Wer sein Denken dem Göttlichen anzupassen sucht, gewinnt mit der Zeit eine Seelenruhe und einen Gleichmut, der auf geistiger Wahrheit beruht. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß das göttliche Gemüt, das Gott ist, beständig, ruhig, unveränderlich, ewig ist, und daß die Idee oder der Ausdruck des Gemüts, der Mensch, ebenso ruhig und im Gleichgewicht ist. Und als Idee Gottes kann Sein vollkommener Sprößling, der Mensch, von den Scheinkräften, die den sogenannten sterblichen Menschen zu verwirren trachten, nicht beeinflußt werden. Über den Wert und die Wichtigkeit des Seelenzustandes, den man als Gemütsruhe bezeichnen kann, kann kein Zweifel bestehen; denn er ist eine dauernde Eigenschaft des göttlichen Gemüts, und der Mensch als die Idee des Gemüts drückt alle Eigenschaften, Merkmale und Zustände dieses Gemüts aus. Außerdem muß alles, was von Gott, der göttlichen Liebe, ausgeht, Seinen vollkommenen Sprößling, den Menschen, unbedingt segnen.
Welch großen Nutzen Seelenruhe uns bringt! Der Gleichmut, der aus der tiefen Überzeugung hervorgeht, daß Gott lebt, daß Er das allmächtige und allgegenwärtige unendlich Gute ist, bildet das vollkommene seelische Gleichgewicht, das durch die scheinbaren Anstürme der sterblichen Annahme weder vernichtet noch gestört wird. Der Gleichmut, der aus einem in geistiger Wahrheit gefestigten Bewußtsein hervorgeht, ist das Haus, das auf den Felsen gebaut ist, gegen das die Wogen der Weltlichkeit vergeblich anstürmen. Er ist seelische Standfestigkeit, die nie ins Wanken gebracht werden kann; denn sie wurzelt tief in der Wahrheit geistigen Seins. Auf Seite 506 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” spricht Mrs. Eddy in ansprechender Weise von dieser Eigenschaft. Über die schöne Stelle im 1. Buch Mose: „Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der andre Tag” bemerkt sie: „Durch die göttliche Wissenschaft vereinigt Geist, Gott, das Verständnis mit der ewigen Harmonie. Der ruhige und erhöhte Gedanke oder das geistige Erfassen ist im Frieden”. Die ewige Harmonie, zu der Zwietracht nie Zutritt findet, ist der Gleichmut, der den vollkommenen Frieden, das vollkommene Gleichgewicht, bildet.
Ist dieser Seelenzustand jetzt erreichbar? Ganz gewiß! Wie? Dadurch, daß man die Wahrheit des Seins erfaßt, daß man sich der Immergegenwart Gottes und des Menschen als Seiner vollkommenen Schöpfung bewußt wird. Die Unbeständigkeit und die Ungewißheit, die aus Zweifel und Furcht hervorgehen, sind die seelischen Eigenschaften, die den Gleichmut zu stören scheinen. Es sind Eigenschaften des sogenannten menschlichen Gemüts. Beide sind nicht göttlichen Ursprungs, daher nicht wirklich oder dauernd. Was uns also seelisch not tut, ist Freisein von dem Räuber unseres Gleichmuts. Und dies gelingt uns in dem Verhältnis, wie wir den alten, falschen Sinn vom Menschen als fleischlich ablegen und den neuen erfassen, die Tatsache, daß der Mensch geistig und vollkommen ist. Genau genommen sind diese Eigenschaften nicht neu, sie gehören vielmehr zu dem Unendlichen und Ewigen; aber sie scheinen zuerst neu, wenn sie ein Teil der menschlichen Erfahrung werden.
In der ansprechenden Erzählung von Jesu Erfahrung bei der Stillung des Sturmes auf dem Galiläischen Meere lesen wir, daß, als Verwirrung die Oberhand zu gewinnen schien, Jesus zu seinen offenbar aus Furcht wegen Bedrohung ihrer Sicherheit sehr beunruhigten Jüngern sagte: „Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam?” Und nachdem er sie so zurechtgewiesen hatte, bedrohte er den Wind, und sofort „ward es ganz stille”. Wir können uns vorstellen, wie die Wellen sich legten, von denen die Jünger noch einen Augenblick vorher sogar ihr Leben bedroht hielten. Wie schnell der falsche Sinn von Gewalt verschwand, als der Meister, der weder dem Wind noch den Wellen die geringste Macht zugestand, gleichmütig Ruhe gebot! Und die große Stille, die dann eintrat, versinnbildlichte vollkommen des Meisters ruhigen und gleichmütigen Gedankenzustand. Er fürchtete sich nicht, er war nicht beunruhigt und bestürzt, er gab nicht dem falschen, körperlichen Sinn nach, der ihn, wenn er sich ihm unterworfen hätte, genau so bestrickt hätte, wie er seine Nachfolger bestrickte. Er gab im Gegenteil ein so vollkommenes Beispiel von jenem „ruhigen und erhöhten Gedanken”, der „im Frieden” ist, daß die irrigen Annahmen, die seine Jünger beherrschten, nicht den geringsten Zutritt zu seinem Bewußtsein fanden. Unerschütterlich bestand er auf seinem bewußten Gefühl der Gegenwart Gottes, auf jenem ewigen Wissen, in das keine Einflüsterung des Bösen eintreten kann. Das unausbleibliche Ergebnis dieses unerschütterlichen Gleichmuts war die große Stille, die sofort eintrat. Der Glaube an Verwirrung konnte sich in der Gegenwart seines Bewußtseins, daß alles gelassene, geistige Stille ist, nicht halten.
Was für ein wertvolles Beispiel dies für uns doch werden kann, wenn wir den Ansprüchen der sterblichen Annahme entgegentreten, die uns zuweilen so heftig zu umtoben scheinen! Wie sie auch heißen mögen, ob sie in der Form von Gewalt, Krankheit oder Sünde drohen, sie haben keinen Raum im göttlichen Haushalt, wo Stille auf ewig vorherrscht. Mrs. Eddy bezieht sich auf die wunderbare Standhaftigkeit, die der große Apostel der Heiden unter den schwierigsten Umständen an den Tag legte, und sie schreibt in „Miscellaneous Writings” (S. 200): „Die heilige Ruhe der wohlerprobten Hoffnung des Paulus begegnete keinem Hindernis und keinen Umständen, die den Sieg eines vernünftigen Glaubens an die Allmacht des in seinem göttlichen Prinzip, Gott, enthaltenen Guten überstiegen hätten”. In dem Maße, wie wir etwas von demselben „vernünftigen Glauben an die Allmacht des Guten” erfassen, dessen sich Paulus so beständig gewiß war, erlangen auch wir etwas von dem Gleichmut und der Ruhe, die er so allgemein bekundete. Es ist der Seelenzustand, der mit geistigem Fortschritt kommt.
