Der Zweck einer christlich-wissenschaftlichen Behandlung, eines christlich-Wissenschaftlichen Gebets, ist, einen dazu zu erwecken, daß man vom geistigen Sinn, durch den man die geistige Wahrheit wahrnehmen kann, Gebrauch macht. Sie ist in dem Maße erfolgreich, wie dieser Zweck erreicht wird. Elisa gab seinem Diener, der sich angesichts eines feindlichen Heeres fürchtete, eine wissenschaftlich geistige Behandlung, als er zum Herrn betete, daß Er „ihm die Augen öffne”. Seine Behandlung war erfolgreich; denn wir lesen: „Da öffnete der Herr dem Diener die Augen, daß er sah; und siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her”. Wenn Gott uns mit Hilfe christlich-wissenschaftlicher Behandlung die Augen oder die geistige Wahrnehmung öffnet, finden wir, daß wir mit der schützenden Reinheit und Kraft Seiner geistigen Ideen versehen sind. Das ist wissenschaftliches Beweisen.
Ein Beweis in der christlich-wissenschaftlichen Ausübung wird auf Grund der geistigen Tatsache hinsichtlich einer gegebenen Lage erbracht. Die Betätigung des geistigen Sinnes zerstört materielle Annahmen und richtet die Herrschaft des göttlichen Gesetzes in menschlichen Angelegenheiten auf. Da Gottes Gesetze geistig sind, wirken sie nur für gerechte Zwecke und können nur zu solchen Zwecken angewandt werden.
Es kann über den Ausdruck „beweisen” keine Unklarheit herrschen, wenn wir wissen, daß er „dartun” bedeutet. Wir können ein neues Haus, schöne Kleider oder Gesundheit in der Materie nicht „beweisen”; aber wir können das göttliche Prinzip und Gesetz „beweisen”. Ein Beweis sollte daher nicht als rein persönlicher Vorteil sondern stets als Wahrheit oder Gesetz betrachtet werden. Wenn diese Erklärung denen, die über Gott im Sinne von menschlicher Liebe und Freundlichkeit zu denken Pflegen, kalt und lieblos scheint, sollten sie eingedenk sein, daß das göttliche Gesetz auf der Liebe beruht und liebevoll wirkt. Als Christus Jesus das Volk speiste, bewies er nicht in erster Linie eine große Menge materieller Nahrung, sondern die Gegenwart und Verfügbarkeit des Versorgungsgesetzes Gottes, das den Menschen mit allem, was er braucht, reichlich versieht. Christus Jesus legte dieses Gesetz so aus, daß es menschlich verständlich wurde.
Was ein menschliches Bedürfnis zu sein scheint, ist nichts als scheinbarer Mangel an geistigem Verständnis. Zur Veranschaulichung sei hier ein Fall erwähnt, wo ein Schüler der Christlichen Wissenschaft Verwalter eines Anwesens wurde, das lange Zeit unbewohnt war. Das Bedürfnis in diesem Falle schien ein Mieter zu sein. Nach sorgfältigem Zergliedern der Lage sah der Schüler, daß es ihm an Verständnis des göttlichen Gesetzes der Nachfrage mangelte; denn das Versorgungsgesetz wäre ohne das entsprechende Nachfragegesetz unvollständig. Nun bemühte er sich, sich die Gegenwart des göttlichen Versorgungsgesetzes und dessen unfehlbares Wirken gerade in dieser Lage klar zu machen. Fast sofort wurde das Anwesen befriedigend an eine Schülerin der Christlichen Wissenschaft vermietet, die sich bei ihrem Problem die Gegenwart von Gottes Versorgungsgesetz zu verwirklichen gesucht hatte.
Jede richtige christlich-wissenschaftliche Behandlung ist die Anwendung einer von Gott ausgehenden und den Menschen durch den geistigen Sinn geoffenbarten göttlichen Idee, daher die Wichtigkeit der Erkenntnis, daß der Mensch das unzerstörbare geistige Verständnis hat, das seine Einheit mit seinem Schöpfer auf ewig besiegelt. Durch diesen Sinn kann man die Wahrheit wahrnehmen, die man zu wissen braucht; und durch diesen Sinn kann man die geistigen Eigenschaften des Gemüts anwenden, die man zur Lösung seines Problems braucht. Im 23. Psalm, der als ein wissenschaftliches und erhebendes Behauptungsgebet bezeichnet werden kann, sagt der Psalmist: „Er erquicket meine Seele”. Unsere Führerin Mary Baker Eddy hat dies wie folgt ausgelegt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 578): „[Liebe] erquicket meine Seele [meinen geistigen Sinn]”. Durch einen Beweis der Christlichen Wissenschaft wird der geistige Sinn dem menschlichen Bewußtsein gewissermaßen wiedergegeben.
In dem absoluten Daseinsbegriff ist der geistige Sinn immer wach, und das göttliche Gesetz erhält diesen Gedankenzustand auf ewig. Die Menschheit muß diese Wahrheit beweisen, um sie im jetzigen menschlichen Leben darzutun. Der geistige Sinn wird im menschlichen Bewußtsein durch gesprochene oder gedachte geistig verstandene Erklärungen der Wahrheit geweckt. Er kann auch durch die Kraft und Gegenwart geistiger Widerspiegelung ohne Hilfe menschlicher Beweisführung geweckt werden.
Bloßes Wiederholen richtiger Schlußfolgerungen ohne geistigen Einblick ist keine Grundlage für wissenschaftlichen Beweisen, noch ersetzen menschlicher Eifer und menschliche Rechthaberei geistigen Blick. Das göttliche Gesetz wird in dem Maße bewiesen, wie geistige Hingebung demütig nach geistiger Befriedigung trachtet.
Das Berichtigen falscher Annahme ist die Folge der Vergeistigung des Denkens, und dies ist ein Beweis in christlich-wissenschaftlicher Ausübung. Mrs. Eddy schreibt über das Gebet bloßen Glaubens (Wissenschaft und Gesundheit, S. 12): „Weder Wissenschaft noch Wahrheit wirkt durch blinde Annahme, ebensowenig wie das menschliche Verständnis des göttlichen heilenden Prinzips, wie es sich in Jesus offenbarte, dessen demütige Gebete tiefe und gewissenhafte Bezeugungen der Wahrheit waren — Bezeugungen von des Menschen Gleichheit mit Gott und von des Menschen Einheit mit Wahrheit und Liebe”. Die Christlichen Wissenschafter trachten nach einem besseren Verständnis des göttlichen heilenden Prinzips. Das Beweisen geistiger Wahrheit hat eine gebührende Änderung materieller Zustände zur Folge; aber die greifbare Entfaltung geistiger Wesenheit ist das Wichtigste an der Erfahrung. Die in menschlichen Angelegenheiten erscheinenden Wohltaten lassen das Verschwinden des materiellen Sinnes erkennen; sie kündigen das Erscheinen des absoluten Seins an.
Man kann in der Nacht Träume haben, die einen derart peinigen, daß ihre Unwirklichkeit selbst im tiefen Schlaf erkannt wird. Sobald man denkt: Es ist ja nur ein Traum, ist der Bann der Trugvorstellung gebrochen, und man kann sich aufraffen und zu einer besseren Erkenntnis erwachen. Unsere Führerin erinnert uns oft daran, daß das sterbliche Dasein ein Bewußtseinszustand und genau so eine Trugvorstellung ist wie ein Traum in der Nacht. Wir zerstören den Nachttraum nicht dadurch, daß wir etwas daran ändern, sondern indem wir daraus erwachen. Ebenso zerstören wir sterbliche Trugvorstellungen nicht dadurch, daß wir sie zu ändern suchen, sondern indem wir den geistigen Sinn anwenden. Ein wichtiger Schritt im geistigen Erwachen ist die Erkenntnis, daß die sterbliche Erfahrung unwirklich ist. Vollständige Erlösung wird verwirklicht sein, wenn das geistige Bewußtsein materielle Annahmen vollständig verdrängt hat. Dann wird das Dasein so wahrgenommen, wie Gott es immer wahrgenommen hat.
Der Hauptzweck christlich-wissenschaftlicher Ausübung ist die Vergeistigung des Daseinsbegriffs der Menschheit. Wer nur nach materiellem Nutzen trachtet, wird das göttliche Gesetz nicht beweisen. Die christlich-wissenschaftlichen Gebete sind eine Sache geistigen Bewußtseins, und Gottes Erhörung kommt durch vergeistigtes Denken. Durch fortschreitendes Beweisen der Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft wird der verwirrende Nebel des Materialismus schließlich ganz verschwinden, und die Menschheit wird zu der Gegenwart geistigen Seins erwachen. Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 230): „Dieses Erwachen ist das ewige Kommen des Christus, das Vor-Erscheinen der Wahrheit, welches Irrtum austreibt und die Kranken heilt”.
