Eine Wahl in einer christlich-wissenschaftlichen Zweigkirche bietet jedem einzelnen und der Gesamtheit Gelegenheit, zu beweisen, daß es nur ein göttliches Gemüt gibt. Sie sollte eigentlich die äußere Kundwerdung der inneren Offenbarung des einzelnen durch die Gesamtheit sein. Zuweilen besteht unter Mitgliedern die Neigung, vor einer Wahl über Personen zu sprechen, was dazu führen kann, daß Einflüsterung an die Stelle von Beweisführung tritt. Dies erinnert an das Halten der Bundeslade und kann ein Vorgang genannt werden, der in irgend einer Form Furcht zum Ausdruck bringt: Furcht, daß der Ungeeignete mit dem Amt betraut werde; Furcht, daß unsere Mitmenschen ohne unsern Rat nicht richtig entscheiden können; Furcht, daß wir ohne den Rat unserer Mitmenschen nicht richtig entscheiden können u.s.w.— lauter Befürchtungen, die die wissenschaftliche Tatsache leugnen, daß der Mensch immer eins mit Gott ist. Solche Vorwände der Furcht, ob sie von innen oder von außen zu kommen scheinen, sollten als unpersönliche Ansprüche des Bösen erkannt werden, die einen des Rechtes berauben wollen, sein eigenes Einssein mit Gott zu beweisen.
Jedes Mitglied hat das Recht zu erkennen, daß es sein Vorrecht und seine Pflicht ist, bei einer Kirchenwahl einen von persönlicher Meinung unberührten und unbeeinflußten Beweis göttlicher Entfaltung zu erbringen. Jedes Mitglied einer christlich-wissenschaftlichen Kirche sollte genügend geistiges Verständnis dafür haben; und jeder weiß, daß Gott, das göttliche Gemüt, immer gegenwärtig ist, sein Denken zu lenken, wenn er demütig und aufrichtig ist.
Aber, kann man einwenden hören, da ist das neue Mitglied, das nicht in der Lage ist, einsichtsvoll zu wählen, weil es die Arbeiter nicht kennt. In gewissem Sinne mag dies zutreffen; aber ein Mitglied weiß, wie man betet. Könnte es sein Denken durch inniges Gebet nicht so auf die Sitzung vorbereiten, daß es geführt wird, einsichtsvoll zu wählen? Hat Christus Jesus nicht gesagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen”? Warum sollte man zweifeln, wenn man seine Arbeit treulich getan hat, daß man noch während des Wahlvorgangs so geführt werde, daß man richtig wählt, selbst wenn man in die Sitzung käme, ohne sich entschieden zu haben, wen man wählen werde?
Andererseits kann man sagen: Warum soll man sich nicht an einen erfahreneren Arbeiter wenden, auf den man sich verlassen kann, daß er einem eine ehrliche und unpersönlich Auskunft gebe? Ohne Zweifel würden viele diese Hilfe unpersönlich und unparteiisch erteilen; aber dieses Verfahren ist mehr oder weniger gefährlich und öffnet der Machtherrschaft die Tür. Selbst unsere besten Arbeiter können Fehler machen. Warum sollte daher das neue Mitglied die Verantwortlichkeit seiner eigenen Entscheidungen nicht auf sich nehmen?
Der Mensch ist nicht begrenzt. Er ist immer mit dem einen Gemüt, Gott, unmittelbar verbunden. Unsere Führerin Mrs. Eddy sagt von dem unsterblichen Menschen (Miscellaneous Writings, S. 79): „Er kann aus der Brennweite der Unendlichkeit nicht heraustreten”. Er ist immer dort, wo Gott ihn sieht, und er bringt die göttliche Einsicht, die ihm durch unmittelbare Widerspiegelung eigen ist, immer zum Ausdruck. Das Recht jedes Mitglieds, für sich selber zu entscheiden, sollte nie verletzt werden. Man sollte dieses Recht vor Einmischung, sei es gedachte oder geäußerte, unverbrüchlich schützen. Auch sollte man ebenso eifrig darüber wachen, daß das eigene Denken nicht das heilige Gebiet der Beweisführung eines andern betrete. Hat man durch Gebet die denkbar beste Entscheidung getroffen, so kann man ruhig damit zur Sitzung gehen und danach handeln.
Dies heißt aber nicht unbedingt, daß man nach getroffener Entscheidung für diejenigen, die man für die verschiedenen Ämter am geeignetsten hält, seine Wahl nie ändern sollte. Man braucht keine Bedenken zu hegen, seine Wahl zu ändern; man muß sich nur dessen gewiß sein, daß das Prinzip und nicht die Person einen zu der Änderung veranlaßt. Mrs. Eddy sagt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 326): „Saulus von Tarsus erblickte den Weg — den Christus oder die Wahrheit — erst, als sein ungewisser Sinn für das Rechte einem geistigen Sinn gewichen war, der stets richtig ist”. Wenn man seine jeweils höchste Auffassung vom Rechten zur Sitzung mitbringt, kann diese Auffassung in eine noch höhere geändert werden, wenn man auf die göttliche Führung horcht und ihr folgt.
Wenn nach vollzogener Wahl die höchste Auffassung der Mehrheit zum Ausdruck gebracht ist, kann und sollte jedes Mitglied die Ämter und deren Inhaber liebevoll unterstützen, ungeachtet dessen, ob es diejenigen sind, für die der einzelne stimmte, oder nicht. Alle Mitglieder, die ernannt werden, Ämter in der christlich-wissenschaftlichen Bewegung zu bekleiden, haben ein Recht auf liebevolle Unterstützung, sofern sie sich ihr nicht als unwürdig erweisen — aber auch dann müssen die Ämter unterstützt und der Irrtum unpersönlich gemacht werden. Diejenigen, die gewählt sind, amtliche Stellen zu bekleiden, müssen eine große Verantwortung übernehmen, und was würden sie tun, wenn die anderen sie im Stiche ließen?
Lernen alle Kirchenmitglieder wegen Führung in Kirchenangelegenheiten sich unmittelbar an das göttliche Gemüt wenden, so werden sie aufbauende Arbeiter in unserer großen Sache werden. Gott wird nicht versäumen, denen, deren Denken durch Gebet auf die Offenbarung vorbereitet ist, Sein Vorhaben zu offenbaren. Unsere geliebte Führerin sagt (in dems. Buch, S. 506): „Geist, Gott, sammelt ungeformte Gedanken in ihre geeigneten Kanäle und entfaltet diese Gedanken, wie Er die Blütenblätter eines heiligen Vorsatzes öffnet, damit der Vorsatz erscheine”.
