Außerhalb der Christlichen Wissenschaft gibt es keine befriedigende Erklärung der Mittlerschaft Christi Jesu. Die Kirchenlehre, daß Christus Jesus Gott war, daß Gott selbst eine menschliche Gestalt annahm und als Gott in dem demütigen Nazarener Fleisch wurde, kann die Vernunftprobe nicht bestehen, da sie bedeutet, daß das Unendlich endlich werden könnte. Die andere Lehre, daß Gott Fleisch werden mußte, damit durch das stellvertretende Opfer Christi Jesu zwischen Ihm und der Menschheit eine Versöhnung stattfinden könnte, ist auch ohne Vernünftigkeit, da sie in sich schließt, daß Gott, das unendlich Gute, das Böse kenne, und daß der Glaube an das Böse in einer andern Weise als durch seine Zerstörung im menschlichen Bewußtsein gesühnt werden könnte. Derartige Anschauungen werden in der Christlichen Wissenschaft in ganz befriedigender Weise behandelt. Es gibt in dieser Wissenschaft für keinen Grad von Unvernünftigkeit irgend welchen Raum. Eine Kirchenlehre oder eine Anschauung mag noch so altehrwürdig sein,—wenn sie mit der absoluten Wahrheit über Gott und Seine geistige Schöpfung nicht vollständig übereinstimmt, kann sie nicht als Teil des religiösen Glaubens bestehen bleiben.
Nun gibt es aber einen sehr wahren Sinn, in dem Christus Jesus der Mittler zwischen Gott und den Menschen ist, gemäß den Worten des Paulus an Timotheus: „Es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus”. Der Apostel unterscheidet hier klar zwischen Gott und Christus Jesus, dem Mittler „zwischen Gott und den Menschen”. Und es wäre gut, sich ein klares Verständnis von Gott und von dem Menschen und auch von dem, was wir „Menschen” nennen, zu verschaffen, ehe man versucht, die Mittlerschaft Christi Jesu zu erklären. Weil dies nicht geschehen ist, weil die Menschheit unklare und irrige Annahmen über Gott und den Menschen hatte, sind lauter falsche Vorstellungen über Christus Jesus als Mittler zwischen Gott und den Menschen mit ihren ernsten Folgen für den geistigen Fortschritt entstanden.
Gott muß also als das eine vollkommene, geistige Wesen, das ganz und gar gut ist, verstanden werden. Seine Schöpfung, einschließlich des individuellen Menschen, ist das Weltall geistiger Ideen. Da der Schöpfer vollkommen ist, ist die Schöpfung ebenfalls vollkommen. Der Mensch, der wirkliche geistige Mensch der Schöpfung oder der Erkenntnis Gottes, ist also vollkommen und bedarf daher keiner Versöhnung mit Gott. Um es etwas anders auszudrücken: der Mensch, die Idee Gottes, ist immer eins mit Gott. Folglich ist es eine vollendete Unmöglichkeit, daß zwischen Gott und dem Menschen je eine Trennung stattfindet. Kein Mittler ist daher für den wirklichen oder geistigen Menschen nötig, um ihn mit Gott zu versöhnen.
Bitte anmelden, um diese Seite anzuzeigen
Sie erlangen vollständigen Zugriff auf alle Herolde, wenn Sie mithilfe Ihres Abonnements auf die Druckausgabe des Herold ein Konto aktivieren oder wenn Sie ein Abonnement auf JSH-Online abschließen.