Wenn man die Christliche Wissenschaft verstehen lernt, sieht man das, was als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bezeichnet wird, ganz anders an als vorher. Man pflegte z.B. die Vergangenheit, menschlich betrachtet, als sehr wirklich anzusehen, sofern unser Leben in Betracht kam,—als etwas sehr Bestimmtes, wovon wir es für abhängig hielten. Die Vergangenheit schien ihren Einfluß zuweilen sehr ausgesprochen auf die Gegenwart auszuüben. Denn bestimmte nicht unser vergangenes falsches oder rechtes Denken, unser vergangenes Bösesoder Gutestun die Lage, in der wir uns befanden? Und blieben nicht vielen, weil sie die Lage so ansahen, ihre Missetaten oft beständig wie Mühlsteine am Halse hängen? Hinsichtlich der Zukunft war dieselbe Art des Folgerns wahrzunehmen: wir glaubten blindlings, unser ferneres Leben werde hauptsächlich die Folge unserer vergangenen und gegenwärtigen Erlebnisse sein.
Wenn wir Schüler der Christlichen Wissenschaft werden, beginnen wir die Dinge anders anzusehen. Menschlich gesprochen müssen wir die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft immer noch in Betracht ziehen. Aber wir sehen sie jetzt von einer ganz andern Seite an; denn die Christliche Wissenschaft hat uns ein Verständnis des wirklichen Seins gegeben, wie wir es nie zuvor gehabt haben. Das Wesen dieses Verständnisses ist, daß das wirkliche Sein sich immer gleich bleibt. Die Christliche Wissenschaft hat uns gelehrt, daß Gott unendlich und immer gegenwärtig ist, daß Er immer derselbe vollkommene Geist oder dasselbe vollkommene Gemüt ist, und daß Seine Schöpfung, die Kundwerdung Seiner selbst, immer dieselbe vollkommene Schöpfung ist. Mit andern Worten, Gottes Schöpfung einschließlich des Menschen war „am Anfang” genau so, wie sie jetzt ist und immer sein wird. Somit bleibt sich die Gegenwart—die wirkliche Gegenwart—immer gleich, weil sich in ihr die vollkommene Schöpfung des einen immer gegenwärtigen, vollkommenen Gottes bekundet. Mrs. Eddy schreibt auf Seite 471 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”: „Gott ist unendlich, daher immer gegenwärtig; es gibt keine andre Macht noch Gegenwart”.
Wissenschaftlich gesprochen war also die wirkliche Vergangenheit genau so wie die Gegenwart, und die wirkliche Zukunft wird auch genau so sein wie die Gegenwart, d.h. daß es in Wirklichkeit nur die geistige, wirkliche Gegenwart gibt. Unsere Führerin schreibt (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 12): „Wir haben keine Vergangenheit, keine Zukunft, sondern nur das Jetzt”. Wir können die Wahrheit dieser tiefgründigen Äußerung erfassen, wenn wir das wahre Wesen Gottes und Seiner Schöpfung, die ewige Vollkommenheit Gottes und die immerwährende Vollkommenheit Seiner vollständigen, geistigen Schöpfung einigermaßen verstehen lernen.
Ein anderer wichtiger Punkt ist, daß das wirkliche Sein infolge seiner Vollkommenheit durchaus gut ist. Diese Tatsache befähigt uns, etwas sehr Wertvolles zu zu tun: sie ermächtigt uns, die Wirklichkeit des Bösen zu leugnen, zu leugnen, daß es je irgendwo schon eine wirkliche Rolle gespielt habe, und auf diese Art das Böse vollständig auf sein Nichts zurückzuführen. Was für eine Wirkung dieses richtige Betrachten des sogenannten Bösen auf den haben muß, der glaubt, daß er das Opfer einer bösen Vergangenheit sei und immer noch darunter leide! Es bedeutet seine Befreiung, seine Heilung von dem Alp des falschen Glaubens. Es ist nutzlos, die Last einer bösen Vergangenheit weiter mit sich herumzutragen. Wir sollten Gottes Allgegenwart—die Allgegenwart des Guten—verstehen lernen, den falschen Glauben, daß das Böse je wirklich war, vernichten und uns so von den scheinbaren Folgen irrigen Denkens befreien.
Gott ist die Liebe, die unendliche Liebe. Mrs. Eddy schreibt auf der oben erwähnten Seite in Miscellany: „Der Glaube an die göttliche Liebe verbürgt die immer gegenwärtige Hilfe und das immer gegenwärtige Jetzt und gibt die Kraft, ‚in der lebendigen Gegenwart zu handeln‘”. Wir können uns also jetzt auf Gottes Hilfe verlassen. Können wir uns etwas Wunderbareres denken als die Wahrheit, daß die unendliche Liebe immer gegenwärtig ist und daß unser wirkliches Selbst immer eins mit der Liebe ist? Die Erkenntnis dieser Wahrheit schützt uns vor allem, was sich als böse geltend machen mag. „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben”, lesen wir im 46. Psalm. In dem Maße, wie wir uns unserer Einheit mit Gott, der unendlichen Liebe, dem unendlichen Guten, bewußt sind, können wir die Wahrheit der Erklärung des Psalmisten beweisen.
Jeder Christliche Wissenschafter bildet das Wissen, daß die göttliche Liebe gegenwärtig ist, heran; er ist bestrebt, sich der einen wirklichen Gegenwart—Gottes—beständig bewußt zu werden. Aus diesem Grunde vertieft er sich fleißig in die Bibel, in Wissenschaft und Gesundheit und in die anderen Schriften der Mrs. Eddy und befolgt die in diesen Büchern zu seiner Führung niedergelegten vielen wertvollen Regeln. Aus diesem Grunde betet er in der Stille seines tiefsten Innern so oft und so häufig zu Gott. Und wie groß sein Lohn ist! Denn sicher kann nichts die Freude, das Glück und die Befriedigung übertreffen, die das Wissen bereitet, daß der Mensch, unser wirkliches geistiges Selbst, auf ewig mit der unendlichen, allmächtigen Liebe vereint ist.
Wer die Kranken durch geistige Mittel heilen will, muß verstehen, daß die Gegenwart die ganze Unendlichkeit der Liebe, alles Guten, in sich schließt. Glauben die Kranken nicht an eine neben dem Guten bestehende Macht? Glauben sie nicht, daß sie von der Liebe getrennt seien? Folglich muß ihr Denken sich ändern und den rechten Gesichtspunkt erlangen: sie müssen ihre Einheit mit dem Guten, mit der Liebe, jetzt erkennen lernen. Und wer diese Wahrheit kennt und ihre heilende Kraft in seinem Leben beweist, kann sie anderen mitteilen.
„Die Gegenwart gehört uns, die Zukunft ist reich an Ereignissen. Jeder Mann und jede Frau sollte sich heute selber ein Gesetz sein,—ein Gesetz der Treue gegen Jesu Bergpredigt” (Miscellaneous Writings, S. 12). Der Christliche Wissenschafter ist sich selber ein Gesetz, wenn er dem göttlichen Gesetz gehorcht. Dann kann keine Plage seiner Hütte sich nahen; denn Gott „hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen”; und die Zukunft—seine menschliche Zukunft—hat nur Gutes für ihn und wird „reich an Ereignissen” sein. Paulus sagt: „Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils!”
