„Gemüt ist Gott”, schreibt Mary Baker Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 469), und sie fügt hinzu: „Wir können nur ein Gemüt haben, wenn dieses eine unendlich ist”. Die Christlichen Wissenschafter anerkennen, daß diese beiden Erklärungen beweisbar wahr sind. Die Allheit des Gemüts führt zu dem Schluß, daß alles mental ist. Alles, was Gott unähnlich ist, muß also falsch und unwirklich sein. Da die Materie das Gegenteil des Gemüts ist, ist sie keine Wirklichkeit, sondern eine falsche mentale Vorstellung. Ebenso sind Irrtum, Sünde, Krankheit, Armut, Tod falsche Annahmen des sogenannten sterblichen Gemüts und erweisen sich als solche harmlos, wenn die Christlichen Wissenschafter Gott verstehen und das trügerische mentale Wesen des Bösen durchschauen lernen.
Wenn ein Christlicher Wissenschafter das geistige Wesen Gottes und des Menschen, des Ebenbildes Gottes, zu verstehen beginnt, vereinfacht sich sein ganzer Ausblick auf das Leben und das Dasein in erstaunlichem Maße. Er lernt die Wahrheit über Gott, den Menschen und das Weltall kennen und behaupten,— die Wahrheit, daß Gott, das Gemüt, die Liebe, das Leben, der Schöpfer alles Guten ist; daß das unendliche Gemüt und seine unendlichen Schöpfungen allen Raum ausfüllen, und daß diese Schöpfungen immerdar das Wirken ihrer unerschöpflichen Ursache bekunden; daß es in diesem Gemüt und in seinen Schöpfungen nichts Böses, keine Sünde, keine Krankheit und keinen Tod geben kann; und daß im Reiche der Wirklichkeit, wo das Gemüt, der Geist, allerhaben herrscht, keine Behauptung, kein Argument zugunsten dieser Irrtümer Anklang oder Unterstützung findet.
Ein Christlicher Wissenschafter beschränkt sich bei seiner hingebungsvollen geistigen Arbeit nicht ausschließlich auf das Behaupten der Wahrheit; er findet es unerläßlich, auch das Böse und sein ganzes scheinbares Wirken zu leugnen. Mit zunehmender geistiger Einsicht und Kraft sieht er klar die Scheidelinie zwischen der Wahrheit und dem Irrtum, zwischen Verständnis und Annahme. Der Christliche Wissenschafter behauptet in natürlicher und normaler Weise die Tatsachen der Wahrheit und der Wirklichkeit, und ebenso natürlich und normal verwirft er die vermeintliche Wirklichkeit und Macht dessen, was Gott unähnlich ist, des Bösen und der Sterblichkeit, und weist sie zurück. Kurz, er behauptet die Wahrheit und verneint den Irrtum. Alle Dinge des Geistes sind mental, weil der Geist das Gemüt ist. Ebenso ist alles Böse mental; aber es ist ein vorgetäuschter mentaler Zustand, der so wenig Substanz hat wie die Luftspiegelung, die vor einem Reisenden in der Wüste auftaucht. Der Christliche Wissenschafter sieht klar, daß, da das Gemüt keine Trugvorstellung schafft, das Böse kein tatsächliches Dasein hat.
Unsere geliebte Führerin erkannte vollständig das mentale Wesen des Bösen. Sie sah, daß die Wissenschaft das mentale Wesen aller Dinge enthüllt; und sie wußte, daß man das Böse, will man ihm erfolgreich entgegentreten, als falsche Annahme behandeln muß, die sich in das Reich des menschlichen Bewußtseins einzudrängen sucht. Weil die Sünde eine falsche Annahme ist, ist sie mental; Krankheit ist mental, ebenso Armut und alle anderen menschlichen Leiden. Die Christliche Wissenschaft zeigt, daß falsche Gedanken kein Leiden und keine Schmerzen verursachen könnten, wenn sie aus dem menschlichen Bewußtsein ausgeschlossen würden, und daß diese Übel für jemand, aus dessen Bewußtsein sie ausgeschlossen wären, nicht mehr bestehen würden. Wenn der Christliche Wissenschafter die aufdringlichen bösen Annahmen durch geistige Kraft zum Schweigen bringt, dann ist sein Bewußtsein der geeignete Ort, um mit den geistigen Ideen Intelligenz, Weisheit, Friede, Freude, Dankbarkeit und Liebe Gemeinschaft zu halten.
Da unsere Führerin die Wissenschaft des Gemüts verstand, gab sie den Christlichen Wissenschaftern jene überaus weise Ermahnung im Handbuch Der Mutterkirche in Artikel VIII, Abschnitt 6, wo es heißt: „Es ist die Pflicht eines jeden Mitglieds dieser Kirche, sich täglich gegen aggressive mentale Suggestion zu schützen und sich nicht verleiten zu lassen, seine Pflicht gegen Gott, gegen seine Führerin und gegen die Menschheit zu vergessen oder zu versäumen”. Es ist zu beachten, daß sie jedem Mitglied Der Mutterkirche zur Pflicht macht, „sich täglich gegen aggressive mentale Suggestion zu schützen”. Sie hob nicht hervor, daß ein Mutterkirchenmitglied sich gegen ein besonderes Übel oder eine Reihe Übel schützen soll. Offenbar war sie der Ansicht, daß das Meistern angreifender Gedankenbeeinflussung das Meistern alles Irrtums in sich schließt und eine wissenschaftliche Schutzwehr gegen jedes Übel einschließlich Sünde, Krankheit und Tod ist.
Alle bösen Annahmen sind angreifend, weil sie sich in das menschliche Denken einzudrängen suchen. Jesus sagte von dem Hirten: „Die Schafe folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen von ihm; denn sie kennen der Fremden Stimme nicht”. Die Stimme des Hirten ist die Stimme des Christus, „die das Gute verkündet, die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewußtsein redet” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 332). Angreifende Gedankenbeeinflussung ist die Stimme des Fremden, die die Kinder Gottes nicht kennen. Wer Gott kennt, kennt den Unterschied zwischen der Stimme des Fremden, des materiellen Sinnes, und der Stimme des Hirten. Er achtet nur auf den Ruf der Wahrheit, und folgt ihrer weisen Führung in das Reich der Harmonie hinein. Wenn also Christliche Wissenschafter angreifende Gedankenbeeinflussung in ihr Bewußtsein nicht hineinlassen, beweisen sie damit deren vollständige Ohnmacht; denn böse Annahmen können ihnen nur dann schaden, wenn sie sie in ihr Bewußtsein einlassen. Die Bibel enthält viele Warnungen vor den Argumenten des sterblichen, fleischlichen Gemüts. Im 1. Buch Mose ist es die sprechende Schlange, die das Weib verführt. Im Evangelium des Matthäus wird uns berichtet, daß der Teufel, das Böse, unsern Meister in der Wüste versuchte. In einem seiner großen Gleichnisse nimmt Jesus auf das Böse Bezug und erklärt, daß das bei Nacht unter den guten Samen gesäte Unkraut „die Kinder der Bosheit” sind. Die Stimme des Irrtums ist in der Bibel als „Ohrenblasen” bezeichnet; ein andermal wird das Böse „ein brüllender Löwe” genannt, der „sucht, welchen er verschlinge”, und schließlich in der Offenbarung ist es „ein großer, roter Drache”, der das Weib mit einer Flut von Lügenvorwänden zu überwältigen droht.
In der Encyclopaedia Britannica ist „Suggestion” erklärt als „die Übermittlung irgend einer Behauptung ... und zwar in einer Weise, daß diese aus Überzeugung angenommen wird, obwohl keine hinreichenden folgerichtigen Gründe für die Annahme vorliegen”. Zu beachten ist, daß diese Erklärung behauptet, daß Suggestion wirke, „obwohl keine hinreichenden folgerichtigen Gründe für die Annahme vorliegen”. Wie wahr doch diese Erklärung ist! Noch nie hat eine im Namen der Wahrheit auftretende unwahre angreifende Gedankenbeeinflussung „hinreichende folgerichtige Gründe für ihre Annahme” gehabt. Gibt es einen hinreichenden, göttlich folgerichtigen Grund, warum jemand die Einflüsterung annehmen sollte, daß er krank, sündig oder arm sei? Nein, es gibt keinen, und ein Christlicher Wissenschafter sollte immer aus der Hut sein, daß er alle derartigen Scheinvorwände zurückweist. Der Aufsatz in der erwähnten Enzyklopädie erörtert ziemlich ausführlich, wie Einflüsterung zu wirken scheint, um einen bewußt oder unbewußt zu beherrschen, und wie sie durch Massenpsychologie versuchen kann, eine Anzahl Menschen oder ein Volk zu beherrschen. Aber in dem Aufsatz ist nicht gezeigt, wie sich die Sterblichen auf unfehlbare und wissenschaftliche Art gegen böse Gedanken oder Einflüsterung schützen können. Diese Unterlassung braucht uns nicht wunderzunehmen; denn das sterbliche Gemüt kann seinen eigenen Übeln kein Gegenmittel verschaffen. Gott allein „heilet alle deine Gebrechen”, und nur durch göttliche Offenbarung wurde der Menschheit das Heilmittel für böse Gedanken zuteil. Das Heilmittel konnte nur durch wissenschaftliche, geistige Gotteserkenntnis kommen, die allein das Böse unwirksam macht und zerstört.
Unzählige falsche Annahmen scheinen an die Tür des menschlichen Bewußtseins zu klopfen; aber alle diese Einlaß begehrenden Annahmen sind stets falsche Gedankenbeeinflussungen, die sich Anerkennung zu verschaffen suchen. Der Ausdruck angreifende Gedankenbeeinflussung umfaßt das ganze Wirken falscher Annahmen, die über die Menschen zu herrschen suchen. Es ist ein passender Ausdruck; denn er ist umfassend, verständlich und grundlegend genug, die Machenschaften des Bösen, die das menschliche Denken zu erreichen und zu beherrschen suchen, bloßzustellen. Daher die Wichtigkeit, sich täglich gegen seine Scheinvorwände zu schützen.
Ein Christlicher Wissenschafter könnte nun die Tür seines Denkens gegen Furcht vor Unfall verschließen; aber das würde nicht unbedingt verhüten, daß eine andere Einflüsterung, z.B. Armut, versuchen würde, sich Gehör zu verschaffen. Sich gegen böse Annahmen schützen, ist nicht schwer, wenn man erkennt, wie das Böse vorgeht. Zahllose falsche Annahmen sind einfach angreifende Gedankenbeeinflussungen, so daß sie alle aus unserem Bewußtsein ausgeschlossen werden, wenn wir uns geistig wissenschaftlich dagegen schützen. Unsere Führerin wurde göttlich geführt, diesen Ausdruck zu wählen, und Christliche Wissenschafter sollten ihren Rat befolgen und den Ausdruck insbesondere bei ihrer täglichen Arbeit zu ihrem Schutz gebrauchen. Wir können nicht gut der Reihe nach oder im einzelnen alle Irrtümer des materiellen Sinnes verneinen,— es sind ihrer zu viele; aber der Ausdruck „angreifende Gedankenbeeinflussung” umfaßt alle, und wenn die Wahrheit wissenschaftlich angewandt wird, kann uns das Böse in keiner Form schaden. Natürlich würde sich der wachsame Wissenschafter, sollte sich eine besondere Einflüsterung zu behaupten versuchen, mit diesem besonderen Argument ausdrücklich befassen.
Zu allen Zeiten haben viele Männer und Frauen das Gute geliebt und haben gerungen, es zu vollbringen, sind aber damit nicht sehr erfolgreich gewesen, weil sie nicht verstanden haben, den Sieg über das Böse zu gewinnen. Die Tücke des Bösen schien ihnen zu entgehen und ihnen Trotz zu bieten. Sie konnten nicht verhüten, daß böse Gedanken durch Einflüsterung in ihr Bewußtsein gelangten, sie des Friedens und der Gesundheit beraubten und ihnen vielleicht gerade in der Siegesstunde die Früchte des Sieges raubten. Die Christliche Wissenschaft ist die genaue Gemüts-Wissenschaft, die uns Gott verstehen und das Böse überwinden lehrt.
Ein Christlicher Wissenschafter hatte jahrelang gegen die Annahme und das Argument Geldmangel gekämpft, ohne eine Änderung der Lage zu erreichen. Schließlich wurde es diesem Schüler klar, daß er an der Tatsache festhalten mußte, daß die göttliche Liebe ihn mit geistigen Ideen versorgt; daß diese Ideen seinen Nöten abhelfen, ihm dienen und seine menschlichen und geistigen Bedürfnisse befriedigen; und daß er alle Argumente und Einflüsterungen von Armut und Mangel aus seinem Denken ausschließen mußte. Der Schüler hatte diesen Mangelargumenten Gehör geschenkt und ihnen erlaubt, ihre Scheinansprüche vorzubringen. Er erkannte, daß er das nicht zulassen durfte, sondern die Tür schließen mußte anstatt zu versuchen, diese Ansprüche durch Widerlegen zum Schweigen zu bringen. Bald war seiner Not abgeholfen, und von jener Zeit an verließ er sich getreu auf das Gemüt, und seine Bedürfnisse wurden reichlich befriedigt.
Wenn ein Christlicher Wissenschafter darauf achtet, daß sein Denken immer von Liebe zu Gott und dem Menschen erfüllt ist, ist er stets geborgen. Behauptungen der Wahrheit und Verneinungen des Irrtums sind mächtig und wirksam, wenn das Denken die Weihe des Geistes zum Rückhalt hat; aber die göttliche Eingebung muß unsere Bitten mit Heilkraft beschwingen. Wenn wir uns der Allgegenwart der Liebe bewußt sind, können böse Annahmen uns nicht erreichen. Sie fliehen vor dem göttlichen Licht, das wir widerspiegeln, wie Schatten vor der Morgendämmerung. In „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” (S. 210) schreibt Mrs. Eddy: „Geliebte Christliche Wissenschafter, lasset euer Gemüt so von der Wahrheit und der Liebe erfüllt sein, daß Sünde, Krankheit und Tod nicht eindringen können. Es ist klar, daß einem Gemüt, das schon voll ist, nichts hinzugefügt werden kann. Ein von Güte erfülltes Gemüt hat keine Tür, durch die das Böse eindringen, und keinen Raum, den es ausfüllen kann. Gute Gedanken sind eine undurchdringliche Schutzwehr; seid ihr damit ausgerüstet, so seid ihr gegen die Angriffe des Irrtums jeder Art vollständig geschützt”.
