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Vorherbestimmung

Aus der Juli 1929-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es ist noch gar nicht so lange her, daß viele sehr fromme Menschen wegen ihres Glaubens an die allgemein anerkannte Vorherbestimmungslehre von Furcht erfüllt waren. So sonderbar es auch klingen mag, man hielt es einerseits für göttliche Vorsehung, daß einige Menschen erlöst werden, während man es andererseits als göttlichen Ratschluß ansah, daß ungeheuer viele verloren sein sollten, und zwar nicht durch eigene Schuld. Von diesem Gesichtspunkte aus kann es nicht wundernehmen, daß über das eigene ewige Schicksal stets eine furchtbare Ungewißheit herrschte, obwohl die Heilige Schrift diese wichtige Frage durchaus nicht stillschweigend übergeht. Daß über geistige Tatsachen weltliche Lehren aufgestellt worden sind, ist belanglos; denn wenn die geistige Idee verstanden wird, werden sterbliche Annahmen um der Wahrheit willen aufgegeben.

Hier können wir daran denken, daß die Lehren und die mächtigen Werke Christi Jesu sogar Jahrtausende alte Annahmen in ihren Grundfesten erschütterten. Dennoch sagte er: „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen”. Die Christliche Wissenschaft ist eine Religion der Erfüllung, nicht ein bloßes Verlangen nach etwas Gutem, das man sich wünscht, sei es nun zeitlich oder ewig. Sie gibt uns die Gewißheit, daß die Verwirklichung alles Guten vom göttlichen Gesetz abhängt, und daß dieses Gesetz erkannt und befolgt werden muß. Über das, was für den Menschen göttlich vorgesehen ist, kann keine Ungewißheit bestehen. Dies bringt Mrs. Eddy mit dem, was sie auf Seite 579 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” über Abraham schreibt, wunderschön zum Ausdruck. Wir lesen dort: „Dieser Patriarch veranschaulichte den Vorsatz der Liebe, Vertrauen auf das Gute zu schaffen, und zeigte die lebenerhaltende Kraft geistigen Verständnisses”.

Es scheint sonderbar, daß über die Absicht Gottes hinsichtlich aller Seiner Kinder überhaupt je ein Zweifel hat bestehen können, heiße sie nun Vorherbestimmung oder sonst etwas. Paulus spricht in dem wunderbaren 8. Kapitel seines Briefes an die Römer von denen, die Gott „verordnet” hat, und er fängt seine Erklärung damit an, daß er sagt, daß „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind”. Dann fährt er fort und macht das Endziel der Vorherbestimmung mit folgenden Worten klar: „Denn welche er zuvor ersehen hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes”.

Wunderbare Worte, die nicht einen Schatten des Zweifels an dem Ziel und der Absicht der Vorherbestimmung lassen! Der Mensch als Gottes Idee ist geistig, er ist nie weniger als vollkommen; und die Christliche Wissenschaft besteht darauf, daß die Menschen in der Verwirklichung dieser Grundwahrheit solange keinen tatsächlichen Fortschritt machen, bis sie im Denken beharrlich daran festhalten und Beweggrund, Wort und Tat „dem Ebenbilde seines Sohnes” gleichgemacht haben. Gott hat Seinen eigenen Maßstab nie heruntergesetzt. Er ist immer noch derselbe wie einst, als Christus Jesus in der Bergpredigt sagte: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist”. Diese göttliche Forderung war an diejenigen gerichtet, die da glaubten, der Mensch sei gefallen und sein göttliches Erbe des Ebenbildes Gottes daher verlorengegangen. Daß die Menschen in einem hoffnungslosen Zustande bleiben sollten, auch wenn dieser Zustand offenbar schon jahrtausendelang gedauert hatte, stimmte mit der göttlichen Absicht nicht überein, und diejenigen, die Augen hatten, zu sehen, und Ohren, zu hören, und sich also der Forderungen der Wahrheit bewußt waren, machten andere auf ihr rechtmäßiges Erbe als Kinder Gottes aufmerksam. Zu diesem Zweck mußten sie alle weltlichen Erwägungen opfern und stets die göttliche Absicht vor Augen behalten, nämlich in ihrem Leben und in ihrer Erfahrung „die Schönheit der Heiligkeit” (engl. Bibel), die Stärke und Unsterblichkeit eines Kindes Gottes zum Ausdruck zu bringen.

Klagt der sterbliche Sinn, daß der geforderte Preis zu hoch sei, als daß die Menschen ihn bezahlen könnten? Dann laßt uns innehalten und über folgende Worte im 2. Kapitel des Briefes an die Hebräer nachdenken: „Denn es ziemte dem, um deswillen alle Dinge sind und durch den [Gott] alle Dinge sind, der da viel Kinder hat zur Herrlichkeit geführt, daß er den Herzog ihrer Seligkeit durch Leiden vollkommen machte”. Das Gold muß im Tiegel bewährt werden, bis alle Schlacken der Weltlichkeit aufgezehrt sind. Hier können wir daran denken, daß die drei Hebräer „in dem glühenden Ofen” keine Klage äußerten; denn das Feuer verzehrte nicht sie sondern ihre Bande. So wurden diese Männer von der unerbittlichen Kraft des Geistes in ein immerdar sich entfaltendes Verständnis der göttlichen Absicht hineingeführt.

Wer kann sagen, was die Wirkung auf die Gemütsart dieser Männer gewesen wäre, wenn sie in jener Entscheidungsstunde zwischen der Treue gegen Gott und einem willensschwachen Zugeständnis an den Gott dieser Welt mit seinen verlockenden Versprechungen von Ehren, Freuden, Stellung und Macht geschwankt hätten? Sogar im Feuerofen genügte ihnen die Freude über den geistigen Sieg, die Probe zu bestehen, und sie wird allen genügen, die an dem geistigen Vorbild entschlossen festhalten; denn die Sinnenwelt versinkt für diejenigen, die nur das Verlangen haben, Kinder Gottes zu sein.

Hier müssen wir uns klar bewußt bleiben, daß der geistige Sinn nie leidet. Der menschliche Sinn hält an einer weltlichen und persönlichen Beurteilung der Dinge fest und beklagt sich über das geistige Verlangen nach Fortschritt, ohne den Übereinstimmung mit dem göttlichen Bild und Gleichnis nicht verwirklicht werden kann. Der sterbliche Sinn möchte gern bei weltlichem Vergnügen oder persönlicher Abhängigkeit verweilen; aber die göttliche Absicht muß erfüllt werden, und die Zucht der Liebe ist nie hart oder streng. Die göttliche Absicht kann durch die niedrigen Ziele der Weltlichkeit nicht gehindert oder auch nur verzögert werden. Im 12. Kapitel des Briefes an die Hebräer werden wir dringend aufgefordert, vorwärts zu gehen, indem wir „aufsehen auf Jesum, ... welcher, da er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete das Kreuz und achtete der Schande nicht und hat sich gesetzt zur Rechten auf den Stuhl Gottes”. Der Schreiber des Briefs erinnert diejenigen, die vielleicht verzagt sind, daß sie haben „noch nicht bis aufs Blut widerstanden in dem Kämpfen wider die Sünde”.

In diesem Zeitalter stellt der Widerstand des sterblichen Gemüts gegen jede Forderung der Wahrheit bei jedem Schritt seine vollständige Unvereinbarkeit mit dem bloß, was mit Recht als die Tatsachen des Daseins angesehen werden kann. Jemand hat zu behaupten gewagt, „Religion sei vorwiegend ein Betäubungsmittel”, die Völker im Schlafe zu halten. Doch gerade das Gegenteil ist der Fall! Die Religion stellt die gewaltigsten Anforderungen an die Sterblichen, sich zu erheben, um auf allen Gebieten höhere Vorbilder zum Ausdruck zu bringen. Es gab eine Zeit, wo alles Schöne in der Baukunst fast ausschließlich im Dienste der Religion zu stehen schien; aber alles, was selbst auf der menschlichen Daseinsstufe schön und dauernd ist, geht aus irgend einer Erkenntnis des göttlichen Ursprungs des Menschen hervor. Die Hauptsache ist also, unser wahres Selbst, unsere hohe Bestimmung, als Söhne und Töchter Gottes zu erkennen. In „Miscellaneous Writings” (S. 104) stellt Mrs. Eddy die Frage: „Wie sollen wir unser wahres Selbst erlangen?” Sie gibt die Antwort mit folgenden Worten: „Durch die Liebe”. Dann fährt sie fort: „Wer möchte sterblich sein, oder wer möchte nicht das wahre Vorbild des Lebens erlangen und sein wahres Selbst zurückerhalten? Ich will lieben, wenn andere hassen. Ich will ein Übergewicht auf der Seite des Guten, meines wahren Seins, erlangen. Dies allein verleiht mir die Kräfte Gottes, wodurch ich allen Irrtum überwinden kann”.

Wir müssen verstehen lernen, daß Umwandlung es ist, wodurch wir unser wahres Selbst erlangen, wodurch wir „dem Ebenbilde seines Sohnes” gleich werden, wie wir im 12. Kapitel des Briefes an die Römer lesen; und die Christliche Wissenschaft befähigt uns, zu „prüfen ..., welches da sei der gute, wohlgefällige und vollkommene Gotteswille”. Dem menschlichen Sinn erscheinen die an uns gestellten Forderungen des Vorgangs so streng, daß wir geneigt sind zu glauben, unser Leiden sei von Gott auferlegt, während es in Wirklichkeit die Folge des Widerstandes des sterblichen Gemüts gegen die Forderungen des geistigen Gesetzes ist. Doch ist es ein Trost, zu wissen, daß alle unsere Hilfe von der göttlichen Wahrheit und Liebe kommt, und nichts tut uns mehr not als der tapfere Geist, der unverzagt und unaufhaltsam dem Ziele zustrebt, das stets zur Hand ist, wenn wir uns nur nahe genug an die göttliche Macht halten könnten, die unsere Wesensart — unser ganzes Sein — nach dem göttlichen Ebenbild formt und gestaltet. Werden wir je versucht, zu verzagen, so tun wir gut, an die Worte des Dichters von „dem einen Ton, den der große Schlußklang fordert”, zu denken.

Wenn wir erkennen können, daß wir „Mithelfer” Gottes sind, werden wir vor nichts zurückschrecken, was die göttliche Absicht für unsere Vollkommenheit vorgesehen hat. Die Erfüllung der göttlichen Absicht ist in wunderbarer Weise im 2. Briefe des Paulus an die Korinther ausgedrückt, wo wir lesen: „Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der andern, als vom Herrn, der der Geist ist”. Diese göttlich eingegebenen Worte beziehen sich unverkennbar auf die schon angeführten Worte des Apostels über Vorherbestimmung, und der Seelenzustand derer, die durch die Christliche Wissenschaft ihre geistige Freiheit erlangen, kommt in den Zeilen des bekannten Kirchenliedes treffend zum Ausdruck:

„Durch Wolken des Zweifels, durch Glauben der Furcht
Dämmert ein Licht auf, still und klar”.

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