Die Erforscher der Christlichen Wissenschaft lernen zwischen wahren und falschen Ideen unterscheiden, das heißt zwischen den Ideen, die im göttlichen Gemüt ihren Ursprung haben, und den Vorstellungen, deren scheinbare Quelle das sterbliche oder menschliche Gemüt ist. In gleicher Weise lernen die Erforscher der Christlichen Wissenschaft zwischen den Gedanken, die als intuitiv, das heißt als instinktiv und natürlich erkannt werden, und den Schlußfolgerungen, zu denen man durch den Vorgang des materiellen Überlegens gelangt, unterscheiden. Da die wahre Intuition nur mit dem zu tun hat, was aus dem göttlichen Gemüt hervorgeht, so können wir durch sie das wissen, wovon die körperlichen Sinne keine Kenntnis nehmen; denn das sterbliche oder fleischliche Gemüt hat keine Kenntnis von der Wirklichkeit.
Die Nachahmung oder das sterbliche Gemüt beansprucht jedoch ebenfalls die Fähigkeit, die Sterblichen durch dieselben Vorgänge, das heißt sowohl durch intuitives oder natürliches Wissen als auch durch Vernunft und durch die körperlichen Sinne, zu unterrichten. Man wird aber, da wahre Intuition ein geistiger Vorgang—geistiges Bewußtsein—ist, sehen, daß ihre Nachahmung, die sogenannte Intuition, sich nur auf die Annahmen eines menschlichen oder sterblichen Gemüts bezieht und vielleicht nur dazu dient, den ausgesprochenen Materialisten noch mehr zu verwirren. Die göttliche Intuition ist dagegen das „stille, sanfte Sausen”, durch das der Wille Gottes den Menschen zu erkennen gegeben wird. Ihre sanften Ermahnungen zu empfangen, ist eine köstliche Erfahrung, durch deren ausdauernde Pflege die Menschen sich beständig unter die Führung der Gebote des Vaters stellen. Mrs. Eddy nennt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 174) die Ideen, die durch Intuition zu uns kommen, „die Engel Seiner Gegenwart, die geistigen Intuitionen, die uns sagen, wenn, die Nacht ... vorgerückt, der Tag ... nahe herbeikommen‘ ist—diese Engel sind unsre Hüter in dem Dunkel”. Wie wichtig ist es also, daß wir das Denken offen behalten für diese Engel-Besucher, die das Bewußtsein behüten und stets erreichbar sind, uns zu führen und zu leiten, wenn immer wir bereit sind, die Botschaft der göttlichen Liebe zu empfangen.
Die Fähigkeit, diese geistige Führung zu empfangen, kann dadurch, daß man Gebrauch von ihr macht, bis zu einem außergewöhnlich hohen Grad entwickelt werden. Demut, Sanftmut, Geduld, williger Gehorsam, Selbstaufopferung und ein tiefes Verlangen, den Willen Gottes zu kennen und zu tun, sind wichtige Schritte in der Entfaltung des intuitiven Sinnes. Ohne diese Eigenschaften kann es in dieser Richtung keinen Fortschritt geben. Intuition in diesem Sinne hat durchaus nichts mit Mystizismus zu tun; denn die Ideen des göttlichen Gemüts, die man auf diese Art erhält, sind sowohl bestimmt als auch faßbar, das heißt für den geistigen Sinn. Daß diese Ausflüsse des göttlichen Gemüts von den materiellen Sinnen nicht erkannt werden, widerlegt keineswegs ihre Wesenheit. Da Wahrheit die einzige Substanz ist, so ist ihr Ausdruck in geistigen Ideen die wahre Kundwerdung der Substanz.
Außerdem macht die Christliche Wissenschaft klar, daß das göttliche Gemüt die Quelle aller rechten Ideen ist, und daß Gemüt sich in dem geistigen Menschen ausdrückt, da der Mensch die Idee des Gemüts ist. Was für rechte Ideen also auch immer im menschlichen Bewußtsein erscheinen, haben ihren Ursprung im göttlichen Gemüt; und derjenige Zustand des sogenannten menschlichen Bewußtseins ist intuitiv empfänglich, der, volkstümlich gesprochen, „stillsteht, um sich blickt und horcht”. Er steht still, das heißt, er hört auf, sich dem Sinnenzeugnis und den Ansprüchen des sterblichen Gemüts zu ergeben; er weigert sich, die materielle Wahrnehmung als wirklich zu betrachten, sondern blickt lieber in das göttliche Gemüt, die Quelle aller Wirklichkeit; und er horcht auf das „stille, sanfte Sausen” mit einem Ohr, das auf die göttliche Harmonie eingestimmt ist. Das sind die Vorgänge, durch die die geistige Intuition angewandt und entwickelt wird, bis man vollständig unter die göttliche Führung kommt, ganz der schützenden Fürsorge Gottes versichert ist.
Unsere Führerin teilt uns mit, daß jene geistig gesinnten Männer, die ehrwürdigen Alten, so bewußt mit Gott wie mit dem Menschen redeten. Wie oft hören wir einen Arbeiter in der Wahrheit sagen: „Ich weiß nicht, wie mir diese Auskunft kam, oder wie ich zu diesem Schluß gelangte; aber ich weiß es”. Mrs. Eddy erklärt es auf Seite 84 und 85 von „Wissenschaft und Gesundheit” vollständig. Unter der Randüberschrift: „Wissenschaftliches Vorherwissen” sagt sie, daß der Forscher, der sich in die Christliche Wissenschaft gründlich vertieft und sie richtig in sich aufnimmt, „die Wahrheit genauer erkennen, als der Astronom die Sterne lesen oder eine Finsternis berechnen kann”. Der Vorgang durch den dieses Wissen erreichbar wird, ist das Entwickeln der geistigen Sinne. Über die Anwendung so erlangter Ideen fügt unsere Führerin weiter hinzu: „Solche Eingebungen enthüllen alles das, was die Harmonie ausmacht und sie ewig erhält; sie befähigen uns, Gutes zu tun, aber nicht Böses”.
Jesus wies die materiell Gesinnten wiederholt zurecht, die aus Mangel an geistigem Fassungsvermögen seine Worte nicht hören, die geistige Wahrheit, die er entfaltete, nicht begreifen oder durch geistige Eingebung die Botschaften, die die göttliche Liebe beständig durch ihre vollkommenen Ideen aussendet, nicht erlangen konnten. Die Sadduzäer, die nach materiellen Erkennungszeichen seiner messianischen Bestimmung suchten, werden von Jesus, dem intuitivsten aller Menschen, mit folgenden Worten zurechtgewiesen: „Ihr Heuchler! über des Himmels Gestalt könnt ihr urteilen; könnt ihr denn nicht auch über die Zeichen dieser Zeit urteilen?” So tief steckten diese anmaßenden Quäler des Meisters in dem Sumpf der Materialität daß ihre Ohren ganz taub waren gegen das „stille, sanfte Sausen” der Wahrheit, die sie von ihrem Sinn des Beladenseins und der Knechtschaft befreit haben würde, wenn sie sie gehört und sorgfältig beachtet hätten. Mit einer lieblichen Ausdrucksweise legt unsere Führerin in „Wissenschaft und Gesundheit” (S. 581) „Engel” als „geistige Eingebungen, die rein und vollkommen sind”, aus. Sollen wir nicht bestrebt sein, unsere Gedankenwohnungen in Ordnung zu bringen, damit diese „reinen und vollkommenen” Ideen herzlich darin willkommen geheißen und die schützenden und leitenden Beweggründe unseres Daseins werden? Diese rechten intuitiven Ideen in sich wohnen lassen heißt wissenschaftliches, rechtes Denken begründen, daß die Menschen zur Gesundheit und Heiligkeit, ja, zum ewigen Leben führt. Der Weg ist frei, und wer weise ist, wandelt darauf!