Nicht nur das Alter sondern auch die Jugend ist Anfechtungen ausgesetzt, die vielfach mit der Verschiedenheit und dem Stärkegrad ihrer Wünsche verknüpft sind. Begierig nach Glück greifend und nicht in vollem Maße erkennend, worin wahres Glück und das Trügerische weltlicher Freuden besteht, kann man schwere Enttäuschungen und unerfreuliche Begrenzung und Hemmung erleben. Dies scheint besonders heutzutage der Fall zu sein, wo der Jugend zahlreiche Zerstreuungen, eine reiche Auswahl Berufe, Gelegenheiten zu Abenteuern und größtenteils ungehemmte Handlungsfreiheit geboten sind.
Doch die Wege der Weisheit haben sich trotz aller neuen Anziehungen oder Ablenkungen, die frühere Geschlechter nicht kannten, und die so leicht erreichbar scheinen, nicht geändert. Die Weisheit flüstert immer noch, daß zuerst die Pflicht kommt, sei sie angenehm oder nicht; daß viele Arten sogenannten Vergnügens überhaupt nicht gekostet werden dürfen, und daß das Erlangen weltlicher Wünsche nicht der Schlüssel zu wahrem Glück ist. Der Jugend scheint es so schwer, die Erfüllung von Erwartungen abzuwarten; und dem Unbelehrten erscheint eine an ihn herantretende Pflicht zuweilen als ein grimmiger Anblick.
Unwilligkeit, die Ermahnungen Erwachsener zu beachten, kann aus dem Glauben entstehen, daß diese für die Ansichten der Jugend kein Verständnis haben oder nicht Anteil daran nehmen, und dies kann schließlich zu der Versuchung führen, sich gegen Vorgesetzte aufzulehnen. Diese Versuchung sollte diejenigen nicht täuschen, die am Unterricht in einer christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule teilnehmen durften; denn dort sind sie gelehrt worden, daß wahre Machtbefugnis nicht in eigenmächtigem menschlichem Willen sondern in Gott ruht, der über allen Seinen Kindern unparteiisch wacht und immer Frohes und Gutes für sie vorsieht. Kindlicher Gehorsam ist erforderlich. Lukas berichtet, daß Jesus als Knabe Joseph und Maria „untertan” war. Ist man geneigt zu glauben, daß geliebte irdische Eltern falsche Entscheidungen treffen? Alle ohne Ausnahme können göttliche Führung erlangen und wissen, daß der Vater-Mutter aller sich nicht irren kann und unvermeidlich zum Besten aller regiert, wenn sie bereitwillig auf Ihn harren und Seiner Führung folgen.
Natürlich sollte nur rechtes Verlangen erfüllt werden. Und die Christliche Wissenschaft ist sowohl für Kinder als auch für Erwachsene ein mächtiger Schutz, weil sie sie befähigt, zwischen würdigem und unwürdigem oder törichtem Verlangen unfehlbar zu unterscheiden. Ist ein Wunsch wirklich recht? Macht er dich edler oder bewirkt er das Gegenteil? Wie wird die Erfüllung deines Wunsches andere berühren? Wird dadurch niemand in seiner Freudigkeit geschmälert? Wenn der junge Wissenschafter das Prinzip auf sein Verlangen anwendet und es im Lichte selbstloser Liebe prüft, erkennt er sofort dessen Würdigkeit oder Unwürdigkeit; und er weiß, daß nur rechte Ideen von Dauer sind, weil nur sie wahrhaft wesenhaft sind. Die Entfaltung einer solchen Idee, die Erfüllung eines rechten Verlangens kann auf ganz unvorhergesehene Art vor sich gehen; aber ihm geziemt es sich, auf die göttliche Führung zu warten und ihr zu folgen.
Die Christliche Wissenschaft ist liebreich gegen die Jugend wie gegen alle und bringt die liebevolle Versicherung, daß unschuldige Vergnügen und Fröhlichkeit nicht verboten sind; daß nichts zu gut ist, um wahr zu sein, daß dagegen alles Gute wahr und alles Wahre gut ist. „Wir haben nichts zu fürchten, wenn die Liebe am Steuer des Denkens ist”, schreibt Mrs. Eddy auf Seite 113 in „Miscellaneous Writings”, „sondern dürfen alles auf Erden und im Himmel genießen”. Die Christliche Wissenschaft verweist klar auf die Verheißung der Bibel: „Habe deine Lust am Herrn; der wird dir geben, was dein Herz wünschet”.
Was heißt seine „Lust am Herrn haben”? Ein Wörterbuch erklärt „Lust haben” u.a. als „sich freuen über”. Setzen wir für „der Herr” „die göttliche Liebe”, wie unsere geliebte Führerin dies in ihrer Darbietung des 23. Psalms auf Seite 578 des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” getan hat, so sehen wir, daß es sich hier um keinen bloßen Begriff, kein unmögliches Gebot handelt. Was ist natürlicher, als sich in unserem Vater-Mutter-Gott zu freuen, der uns alles Gute so reichlich gibt? Wir können uns in der Tat freuen, daß wir anstatt uns durch den Glauben, daß die Erfüllung rechter Wünsche von einem launischen Schicksal abhänge, vom Irrtum betrüben zu lassen, wissen können, daß sich durch das Wirken des unwandelbaren Prinzips das beste und höchste Ergebnis ausarbeiten muß. Zuweilen scheint die Notwendigkeit das Aufgeben oder vorübergehende Zurückstellen eines rechten Wunsches wie z. B. einer höheren Schulbildung oder der Ausbildung einer besonderen Gabe zu erzwingen. Wie bitter ein solcher Verzicht für ein junges Herz sein kann, weiß Wohl nur, wer es selber erlebt hat. Welche Ermutigung und Zuversicht in solchem Falle in der Erklärung auf der ersten Seite unseres geliebten Lehrbuchs zu finden ist: „Verlangen ist Gebet; und kein Verlust kann uns daraus erwachsen, daß wir Gott unsere Wünsche anheimstellen, damit sie gemodelt und geläutert werden möchten, ehe sie in Worten und Taten Gestalt annehmen”!
„Kein Verlust kann ... erwachsen”! Dadurch, daß wir von dem höheren Recht des Aufgebens unseres jeweiligen Wunsches Gebrauch machen, unsere Zeit gerade dort, wo wir sind, nach Möglichkeit ausnützen, vielleicht geforderte eintönige Aufgaben gewissenhaft ausführen und fortschrittlich denken, kann uns keine Gelegenheit entgehen. Jeder junge Schüler der Christlichen Wissenschaft, der sein Wissen der Wahrheit auf eine solche Aufgabe geduldig anwendet, kommt bald zu der Überzeugung, daß ihm nichts Wesentliches vorenthalten ist, sondern daß ihm Besseres zufällt, als er erwartete oder sich träumen ließ. Das Festhalten an den Lehren der Christlichen Wissenschaft ist ihm eine Richtschnur, die ihn unfehlbar durch den Irrgarten des menschlichen Lebens hindurchführt.
