Nicht selten hält der Christliche Wissenschafter inne und fragt sich, was das Wort „Gesinnungstreue” bedeute. Dies ist gut; denn klare Begriffe von Gesinnungszuständen sind in hohem Maße wünschenswert, da sie zur Bestimmung rechten Benehmens wertvoll sind. Mrs. Eddy hatte keinen Zweifel über die Bedeutung von Gesinnungstreue, wie sie auf Christliche Wissenschafter angewandt wird. In „Retrospection and Introspection” (S. 50) schreibt sie: „Mit Gesinnungstreue bei Schülern meine ich:— Gottergebenheit, Unterwerfung des Menschlichen unter das Göttliche, unwandelbare Gerechtigkeit und strenges Festhalten an der göttlichen Wahrheit und Liebe”. Nie wurde ein Wort, das jeder echte Christliche Wissenschafter freudig ehrt, besser erklärt.
Es liegt auf der Hand, daß nach der soeben beschriebenen Art das erste Erfordernis, um gesinnungstreu zu sein, Gotteserkenntnis ist. Wie könnte man anders seine Gottergebenheit bekunden? Hier steht der Christliche Wissenschafter auf festem Boden. Die Christliche Wissenschaft hat ihm das wahre Wesen Gottes geoffenbart. Sie hat ihm gezeigt, daß Gott als die Liebe, das Leben, die Wahrheit und das Gute unendlich ist. Mit andern Worten, sie hat ihm die Wahrheit geoffenbart, daß Gott ganz anbetungswürdig ist. Und ist er einmal von der Vollkommenheit Gottes überzeugt, so erkennt er das Böse als unwirklich. Dann versteht er, daß der Weg der Erlösung für alle Menschen ihre Fähigkeit ist, durch geistiges Verständnis zwischen gut und böse — dem Wirklichen und dem Unwirklichen — zu unterscheiden und das Böse oder das Unwirkliche abzulegen. Denkt der Schüler so über Gott nach, so ist er befriedigt, und Gesinnungstreue ist die Folge.
Wie leicht es doch ist, gegen Gott gesinnungstreu zu sein, wenn Er richtig verstanden wird! Wie leicht auch, mit diesem Verständnis unser Gesinnungstreue weiter dadurch auszuüben, daß wir das Menschliche vom Göttlichen unterscheiden und jenes diesem unterwerfen! Und wie weitreichend diese Stufe der Gesinnungstreue ist! Im alltäglichen Leben treten beständig Aufgaben an einen heran, deren Lösung von der Fähigkeit abhängt, zwischen dem Göttlichen und dem sogenannten Menschlichen zu unterscheiden. Jede Form des Leidens ist eine menschliche Erfahrung, keine göttliche Tatsache. Um von Leiden — d.h. vom falschen Glauben an Leiden, denn Leiden ist nie wirklich, weil es Gott unbekannt ist — befreit zu werden, muß man die göttliche Tatsache des einmütigen Zustandes des Menschen als der vollkommenen Idee Gottes erkennen. Und das Ergebnis — das Überwinden des Leidens — ist der Lohn der Gesinnungstreue gegen Gott.
Was für ein herrliches Licht das Verständnis, das die Christliche Wissenschaft von Gott gibt, doch auf die Frage der Gerechtigkeit wirft! Mit diesem Verständnis ausgerüstet, hält man nur noch Gerechtigkeit in Gottes Reich oder Schöpfung für möglich. Da die vollkommene Liebe das göttliche Prinzip ist, steht jede Idee Gottes unter göttlicher Herrschaft, die unbedingt gerecht ist; und vollkommene Gerechtigkeit herrscht auch zwischen allen Ideen in Gottes Weltall. Gesinnungstreue gegen Gott fordert daher, daß der Christliche Wissenschafter den falschen Sinn von Gerechtigkeit vollständig leugne, was vielleicht nicht so einfach ist, wenn für den sterblichen Sinn die Menschen nicht der goldenen Regel gemäß leben. Ja, aber die Christliche Wissenschaft hört nie auf, unsere Gesinnungstreue zu erproben!
Strenges Festhalten an der Wahrheit und an der Liebe umfaßt alles, was Gesinnungstreue in sich schließt. Wenn wir über das Wort nachdenken, richtet sich unser Denken unwillkürlich auf Christus Jesus, auf den, dessen Gesinnungstreue die Christen nie bezweifeln. Und was für einen Lohn seine Gesinnungstreue ihm brachte:— Kraft, jede Art von Krankheit zu heilen, Kraft, Sünde zu zerstören, Kraft, jedes sogenannte körperliche Gesetz aufzuheben, Kraft, die Toten zu erwecken! Gehorsam, unerschütterliche Ergebenheit gegen die geistige Wahrheit,— Gesinnungstreue,— gab ihm den Sieg und die Krone.
In ihrem Buche „Retrospection and Introspection” (S. 85) schreibt Mrs. Eddy auch: „Der gesinnungstreue Christlche Wissenschafter ist ebenso unfähig, die Ausübung des Gemüts-Heilens zu mißbrauchen wie auf einer körperlichen Grundlage zu heilen”. Wahrlich, ein guter, sicherer Prüfstein der Gesinnungstreue! Was würde man aber von einem, der sich Christlichen Wissenschafter nennt, denken, wenn er sich für berechtigt hielte, beim Heilen körperliche Mittel anzuwenden, indem er glaubt, Gott, der der Geist ist, bedürfe beim Zerstören menschlicher Trugvorstellungen körperlicher Mittel? Das Liebevollste wäre, das verkehrte Ausüben als Folge eines Mangels an geistigen Verständnis anzusehen; denn niemand, der die Allheit Gottes, des Geistes, mehr als nur schwach versteht und sein Verständnis beim Heilen von Krankheit und beim Zerstören von Sünde bewiesen hat, kann das Zurückgreifen auf das Körperliche, um das geistige Verständnis beim Heilen zu unterstützen, im Ernste für notwendig halten.
Gesinnungstreue ist eines der schönsten Wörter im Wörterschatze des Christlichen Wissenschafters. Mrs. Eddy hat es für ihn dazu gemacht. Wegen dieser Tatsache geschieht etwas ganz Natürliches,— er hat vor jeder Ermahnung, die sie als seine Führerin ihm in ihren Schriften hinterlassen hat, große Achtung, und diese Achtung verwandelt sich in Glaubenstreue gegen die Bewegung der Christlichen Wissenschaft, die sie gründete und durch die Regeln und Satzungen des Kirchenhandbuchs auf einer anwendbaren Grundlage ins Leben rief. Mögen wir nie vergessen, was die Christliche Wissenschaft körperlich, sittlich, geistig für uns getan hat — die Gewißheit des ewigen Lebens, die bessere Gesundheit, den ruhigeren Mut, den geistigeren Ausblick, die sie uns gegeben hat! Und möge unsere Gesinnungstreue unsere Dankbarkeit ausdrücken! „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark!”
