsere Gedanken und Handlungen selber tragen müssen, und uns nicht darauf verlassen dürfen die Person Gottes oder die Person des Menschen werde unsere Arbeit für uns verrichten, sondern einsehen, daß es gemäß der Regel des Apostels geschehen muß, der sagt: ich ,will ... dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken.'“ Dessenungeachtet ist die Welt voller Nachkommen des Usa, welche immer bereit sind die Lade zu stützen und aus dem Schicksal ihrer Vorfahren gar nichts lernen. Diese Usariter sind sich nicht genügend bewußt wie gering ihr eigener Halt an der Wahrheit ist, um nicht den Einflüsterungen geistiger Selbstgefälligkeit zum Opfer zu fallen, und sie können die Tatsache, vor der Jesus sie warnte, daß sie „blinde Blindenleiter“ seien, und „wenn aber ein Blinder den andern leitet, so fallen sie beide in die Grube,“ gar nicht verstehen.
Seine eigene Seligkeit zu schaffen verlangt alle Zeit, Hingebung, und Energie eines Menschen. Wenn er darum weise ist, will er seine Geistigkeit eher nach seiner Fähigkeit Krankheit und Sünde zu heilen bemessen, als nach seinem Erfolg seine Nächsten von seiner Meinung zu überzeugen. Andere zur Annahme solcher Anschauungen zu veranlassen muß auf ganz andere Weise bewerkstelligt werden. Für's erste sollst du so dem Prinzip gemäß leben, daß deine Anschauungen aufhören Anschauungen zu sein und statt dessen das Prinzip wiederspiegelt wird und dann Wahrheit so klar und emphatisch zum Ausdruck kommt, daß deine Worte überzeugend wirken. Dann mußt du nicht mit den Leuten argumentieren damit sie deine Ansicht annehmen; deine Worte werden sie von der Wahrheit überzeugen und da sie mit dir eins sind in einem Verständnis des Prinzips, werden sie sicher mit dir zusammenwirken. So wirst du von der Verantwortung befreit, und von dem Los, deines Nächsten Lade stützen zu müssen, erlöst werden. Doch bist du dadurch, daß du so dem Prinzip gemäß lebst, daß Wahrheit wiederspiegelt wird, deiner Verantwortung gegenüber dem Prinzip nachgekommen. Ein solches Verhalten illustriert den Unterschied zwischen Usa und Christus Jesus, zwischen der Mentalität die sich mit kleinlichen Dingen beschäftigt und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken sucht und der Mentalität, die den Schutz, welchen der „Schirm des Höchsten“ bietet, verstand, und von der Macht der Wahrheit so überzeugt war, um sagen zu können: „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.“
Das alles zeigt, in interessanter und merkwürdiger Weise, die feine Schattierung der Worte, und die außergewöhnliche Schwierigkeit geistige Wahrheiten in menschlicher Sprache auszudrücken. Es gibt also eine persönliche Verantwortung, und doch gibt es eigentlich keine persönliche Verantwortung. Selbst dem Prinzip gemäß leben, und eine Verantwortung das für unsere Nachbarn zu werden, was Christus Jesus verlangte, als er sagte: „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind;“ ist die sehr wichtige, persönliche Verantwortung. Hier aber endet des Menschen persönliche Verantwortung sich selbst zum Segen anderer zu heiligen um ihnen Christus zu offenbaren, wie es Jesus gebot. Wenn sie weiter geht und versucht einen Nachbarn zu einem gewissen Weg zu veranlassen; wenn sie mit ihm argumentiert, ihn durch Schmeicheleien täuscht oder ihm droht, und all das, weil sie sich einbildet, sie wisse, was für ihn gut sei, dann hat sie sich in Usas Gewand gekleidet und wird, in gewissem Grade, von Usas Strafe heimgesucht. „Ehrlichkeit,“ schreibt Mrs. Eddy auf Seite 453 von Wissenschaft und Gesundheit, „ist geistige Kraft. Unehrlichkeit ist menschliche Schwachheit, welche die göttliche Hilfe verwirkt.“ Es ist unehrlich anderen, aus persönlichen Beweggründen, seine Meinung aufzudrängen, wenn diese Meinungen auch scheinbar richtig sind; denn wir sollten die Geduld wirken lassen „bis ans Ende.“ Weiser als solche sang der Psalmist: „Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin.“
Der Kampf ehrlich zu sein, stellt die größten Forderungen an den Menschen. Da gibt es keinen Zweifel seiner eigenen Verantwortung. Es ist nutzlos sein Gewissen mit der Behauptung: er tue sein Bestes, zu beschwichtigen suchen, solange er überall dem Augenschein der Sinne nachgibt und sich dadurch unfähig macht sein Bestes zu tun. In einem solchen Fall kann ihm sein Bestes nur den Lohn der Unwissenheit bringen, gerade wie der Mathematiker, wie gut seine Absichten auch sein mögen, die Probe seiner Bemühungen in seinem Gehorsam zum Einmaleins findet. „Die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.“ In diesen Worten hat Dr. Johnson eines der alten Sprichworte wiedergegeben. Fromme Vorsätze haben, wie er andeutete, wenig Wert; und in der Christian Science, wo man in der einen Hand den Maßstab des Prinzips hält und in der anderen das Probierglas der Demonstration, sind sie noch weniger wert. Gewiß schrieb Mrs. Eddy aus diesem Grunde auf Seite 42 vom Kirchenhandbuch, unter dem Titel „Pflichttreue“: „Es ist die Pflicht eines jeden Mitglieds dieser Kirche, sich täglich gegen aggressive mentale Suggestion zu schützen und sich nicht verleiten zu lassen, seine Pflicht gegen Gott, gegen seine Führerin und gegen die Menschheit zu vergessen oder zu versäumen. Nach seinen Werken wird er gerichtet, und zwar gerechtfertigt oder verdammt.“
Um, in dem Verlangen geistiger Verantwortung gehorsam zu sein, den Fallgruben dessen, was menschlich als Verantwortung angesehen wird, auszuweichen, muß der Mensch natürlich den Maßstab des Prinzips und das Probierglas der Demonstration anwenden. Wenn er das tut findet er, daß es gar keinen Unterschied macht, was das Problem auch sei, das ihm, durch seine Bemühungen die Theorie und die Betätigung des wissenschaftlichen Christentums zu erreichen, jederzeit entgegengestellt wird. Glücklicherweise ist das Problem das denkbar Einfachste. Die Schwierigkeit liegt nicht darin zu verstehen was notwendig ist, aber in dessen Ausübung. Paulus hat das schon vor Jahrhunderten erkannt und schrieb an die Kirche in Rom: „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ Es ist immer dieselbe Geschichte vom Fleisch das wider den Geist gelüstet.
