Wie oft scheinen wir, wenn wir gebeten werden, jemand eine Gefälligkeit zu erweisen, vielleicht einen Ausgang zu machen oder eine Kleinigkeit im Haushalt zu besorgen, Abneigung zu empfinden, es sofort zu tun! Es ist, als ob uns etwas zuflüstere, daß es ebenso gut in einer halben Stunde oder in einer Stunde oder vielleicht erst am nächsten Tage getan werden könne, und daß es viel leichter zu tun sei, wenn wir es erst eine Zeitlang aufschieben.
Aber denken wir doch einen Augenblick daran, wie viel erfreulicher es für den Bittenden sein muß, wenn wir seiner Bitte unverzüglich und in liebenswürdiger Weise entsprechen! Vor allem brauchte uns nicht immer wieder gesagt zu werden, die betreffende Sache zu tun, und wir selber hätten die Freude, einem gerechten Wunsche schnell und liebevoll entsprochen zu haben. In solcher Weise können wir die Goldene Regel erfüllen und das tägliche Leben einander leichter und angenehmer und freudiger machen helfen.
Diese Einflüsterung, Dinge aufzuschieben, ist vielleicht nie beharrlicher als im Zusammenhang mit dem täglichen Sichvertiefen in die Lektionspredigt. Es kann einem am Morgen der Gedanke kommen, daß jetzt eine gute Gelegenheit wäre, die Lektion oder wenigstens einen Teil davon zu lesen. Aber sofort mag eine Einflüsterung geltend machen, daß man augenblicklich nicht genug Zeit habe und es ebensogut am Mittag geschehen könne. Kommt der Mittag, so findet man ihn wahrscheinlich mit anderen Dingen ausgefüllt, und so wird das Lesen auf den Abend aufgeschoben. Dann sind Schulaufgaben zu machen, oder wir möchten ins Freie gehen, und wenn wir endlich die Bibel und „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy zur Hand nehmen, finden wir vielleicht, daß Schläfrigkeit sich fühlbar macht; und so ist unser Tag eines großen Glücks und Segens beraubt worden.
Als der Apostel Paulus einmal vor Felix, dem Landpfleger von Judäa, sprach, bot er die Wahrheit so folgerichtig und überzeugend dar, daß Felix, wie wir im 24. Kapitel der Apostelgeschichte lesen, „erschrak und antwortete: Gehe hin auf diesmal; wenn ich gelegene Zeit habe, will ich dich herrufen lassen”. Es ist jedoch nirgends berichtet, daß diese „gelegene Zeit” je kam. Felix versäumte eine große Gelegenheit: das Vorrecht, mehr von der heilenden und erlösenden Kraft der Wahrheit aus dem Munde eines Mannes wie Paulus zu hören.
In welch herrlichem Gegensatz dazu steht das Verhalten der Maria, einer der beiden Schwestern in der kleinen Familie zu Bethanien, wohin Christus Jesus so gerne ging! Martha, die andere Schwester, machte sich viel im Haushalt zu schaffen und dachte wohl dabei, es würde sich noch oft Gelegenheit bieten, den Worten des Meisters zu lauschen, und daß augenblicklich andere Dinge wichtiger seien. Maria dagegen erkannte, daß das Wichtigste in der Welt ist, die Wahrheit über Gott und unsere Beziehung zu Ihm zu erfahren. Sie stellte daher alles andere zurück, um zu Füßen des Meisters zu sitzen und sein Wort zu hören. Dafür wurde sie von Christus Jesus gelobt, indem er sprach: „Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe; eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählet; das soll nicht von ihr genommen werden”.
Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit (S. 39): „‚Jetzt‘, rief der Apostel, ‚ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils‘, und meinte damit nicht, daß sich die Menschen jetzt auf das Heil oder die Sicherheit einer zukünftigen Welt vorbereiten müßten, sondern daß jetzt die Zeit sei, dieses Heil im Geist und im Leben zu erfahren”. Wollen wir diese Erlösung von falschem Denken, von Krankheit oder von irgend einer Form des Irrtums erleben, so müssen wir darauf bedacht sein, den gegenwärtigen Augenblick aufs beste auszunützen. Das heißt nicht, daß man keine Zeit für Spiel und die rechte Art Sport oder die nötige Arbeit im Hause haben soll, oder daß wir diese Dinge nicht voll ausnützen, uns nicht recht damit abgeben oder keine richtige Freude daran haben sollen, sondern es heißt, daß wir das Horchen auf die Stimme der Wahrheit nicht wie Felix auf eine vermeintlich passendere Gelegenheit aufschieben sollen. Wir sollen vielmehr wie Maria von Bethanien das eine, das not ist, ein besseres Verständnis des Geistes, lieben und uns somit jeden Tag Zeit nehmen, mehr über die Dinge Gottes zu erfahren.
