Viel ist über Platz gedacht und gedacht und geredet worden und viel wird noch darüber gedacht und geredet. Jeder möchte gern wissen, wo sein rechter Platz ist und wie er ihn ausfüllen kann. Vieles im Ringen der Menschen kommt von ihrer offenkundigen Unfähigkeit zu wissen, wohin jeder einzelne gehört. In der Tat hängt Zufriedenheit oder Unzufriedenheit anscheinend oft in großem Maße von Platz ab, und die Menschheit hat angenommen, daß ihr Glück oder Unglück durch die Zahl und die Art der Plätze, die auszufüllen sind, bestimmt worden ist, und davon, ob sie richtig verteilt worden sind oder nicht. Dieser Glaube scheint nahezu so allgemein zu sein, daß wir heute unzählige Menschen klagen hören, es gebe keinen Platz für sie; während viele andere sich aufreiben, weil sie an Plätze sind, die ihnen nicht gefallen; oder noch andere rennen umher, um Plätze zu finden, von denen sie hoffen, daß sie ihrem Wunsch mehr entsprechen.
Tatsache ist, es gibt für jeden nur einen rechten Platz, und das ist der Platz „unter dem Schirm des Höchsten”. Erst wenn man durch die Lehre der Christlichen Wissenschaft verstehen lernt, sich selbst in Gott, dem göttlichen Gemüt, zu finden, umgeben von den Ideen dieses Gemüts, kann man überhaupt wissen und sich beweisen, daß man auf seinem rechten und angemessenen Platz ist.
Nun hat jeder einzelne in erster Linie sich im Innersten seines Herzens dafür zu entscheiden, daß dieser Platz „unter dem Schirm des Höchsten” der einzig wirklich wünschenswerte Aufenthalt ist. Wie könnte es anders sein, da wir doch darin alles, was gut ist, alles, was wahr ist, alles, was erhaben und befriedigend ist, finden. Es ist ein großer Platz, weil er die Unendlichkeit umfaßt; es ist ein guter Platz, weil es nichts darin gibt, „das da Greuel tut und Lüge”; es ist ein schöner Platz, weil darin alle vollkommenen Kundwerdungen der ganzen Wissenschaft und Kunst zu finden sind; es ist ein interessanter Platz, weil darin die unendliche Intelligenz zum Ausdruck kommt; es ist ein sicherer Platz, weil die göttliche Liebe darin regiert; es ist ein Platz befriedigender Kameradschaft, weil alle Söhne und Töchter Gottes darin leben.
Trotz aller Wunder und alles göttlich Anziehenden, das dieser Platz „unter dem Schirm des Höchsten” bietet, werden die Christlichen Wissenschafter doch noch zuweilen versucht, über Platz von einem rein menschlichen Standpunkt aus nachzudenken und sich zu fragen, ob sie auf einem andern Platz als auf dem, den sie jetzt einnehmen, bessere Arbeit für die Bewegung tun, selbst raschere Fortschritte machen oder wenigstens in einer angenehmeren Umgebung leben könnten.
Wenn ein Christlicher Wissenschafter so von der Versuchung bestürmt wird, zu glauben, daß sein Erfolg und sein Wohlergehen von menschlichen Umständen und Umgebungen beschränkt oder gehindert werden, so würde er gut tun, eingedenk zu sein, daß er, wo er auch sei oder wohin er auch gehe, menschlich gesprochen, stets sich selbst mit sich nimmt. Und es ist sicher, daß die gleichen Charakterzüge und Neigungen, die ihn an einem Ort peinigen und ihm Schwierigkeiten verursachen, ihn an jedem Ort quälen und ihm Schwierigkeiten bereiten werden, bis diese Eigenschaften und Neigungen in seinem Denken aufgedeckt, zurechtgewiesen und zerstört sind.
Jeder Christliche Wissenschafter weiß nun, wenigstens theoretisch, daß dieser Platz „unter dem Schirm des Höchsten”, dieser Platz im göttlichen Gemüt, eine mentale Wohnung ist, und daß er daher nur mental erkannt werden kann,—daß er durchaus nichts mit der Materie zu tun hat. Er weiß auch, daß es, weil dies wahr ist, von ihm und nur von ihm abhängt, ob er an diesem heiligen Platz bleibt oder abseits einsam und elend umherwandert. Er weiß auch, daß er durch die Prüfung seiner Gedanken stets erkennt, ob er umherwandert. Selbst eine geringe Kenntnis der geistigen Wahrheit wird ihm zeigen, ob sein Leben „verborgen mit Christo in Gott”—geborgen in der schützenden Fürsorge der heiligen Gedanken des göttlichen Gemüts—ist, oder ob er seinem Denken erlaubt, auf die Abwege des persönlichen Sinnes abzuirren, wo Eigenwille, Selbstliebe, Selbstgerechtigkeit die Zufriedenheit in der Materie und ihren trügerischen Täuschungen verteidigen.
Der einzig rechte Platz ist daher dieser Platz „unter dem Schirm des Höchsten”, wo keine selbstische Absicht wohnen kann, weil hier die göttliche Liebe allerhaben regiert. Hier gibt es keine Furcht, denn es ist Raum für alle vorhanden,—es gibt hier genug des Guten für alle! Dies ist der rechte Platz, wo schließlich alle in seliger Harmonie leben müssen. Daher wollen wir als Christliche Wissenschafter alle von nun an uns weigern, an einem andern Ort zu wohnen! Wie unsere geliebte Führerin uns sagt (Pulpit and Press, S. 3): „Unsere Sicherheit beruht auf der Zuversicht, daß wir tatsächlich in Wahrheit und Liebe, des Menschen ewiger Wohnstätte, weilen”.
