Eine der scheinbaren Schwierigkeiten des Neulings in der Christlichen Wissenschaft ist die Erkenntnis, daß die Gesetze Gottes auf seinen besonderen Fall oder seine besondere Aufgabe anwendbar sind. Dies erklärt sich gewöhnlich daraus, daß er gelehrt worden ist, er sei von Gott getrennt und er könne ganz nach seinem Belieben, selbst auf eine Art handeln, die sogar dem widerspricht, was er für den Willen Gottes halten mag,— mit einem Worte, der Adamtraum des Daseins ist als wirklich angesehen worden. In dem Maße, wie der Neuling mit seinem Eindringen in die Christliche Wissenschaft Fortschritte macht und einige der darin enthaltenen Wahrheiten erfaßt, kommt es ihm dann vielleicht nach und nach zum Bewußtsein, daß Gott nichts vom Sinnlichen weiß, und er grübelt darüber nach, wie Gott ihm denn helfen könne, wenn Er doch nichts vom Sinnlichen und dessen Widerwärtigkeiten wisse. In „No and Yes” (S. 30) hat unsere geliebte Führerin Mary Baker Eddy geschrieben: „Er [Gott] braucht das Böse, das Er zerstört, ebensowenig zu kennen wie der Gesetzgeber den Verbrecher, der nach dem erlassenen Gesetz bestraft wird”.
Eine Erklärung von „Gesetz” lautet: „Eine der Anordnungen ..., wodurch eine Sache oder ein Verfahren geregelt wird”. Dies zeigt, daß das Gesetz alles lenkt und regelt, was unter seine Rechtsgewalt kommt, weil es für bestimmt und entscheidend gehalten wird. Ob man es weiß oder nicht, es gibt dennoch einen rechten Weg, eine Regel oder ein Gesetz, das jeden Zustand regiert, und das, wenn richtig angewandt, von brauchbarem Wert und Nutzen wird. Es handle sich z.B. um die Rechenregel, daß zwei und zwei vier ist! Hier haben wir eine Tatsache, eine Regel oder ein Gesetz, und zwar eine Regel oder ein Gesetz, das nicht von gewissen Zuständen abhängig ist. Es ist unmöglich, es zu ändern, wenn man es auch noch so gern möchte; und menschliche Meinungen haben keinen Einfluß darauf. Dem Rechner ist es ganz gleich, ob er es mit Kartoffeln oder Äpfeln zu tun hat; denn er weiß, daß das Gesetz in jedem Falle anwendbar ist.
So müssen wir, wenn sich uns bei unserem Eindringen in die Christliche Wissenschaft die Wahrheiten über den im Bilde Gottes erfundenen Menschen zu entfalten beginnen, diese auf jeden zu berichtigenden Zustand anwenden. Eine Erklärung des Wortes „anwenden” heißt „befestigen, anheften”. In dem Verhältnis, wie wir die geistigen Tatsachen hinsichtlich unseres wahren Selbst durch die Erkenntnis ihrer Wahrheit an unseren eigenen Aufgaben befestigen, daran heften oder darauf anwenden, finden wir das Gute, das Gott immer für uns bereit hat. Würde man neben eine große Geldsumme gesetzt, deren Eigentümer man nicht kennt, so würde sie einem nichts nützen, auch würde man keinen Vorteil daraus ziehen. Wohl könnte man sich daran ergötzen; aber sie würde von keinem anwendbaren Werte für einen sein. Würde man aber plötzlich gewahr werden, daß sie einem gehöre, so würde sie in diesem Augenblick von Nutzen werden.
Folgendes ist die Wirkung der Christlichen Wissenschaft: sie enthüllt, was über den im Bilde Gottes erfundenen Menschen stets wahr war, jetzt wahr ist und immer wahr sein wird. Wir haben einfach die Wahrheit nicht gewußt oder sie nicht beansprucht. Wenn wir also über große geistige Tatsachen nachdenken, so laßt uns wissen, daß sie wahr sind, und daß Annahmen des Schmerzes oder der Sünde sagenhaft sind; denn das Böse ist nie wirklich. Ist dagegen die geistige Tatsache in einem Falle wahr, so ist sie es in jedem Falle, und ist sie in jedem Falle wahr, so ist der falsche Ausspruch nie, also auch jetzt nicht, wahr. Meinte dies nicht Jesus, als er sagte: „[Ihr] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen”? Und was ist die Wahrheit, die uns freimachen wird? Ist sie nicht, daß wir nun Gottes Kinder sind? Ist die Erkenntnis dieser Wahrheit über unser wahres Selbst nicht rechte Anwendung? Scheint es schwierig zu behaupten oder anzuwenden, oder scheint man davor als einer Pflicht zurückzuschrecken, so tut man gut, über die Worte unserer verehrten Führerin in „Retrospection and Introspection” (S. 94) nachzudenken: „Irgendwann und irgendwie muß der Schluß gezogen werden, daß alles, was wahr scheint und dennoch der göttlichen Wissenschaft widerspricht, ... falsch sein muß und falsch ist”.
In der allgemein geliebten Stelle: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder; und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reinigt sich, gleichwie er auch rein ist”, hat der geliebte Jünger Johannes die große Tatsache erklärt. Auch hat er gezeigt, wie wir sie durch Reinigung — durch Reinigen unseres Denkens von jedem falschen und sündhaften Glauben — anwenden können. In dem Maße, wie man die Wahrheit tatsächlich anwendet und sein Denken über sich selber reinigt, wird man auch sein Denken über seinen Mitmenschen ganz natürlich und unwillkürlich anwenden und reinigen. Und wenn auch langsam, so wird sich einem dennoch sicher entfalten, daß „der Mensch das vornehmste Werk Gottes ist”.
