Als Entschuldigung für seinen Mangel an Fleiß bei seinen Schularbeiten erzählte ein Junge seinem Vater, daß der Lehrer ihn nicht gern habe, und daß er daher am Ende des Schuljahres wohl nicht versetzt werde. Er war sehr überrascht, daß sein Vater nicht beunruhigt schien, sondern einfach sagte: „Nun, es kommt ja der Sommer; da kannst du arbeiten und alles nachholen. Dann kannst du im Herbst eine Prüfung machen, und du wirst überhaupt keine Zeit verloren haben”. Als er merkte, daß er der für den Sommer geplanten Vergnügen verlustig gehen würde, wenn er nicht in die nächste Klasse versetzt würde, begann er tüchtig zu arbeiten. Er bestand seine Prüfungen und konnte den Sommer mit Ferienvergnügen zubringen, anstatt versäumte Schularbeit nachzuholen.
Diese Erfahrung machte auf das Denken des Jungen tiefen Eindruck. Er sah ein, daß das Ergebnis, gleichviel ob sein Vater seine Entschuldigung gelten ließ oder nicht, nur ein Aufschieben der Arbeit gewesen wäre; denn es hätte ihn der Notwendigkeit, sie auszuführen, nicht enthoben. Es zeigte sich, daß die Entschuldigung zurückgewiesen und die Arbeit zur rechten Zeit fertig wurde.
Es ist leicht, Ausreden vorzubringen, Entschuldigungen zu finden, um sein Gewissen zu beruhigen, trotz der Tatsache, daß man eine einem aufgetragene Aufgabe nicht ausführt. Die Gewohnheit, Ausreden vorzubringen, nimmt oft so überhand, daß man für jedes Mißlingen scheinbar befriedigende Gründe bereit hat. Ein Knabe ist vielleicht beim Spiel der Verlierer, und sofort hat er eine Entschuldigung bereit. Man nennt ihn einen schlechten Verlierer, weil er versucht, sich das Gefühl der Niederlage sogar dadurch zu ersparen, daß er das Verdienst des Sieges des andern Jungen herabsetzt. Sein falscher Stolz erlaubt ihm nicht die Lage offen ins Auge zu fassen, sonst würde er sich oder sein Verhalten ändern und damit die Schwierigkeit überwinden; und mit zunehmender Fähigkeit könnte er einmal selber gewinnen. Statt dessen begnügt er sich damit, eine Entschuldigung für seinen Mißerfolg zu finden.
Angenommen, ein Junge habe anscheinend eine weniger gute Gelegenheit im Leben gehabt als manche andere. Berechtigt ihn das, sich mit Mittelmäßigkeit abzufinden? Ist er unter irgend welchen Umständen berechtigt, sich dem Selbstbedauern hinzugeben? Hat er das Recht, sich mit Entschuldigungen einzuschläfern und dadurch seine Fähigkeit, aus eigenem Antrieb zu handeln, zu vernichten? Nein, denn als Gottes Kind sollte er beweisen, daß er nur das ausdrücken kann, was gottähnlich ist.
Eine übliche Entschuldigung ist, daß unsere Schwierigkeiten dem Charakter oder dem Handeln eines andern, vielleicht eines Angehörigen, zuzuschreiben seien. Während man jedoch jemand anders nicht ändern soll, ist man stets in der Lage, die Einwirkung der Anwesenheit oder der Handlungen anderer auf sich selber recht zu meistern. Wie wir die Handlung eines andern aufnehmen, ist durch kein menschliches Gesetz bestimmt. Die Missetaten eines Sohnes können einen Vater erzürnen und eine Mutter betrüben. Daraus sehen wir, daß unser Eindruck weniger die Folge der Handlungsweise als unseres eigenen Denkens und Wesens ist.
Als Christliche Wissenschafter können wir die sich uns darbietenden Gedanken unterscheiden, die wahren annehmen und die falschen zurückweisen. Unsere Verhältnisse, Gesundheit oder wirtschaftliche Lage scheinen vielleicht ein Bild der Verzweiflung zu bieten. Durch Zurückweisen eines solchen Denkens können wir jedoch unser Bewußtsein den Ideen Gottes — Gedanken der Freude, der Hoffnung und der Liebe —öffnen. Das sterbliche Gemüt kann uns keineswegs zwingen, so zu denken, wie es uns zu denken versucht. Wir haben das Vorrecht, unsere Freude und unser Glück zu beschützen, und nichts kann uns daran hindern, wenn wir die falschen Gedanken, die uns das Himmelreich rauben möchten, aufgeben und uns für die wahren Gedanken, die Engel Gottes, entscheiden.
Ein Irrtum kann nie entschuldigt werden; er muß vernichtet werden. Irrtum kommt nicht von Gott; daher ist er unwirklich und hat tatsächlich keine Grundlage. Gott schuf den Menschen zu Seinem Ebenbild; daher ist in ihm kein Raum für Irrtum irgend welcher Art. Wenn wir dazu überredet werden können, den Irrtum jemand anders zuzuschreiben, um uns Vorwürfe zu ersparen, so läßt dies erkennen, daß uns der Irrtum in unserem eigenen Bewußtsein wirklich scheint. So führt das Verdammen anderer zu Selbstverdammung.
„Das Böse hat keine Wirklichkeit. Es ist weder Person, Ort noch Ding, sondern einfach eine Annahme, eine Illusion des materiellen Sinnes” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 71). Das Böse gehört nicht zum Menschen,— es ist ein Irrtum im Reich der Lügen und der Lügner. Man sollte ihm nie den Namen einer Person geben, sondern das Böse als Lügenerzeugnis betrachten und es als solches vernichten.
Paulus sagt: „So ich aber das tue, was ich nicht will, so gebe ich zu, daß das Gesetz gut sei. So tue nun ich dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt”. Wir sehen also, daß alles Böse unpersönlich ist, und werden andere nicht mehr verdammen noch uns entschuldigen. Was wir wollen, sind richtige Ergebnisse. Alle Entschuldigungen der Welt geben uns nicht die ersehnten Ergebnisse. Wir wollen den Sieg, nicht Entschuldigungen wegen Mißlingens. Wer eine Entschuldigung dafür sucht, daß er erfolglos ist, bleibt erfolglos; mit seinen Entschuldigungen hat er nicht den Sieg erlangt. Verweigern wir uns also den teuren Aufwand, Entschuldigungen vorzubringen, die nur die Niederlage angenehmer erscheinen lassen,— und lernen wir dagegen, wie wir siegreich sein können!
