Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Vortrag

Die Philosophie und Ausübung der Christlichen Wissenschaft

Aus der November 1937-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die christlich-wissenschaftliche Bewegung hat sich über die ganze zivilisierte Welt ausgebreitet; ihr wunderbares Wachstum erregt die Aufmerksamkeit und Achtung aller denkenden Menschen. Das Interesse an der Bewegung wächst, sie wird nicht nur von denen unterstützt, die in Not und Elend verstrickt der Hilfe bedürfen, sondern auch von denen, die an der kulturellen Entwicklung der Welt arbeiten.

Es ist wichtig, sich vornherein darüber im Klaren zu sein, daß die Christliche Wissenschaft keine Erfindung, keine formulierte Theorie, noch ein menschlich ersonnenes System ist, sondern eine Entdeckung, eine Enthüllung der göttlichen Wahrheit und ihrer Anwendbarkeit für die Menschheit.

Entdeckt wurde die Christliche Wissenschaft im Jahre 1866 durch Mary Baker Eddy, deren hohe Geistesgaben sie befähigten, diese Wahrheit zu erkennen. Sie war eine Frau Neu-Englands, deren Vorfahren wegen ihrer Ehrenhaftigkeit und Tapferkeit allgemein bekannt waren.

Mrs. Eddy nannte ihre Entdeckung „Christian Science”, auf deutsch „Christliche Wissenschaft”. Dies ist ein Name, der genau das Wesen dessen wiedergibt, was sie in den Worten und Werken Christi Jesu gefunden hatte,— daher die Bezeichnung „christlich”. „Wissenschaftlich” wird die Entdeckung genannt, weil sie exakt und beweisbar ist. Sie nannte sie auch die Wissenschaft des göttlichen Gemüts, die Wissenschaft des göttlichen Geistes. Ihre ganze Lehre und Demonstration bringt das geistig-mentale Reich des göttlichen Gemüts ans Licht.

Eine vollständige Darlegung dieser Entdeckung hat Mary Baker Eddy in ihrem Lehrbuch „Science and Health with Key to the Scriptures” (auf deutsch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”) dargeboten, einem Werk, das im Jahre 1875 veröffentlicht wurde.

Obwohl die Wahrheit notwendigerweise immer existiert haben muß, wurde sie doch nicht in vollem Umfange erkannt und verstanden, auch wurde ihr heilendes und erlösendes Wirken weder allgemein geglaubt noch angewandt. So wurde auch die Wahrheit, die hinter dem Wort der Bibel steht, früher nicht völlig erfaßt, weil sie nicht erkannt wurde. Die Sprache der Bibel wurde nicht richtig gedeutet, weil sie nicht geistig verstanden wurde. Darum wurde auch die Wahrheit nicht im täglichen Leben praktisch angewandt, bis ihre Philosophie und ihre Wissenschaft durch die Christliche Wissenschaft geoffenbart wurden.

Es war immer ein großes Sehnen vorhanden, die Wahrheit zu verstehen, um so einen richtigen Begriff des Daseins zu erlangen. Dies ist durch die Christliche Wissenschaft ermöglicht worden, denn sie gibt eine umfassende Philosophie des Lebens; und es ist der Zweck dieses Vortrags, in Kürze die Grundlagen der Philosophie und der Anwendung der Wahrheit, die durch diese Wissenschaft vermittelt werden, darzustellen.

Wahre Philosophie

Der Begriff Philosophie hat eine hohe und wichtige Bedeutung; er muß richtig erfaßt werden, denn er ist oft falsch gedeutet und unrichtig in einer verstiegenen und unanwendbaren Weise gebraucht worden. Philosophie bedeutet dem Wortsinne nach „Liebe zur Weisheit”, das Forschen nach Ursachen, Gesetzen, Gründen, Kräften und Elementen, die Tatsachen und Dasein erklären. Die Philosophie der Christlichen Wissenschaft gründet sich auf die Ontologie, d.h., „die Wissenschaft vom wirklichen Sein”, eine Wissenschaft, die das ursprüngliche und endgültige Prinzip entfaltet, das aller Existenz zu Grunde liegt und diese erklärt.

Die Philosophie der Christlichen Wissenschaft umfaßt daher die Lehren über die Natur der absoluten Existenz, über das, was tatsächlich existiert und beweisbar wahr ist; weiter die zergliedernde Untersuchung des endlichen, menschlichen Daseins, dessen, was nur scheinbar existiert und nicht absolut wahr ist. Ferner schließt sie die praktische Anwendung der Wahrheit zur Lösung menschlicher Probleme ein.

Philosophie, wie man sie gewöhnlich darstellt, besteht in weitem Umfange aus Spekulationen über das materielle Dasein und aus materiellen Schlußfolgerungen. Man spricht daher von einer materialistischen Philosophie.

Die idealistische Philosophie befaßt sich dagegen mit der Untersuchung und der Lehre von der abstrakten Wahrheit, im Gegensatz zur konkreten, materialistischen Beweisführung. Wahre Philosophie enthält mithin unbedingte Wahrheiten und ist die Philosophie, auf welche Mrs. Eddy in ihren Schriften hinweist. Sie spricht von den „Lehren Jesu ... dessen Philosophie unanfechtbar ist”, und von „göttlicher Philosophie” („No and Yes”, auf deutsch „Nein und Ja”, S. 21). Ferner sagt sie von Jesus: „Er wußte, daß die Philosophie, die Wissenschaft und der Beweis des Christentums in der Wahrheit beruhen und alle Disharmonie austreiben” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 271).

Andererseits schreibt sie: „Menschliche Philosophie, Ethik und Aberglaube bieten kein demonstrierbares göttliches Prinzip, durch welches die Sterblichen der Sünde entrinnen können” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 99). Sie sagt weiterhin auf Seite 64 ihres Buches „Miscellaneous Writings” (Vermischte Schriften): „Die einzige Philosophie und Religion, welche Aufklärung geben kann, ist diejenige, die sich an die Tatsachen hält und rein spekulative Meinungen und Fabeln ablehnt”.

Mit dieser Frage befaßt sich Mrs. Eddy in wirklich aufklärender Weise in „Miscellaneous Writings” und zwar in dem Aufsatz betitelt: „Wahre Philosophie und wahres Abendmahl” (S. 344), und weiter in dem Aufsatz „Wissenschaft und Philosophie” (S. 359).

Die große Schwierigkeit war immer, daß sich die materielle Philosophie bei ihrem Suchen nach der Wahrheit und deren Darlegung durch das physische Dasein irreführen ließ und dieses als tatsächlich und wirklich annahm. Die Philosophen konnten die Unwirklichkeit der materiellen Existenz schon um deswillen nicht sehen, weil sie nicht in der Lage waren, etwas anderes an deren Stelle zu setzen. Jetzt aber, nachdem die unendliche, absolute Wahrheit von Mrs. Eddy entdeckt worden ist, wissen wir, was wirklich ist, d.h. was geistig und ewig ist; und infolgedessen erkennen wir, was unwirklich, was nicht geistig und nicht ewig ist.

Analyse des physischen Sinnes

Wir erlangen unsere Vorstellungen vom Dasein größtenteils durch das Zeugnis der körperlichen, physischen Sinne. Von Kindheit an sind wir erzogen worden, die durch diese Sinne gewonnenen Eindrücke zu deuten und ihnen zu glauben. Mit anderen Worten, wir sind erzogen zu glauben, daß wir durch diese physischen Sinne eine wirkliche materielle Welt um uns wahrnehmen.

Prüfen wir daher einen Augenblick das Zeugnis dieser Sinne. Zum Beispiel: Wir sehen nichts, wenn kein Licht da ist, ein Beweis dafür, daß wir nur Licht und seine Eindrücke wahrnehmen. Nach der Physik ist das Licht eine Wellenbewegung, eine Form von Energie oder wirkender Kraft. Wir sind gelehrt worden, seine Wirkung im Bewußtsein zu vergegenständlichen und den mentalen Eindruck einen sichtbaren Gegenstand zu nennen. Das, was wir mit unserem Auge scheinbar sehen, ist also nichts anderes, als ein vergegenständlichter Sinneseindruck, durch irgendwelche Kraft erzeugt.

Ähnlich verhält es sich mit den anderen Sinnen. Das Hören ist ein Eindruck, der durch Schwingungen hervorgerufen wird, die wir Schall nennen. Fühlen, Schmecken und Riechen sind gleichfalls Eindrücke, verursacht durch verschiedenartige Schwingungen oder Kräfte. Wir sehen also, daß die fünf körperlichen Sinne nur Zeugnis ablegen können über Eindrücke, die durch Kraft bewirkt werden, nicht durch Materie.

Wie mental alle diese Sinneseindrücke sind, erweist sich aus der Tatsache, daß ein Mensch, der schläft oder übermüde ist, gewisse Töne und Geräusche seiner Umwelt nicht mehr hört, obwohl die sogenannten materiellen Schallquellen und materiellen Gehörorgane unverändert geblieben sind. Diese rein mentale Natur der Sinneseindrücke wird uns sogar noch klarer, wenn wir uns daran erinnern, wie ein Mensch, der ganz wach ist, und dessen Geist angespannt arbeitet jedoch auf einen gewissen Gegenstand gerichtet ist, für die von seiner materiellen Umwelt ausgehenden Schall- oder Lichtempfindungen gänzlich unempfänglich sein mag.

Menschliche Philosophie und Psychologie können also materielle Gegenstände und Materie nur als vergegenständlichte Sinneseindrücke erklären. Es gibt keine unmittelbare Gewißheit von der Existenz der sogenannten materiellen Dinge als konkreter, substantieller oder stofflicher Wesenheiten; sie können vielmehr nur als mentale Eindrücke wahrgenommen und klassfiziert werden. Die einfache Überlegung lehrt uns also, daß der mentale oder gedankliche Eindruck der einzige Beweis der Existenz irgendeines Dinges ist.

Weiter ist es mathematisch erwiesen, daß Masse und Größe eines Gegenstandes sich mit seiner Geschwindigkeit ändern. Das ist ein sicherer Beweis dafür, daß ein sogenannter materieller Gegenstand nicht ein bestimmter, fester Körper ist, daß vielmehr seine scheinbare Substanz eine materialistische Vorstellung ist, ein bloßer Sinneseindruck, veränderlich und daher irreführend.

Analyse der Materie

Die moderne Physik lehrt uns, daß das Atom, das man früher für den kleinsten Bestandteil der Materie ansah, ausschließlich aus Energie besteht, d.h. aus elektrischen Kräften und Spannungen, aus positiven und negativen elektrischen Ladungen. Die Zusammenballung von Atomen zu Elementen, materiellen Substanzen und Gegenständen ist mithin nichts anderes als eine Zusammenballung von Energie. Hieraus folgt, daß das, was Materie genannt wird, lediglich aus Energie oder aktiver Kraft besteht.

Die moderne Physik beweist also, daß es so etwas wie einen materiellen Stoff garnicht gibt, daß vielmehr alles, was wir sehen, hören, fühlen, schmecken oder riechen, nichts anderes ist als Energie, als die Wirkung einer Kraft, also eine Art Schwingung. Bedauerlicherweise kann uns aber die Physik nicht darüber belehren, was Kraft eigentlich ist. Lehrbücher und Wörterbücher erklären sie aus ihren Wirkungen, erklären jedoch nicht, was sie an sich ist. Für die menschliche Wissenschaft ist Kraft nach wie vor ein Rätsel.

Die Christliche Wissenschaft bietet eine wahrhaft wunderbare Entdeckung, die weitgehendst das Wesen des Zeugnisses der physischen Sinne erklärt und auf göttlich-geistiger Basis beruht. Auf Seite 484 des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuches „Wissenschaft und Gesundheit” finden wir die vollkommen neue und aufsehenerregende Verkündigung: „Physische Kraft und sterbliches Gemüt sind eins”. Die physische Kraft, die wir wahrnehmen, und der materielle Sinn, in der Christlichen Wissenschaft auch „Gemüt” genannt, wodurch wir die Wahrnehmung machen, sind ein und dasselbe. Mit anderen Worten: Physische Kraft wird von Mrs. Eddy „sterbliches Gemüt” genannt; sie ist also sozusagen „gemütsartig”. Folglich ist alles, was wir hören, fühlen, schmecken oder riechen, mental. Diese Entdeckung löst das alte philosophische Rätsel, wie man das Dasein ohne die vermeintliche Wesenheit, Materie genannt, erklären kann. Da unsere Existenz tatsächlich mental, d.h. gedanklich ist, da das Bewußtsein, die Erkenntnis des Seins und alles dessen, was es einschließt, notwendigerweise auch mental ist, eine „Sache des Gemüts”, so begreifen wir, daß das ganze Sein nur gedanklich ist. Diese Erkenntnis beantwortet die Frage, was es mit dem physischen Sinnenzeugnis auf sich hat, soweit es sich um das Wesen der Materie handelt.

Prüfung des Zeugnisses des physischen Sinnes

Wir müssen uns darüber klar werden, ob dieser mentale Sinn des Daseins und die Eindrücke desselben wirklich sind oder nicht. Man wird ohne weiteres einräumen, daß mentale Eindrücke nicht um deswillen wirklich und wahr zu sein brauchen, weil der Schein dafür spricht. Wir alle wissen, daß Entfernung, Schall, Perspektive und Luftspiegelungen das Urteil irreleiten, bis sie durch das Verstehen der Tatsachen richtig gestellt werden. Wir beurteilen also das Zeugnis der Sinne solange nicht richtig, als wir nicht die eigentlichen Tatsachen kennen.

Interessant ist es auch, sich zu vergegenwärtigen, daß wir die Wahrheit als solche durch die physischen Sinne nicht erkennen können. Die Wahrheit einer mathematischen Aufgabe sehen wir beispielsweise nicht durch bloßes Hinschauen mit dem Gesichtssinn. Ohne ein gewisses Verständnis der Mathematik kann diese Wahrheit nicht gesehen werden. Daher sieht man eine mathematische Wahrheit nur durch mathematisches Verstehen, eine Fähigkeit, die wesentlich verschieden ist von der des physischen Sinnes.

Aus dem gleichen Grunde wird irgendeine Wahrheit, etwa eine Wahrheit in der Rechtswissenschaft oder der Logik, eine Wahrheit in Handel und Beruf, in Kunst und Wissenschaft nicht durch den physischen Sinn, sondern einzig und allein durch das Verstehen der betreffenden Sachen erfaßt.

Auf diesem Wege gelangen wir schließlich zur Erkenntnis der überraschenden Tatsache, daß wir vermittels unserer physischen Sinne niemals etwas Wirkliches wahrnehmen,— es gibt für uns nur Sinneseindrücke. Somit stehen wir vor der Frage: Was ist überhaupt wahr, wenn es das Zeugnis der physischen Sinne nicht ist, wenn das, was wir sehen, hören, fühlen, schmecken, riechen unwirklich ist? Mit anderen Worten: Was ist Wahrheit? Diese Frage ist durch alle Jahrhunderte gestellt worden.

Wahrheit als Tatsache

Die Wörterbücher bestimmen den Begriff Wahrheit inhaltlich als Übereinstimmung einer Aussage mit den Tatsachen, als wirkliches Sein, als tatsächlichen Zustand der Dinge, als geistige Wirklichkeit, als Tatsache. Wir folgern daraus, daß die Wahrheit in der Wissenschaft das feststehende Prinzip, das unumstößliche Gesetz, die Richtigkeit, die Tatsächlichkeit, die Wirklichkeit ist. Das Wort Wahrheit gebraucht man auch in einem niederen Sinn, nämlich als Bezeichnung des Zustandes des Wahr-Seins, in Übereinstimmung mit den Tatsachen, usw.

Wir müssen daher klar unterscheiden zwischen unbedingter Wahrheit, welche die Tatsächlichkeit und Wirklichkeit des Seins ist, und der nur bedingten Wahrheit, welche nicht mehr ist als der bloße Augenschein irgendeines Dinges. Absolute Wahrheit ist unabhängig, in sich selbst bestehend, unzerstörbar und unversehrbar. Sie ist unendlich, was Menge, Wesensart, Beschaffenheit, Lage, Gegenwärtigkeit anbelangt; sie ist unendlich nach ihrer Fähigkeit, nach ihrer Herrlichkeit und Vollkommenheit. Es ist für uns von höchster Wichtigkeit, zu verstehen, was Unendlichkeit bedeutet, denn dieser Ausdruck Unendlichkeit erklärt die Natur alles wirklichen Seins, erklärt Gott und Seine Schöpfung.

Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, daß Unendlichkeit nicht nur Unermeßlichkeit und Vollkommenheit einschließt, sondern auch Allheit der Qualität und des Seins. Von jedem Ort aus können wir zum Beispiel im Bereich der Mathematik das Ganze verstehen, sowohl das einfache Rechnen wie die höhere Mathematik. Daraus folgt, daß die ganze mathematische Wahrheit überall gegenwärtig ist. Genau so ist auch die ganze geistige Wahrheit überall gegenwärtig. Wir können an jedem Ort alles wissen, was es zu wissen gibt. Erst dann wird es uns verständlich, daß gerade dort, wo ein disharmonischer Zustand zu sein scheint, in Wirklichkeit nur die Wahrheit und ihr harmonisches Wirken gegenwärtig ist. Wir verstehen so, daß die Gegenwart der Wahrheit, wenn wir sie zur Wirklichkeit machen können, eine heilende Gegenwart ist, die Krankheit und Sünde zerstört und die Menschen freimacht.

Weil Wahrheit unendlich ist, ist sie auch unendliche Macht, und diese Macht befähigt die Wahrheit, zu bleiben, was sie ist, und so der Zerstörung zu widerstehen.

Da Wahrheit unendlich ist, ist sie alles was es gibt, alles wirkliche Sein und alle Existenz. Daher schließt sie alle tatsächlichen Wirklichkeiten und alle Eigenschaften des Seins in sich. Durch die Christliche Wissenschaft erwacht die Menschheit zu diesen Tatsachen und fängt an wahrzunehmen, daß wirkliche Macht, Intelligenz, Substanz, Ursache, Gesetz, Leben, Tätigkeit und Liebe wahr sind, daß sie mental und geistig und daher in der unendlichen Wirklichkeit eingeschlossen sind und deren Natur ausmachen.

Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß diese unendliche, absolute, göttliche Wahrheit Gott selbst ist, der Gott, der Alles-in-Allem ist, der alle Grundeigenschaften der Wahrheit, des Gemüts, des Geistes in sich schließt, und der, wenn richtig verstanden, alle Normen und Verheißungen der Heiligen Schrift erfüllt.

Geistiges Unterscheidungsvermögen

Manchen wird es anfangs schwer, die Lehren der Christlichen Wissenschaft zu verstehen. Auch wenn sie des Englischen mächtig sind, so ist damit noch nicht gesagt, daß sie den Sinn der von Mrs. Eddy angewandten Worte sofort erfassen. Sie sagt es selbst, welche Schwierigkeiten es sie gekostet hat, die ihr geoffenbarten geistigen Ideen in endlicher materialistischer Sprache auszudrücken. In diesem Zusammenhange schreibt sie: „Die Hauptschwierigkeit, die Lehren der göttlichen Wissenschaft dem menschlichen Denken exakt zu übermitteln, liegt darin, daß die englische Sprache, wie alle andern Sprachen, für den Ausdruck geistiger Begriffe und Sätze unzulänglich ist, weil man gezwungen ist, materielle Ausdrücke zu brauchen, während man es mit geistigen Ideen zu tun hat” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 349).

Von einem metaphysischen Standpunkt aus ist es natürlich unmöglich, Unendliches durch Endliches völlig zu begreifen. Man muß schon ein gewissen Maß geistigen Verständnisses, geistiger Eingebung, erreicht haben, um die geistigen Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft zu erfassen, geradeso, wie man ein gewisses Maß mathematischen Verständnisses erreicht haben muß, um Mathematik zu begreifen.

Eine Ziffer an der Wandtafel z.B. sagt demjenigen nichts, der den Wert nicht kennt, den sie ausdrückt. Die mathematische Zahl, welche eine mathematische Idee oder ein Wertbegriff ist, ist nicht in der Ziffer, sie wird vielmehr durch die Ziffer nur dargestellt. Die Zahl oder Idee ist überall, doch kann sie mit dem leiblichen Auge nicht geschaut werden. Sie kann nur mental erkannt werden, denn eine mathematische Wahrheit ist nur eine Sache des Denkens. Weiter können wir alle diese Idee besitzen und anwenden, wenn wir sie nur kennen. Wenn wir eine mathematische Formel verstehen wollen, müssen wir die mathematische Wahrheit verstehen, die durch die Ziffer in dieser Formel dargestellt wird.

Genau so können wir den geistigen Wahrheitsgehalt in Mrs. Eddys Darlegungen der Christlichen Wissenschaft nicht erfassen, wenn wir die Worte nur lesen. Wir brauchen wenigstens etwas geistiges Verständnis, um die geistigen Ideen zu erfassen, die in der Sprache der Christlichen Wissenschaft ausgedrückt sind. Dieses Verständnis entfaltet sich, wenn wir ehrlich danach verlangen und das Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit” andächtig studieren. So können wir jene geistige Eigenschaft des Denkens erlangen, die es uns ermöglicht, die geistige Wahrheit zu erkennen. Dies Ziel zu erreichen, ist und muß das Streben jedes ernsten Wahrheitssuchers sein.

Wie die Christliche Wissenschaft zu verstehen ist

Was können wir noch weiter tun, um dieses Ziel zu erreichen? Sehen wir einmal zu, wie man es in der Mathematik macht.

Mathematisches Verstehen wird gepflegt und erlangt: erstens durch ernstliches Verlangen, zweitens durch gründliches Studium und drittens durch ständiges Anwenden des Gelernten. Dadurch setzt der Schüler mathematische Wahrheiten in die Praxis um und wächst in dem Maße im mathematischen Verständnis, wie er diese Lehren und Regeln beim Ausarbeiten der Aufgaben anwendet.

Will man zu geistigem Verständnis gelangen, so ist in gleicher Weise ein ernstes Streben, ein eifriges Studieren und eine hingebungsvolle Betätigung nötig, wodurch sich das Verständnis der Christlichen Wissenschaft entfaltet. Als Jesus dem Bericht des Johannes gemäß den denkwürdigen Ausspruch tat (Joh. 8:32): Ihr „werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen”, machte er diese Verheißung von folgender Bedingung abhängig: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so ... werdet [ihr] die Wahrheit erkennen”. Bei seiner Rede bleiben, bedeutet offenbar, das rechte Verlangen danach tragen, Jesu Lehren zu erkennen, in sie einzudringen und in die Praxis umzusetzen; es bedeutet, nach bestem Können danach leben. So können wir alle unser Bewußtsein verbessern und anfangen, jene geistige Wahrheit zu erkennen, die die Menschheit frei macht von der Knechtschaft der Materie und des Bösen.

Als Jesus versprach, den Tröster zu senden, sagte er: „Und ich will den Vater bitten, und er soll euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch bleibe ewiglich: den Geist der Wahrheit” (Joh. 14:16, 17). Er versprach nicht nur in alle Wahrheit zu leiten, sondern auch den „Geist der Wahrheit” zu senden, wie er es nannte.

Wir müssen also, wenn wir lesen, studieren und nachsinnen, bestrebt sein, unsere Gedanken über die Materialität hinaus in das Reich des Geistes zu erheben, über das Körperliche und Persönliche zum Unkörperlichen und Unpersönlichen, ja, in das Reich der geistigen Wahrheit, wo wir mit Gott eins sind und uns das Wahre verwirklichen.

Dieser Geist der Wahrheit ist es also, auf den es beim Studieren und der Anwendung der Christlichen Wissenschaft ankommt, und durch den jeder das echte Christentum verstehen und betätigen kann.

Da Wahrheit Geist ist, sind wir in dem Maße geistig gesinnet, wie wir wahrhaftig gesinnet sind. Je wahrheitsgemäßer unsere Vorstellung ist, um so geistiger ist sie.

Christus Jesus

Was die Christliche Wissenschaft über Christus Jesus lehrt, ist von höchster Bedeutung, um ein richtiges Verständnis von der Philosophie und von der Ausübung der Christlichen Wissenschaft zu erlangen und sie erfolgreich durch die Tat zu beweisen.

Was sagt Mrs. Eddy über Christus Jesus in ihrem Lehrbuch? (Wissenschaft und Gesundheit, S. 589, 583):

„Jesus. Der höchste menschliche, körperliche Begriff von der göttlichen Idee, die den Irrtum rügt und zerstört und die Unsterblichkeit des Menschen ans Licht bringt”.

„Christus. Die göttliche Offenbarwerdung Gottes, die zum Fleisch kommt, um den fleischgewordenen Irrtum zu zerstören”.

Weiter sagt sie: „Das Wort Christus ist eigentlich kein Synonym für Jesus, obgleich es gewöhnlich so gebraucht wird. Jesus war ein menschlicher Name, den Jesus mit andern ebräischen Knaben und Männern gemeinsam trug, denn dieser Name ist identisch mit dem Namen Josua, dem berühmten ebräischen Führer. Christus andrerseits ist weniger ein Name als eine göttliche Benennung für Jesus. Christus drückt das geistige, ewige Wesen Gottes aus. Der Name ist gleichbedeutend mit Messias und weist auf die Geistigkeit hin, die in dem Leben, dessen Verkörperung Christus Jesus war, gelehrt, veranschaulicht und demonstriert worden ist. Der eigentliche Name unsres Meisters war im Griechischen Jesus, der Christus; aber Christus Jesus bezeichnet besser den Gottähnlichen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 333).

Der Name Jesus bezeichnet also eine Person, während Christus ein unpersönlicher Titel ist, der Jesus beigelegt wurde.

Sein Erscheinen war einerseits im Fleisch und andererseits geistig. Diese Doppelnatur befähigte ihn, die Bedürfnisse der Menschheit völlig zu verstehen. Sie rüstete ihn aber auch mit der geistigen Kraft aus, die notwendig war, um die heilende Wahrheit auf diese Bedürfnisse anzuwenden, nämlich die Wahrheit, daß der Mensch in Wirklichkeit das Kind Gottes ist. Diese heilende Kraft war es, die ihn zum Messias oder Christus, zum Heiland, machte.

Wir können nun verstehen, wie es möglich ist, daß Gott in uns wirkt, daß, wie die Heilige Schrift sagt, der Christus in uns sein kann. Da Gott die Wahrheit ist, ist Gott mit uns als der Immanuel, wenn wir die Wahrheit erkennen und sie in unserem menschlichen Bewußtsein widerstrahlen. Wie wir das göttliche Gemüt erkennen und widerstrahlen, haben wir das Gemüt Christi in uns, wie Paulus sagt. Die richtige Erkenntnis Gottes, das Verständnis der göttlichen Wahrheit, ist infolgedessen die Erleuchtung des Christus in uns oder das Kommen des Christus zum menschlichen Bewußtsein. Dies macht es uns möglich, die Wahrheit auf unsere menschlichen Probleme anzuwenden.

Die Christliche Wissenschaft ist daher das Kommen des Christus als unpersönliche Wahrheit, als göttliche Wissenschaft, die sich im menschlichen Bewußtsein als endgültige Offenbarung entfaltet.

Das Böse

Das Böse ist für das menschliche Gemüt immer rätselhaft gewesen, und zwar deshalb, weil das Böse stets als eine Wirklichkeit angesehen wurde. Da aber das unendliche Gute das Wesen der Wirklichkeit ist, ist das Böse die vermeintliche Abwesenheit des Guten, also die Umkehrung des Guten; kurz: das Böse ist ein negativer Zustand, der lediglich auf der menschlichen Unwissenheit über das Gute beruht. Das macht es möglich, das Böse als Illusion zu erkennen, und diese Illusion mit dem Geist der Wahrheit zu vertreiben, dem Geist der göttlichen Liebe. Die Liebe ist das Prinzip des Guten; die Anwendung dieser Wahrheit zerstört die Erscheinung des Bösen, genau so wie die Finsternis verschwindet, wenn das Licht scheint.

Das Böse, das, wie ohne Weiteres klar ist, zu Gott in keiner Beziehung steht, hat kein Prinzip, keine wirkliche Ursache und keine Macht. Diese wissenschaftliche Tatsache enthüllte sich Mrs. Eddy durch Offenbarung. Durch Eindringen in ihre Schriften können auch wir sie verstehen und anwenden und damit die Unwirklichkeit des Bösen beweisen. Wir können beweisen, daß das Böse kein Gemüt hat, weil Gott, das unendliche Gute, das einzige Gemüt ist; daß es keine wirkliche Substanz hat, weil Gott, der unendliche göttliche Geist, die einzige Substanz ist; daß das Böse kein wirkliches Leben hat, weil Gott das einzige Leben ist. Folglich ist das Böse ohne Gemüt, untätig, ohne Leben, also ein Nichts, das nur einem getäuschten materiellen Sinn als wirklich erscheinen kann. Da die Christliche Wissenschaft es uns ermöglicht, das wahre Wesen Gottes, der Wahrheit, als das Unendliche, als die Allheit, das Allumfassende, als Vollkommenheit zu schauen, befähigt sie uns auch, das Böse als Irrtum zu sehen, als nichtig, als Nichts.

Leben

Die Frage, „Was ist Leben?” beschäftigt das menschliche Denken ebensosehr wie die Frage: „Was ist Wahrheit?” Das kommt daher, weil sie unser gegenwärtiges Bewußtsein von Existenz unmittelbar angeht. Es ist einleuchtend: Leben bedeutet Dasein und auch Fortdauer des Daseins. Halten wir unser menschliches Dasein für materiell, so halten wir es für ein Produkt der Materialität. Solches Suchen von Leben in der Materie oder in einem Ergebnis der Materie führt notwendigerweise zu der Annahme, daß Leben eine Form physischer, chemischer und biologischer Kraft sei. Dies führt uns weiter zu der Annahme, Leben sei auf eine chemische Tätigkeit zurückzuführen, es entspringe nicht nur materieller Kraft, sondern werde auch von dieser Kraft getragen und durch sie erhalten. Durch diese Untersuchung kommen wir dazu, alle Erscheinungsformen des Lebens tatsächlich auf Kraft irgendwelcher Art zurückzuführen.

Doch wissen wir, daß Kraft nichts anderes ist als Gemüt, daher können wir sehen, daß das menschliche Leben, das wir als materiell ansehen, in Wirklichkeit rein mental ist. Leben ist somit Bewußtsein,— eine Erkenntnis, die uns dem wirklichen Wesen des Lebens näher kommen läßt. Eine weitere Untersuchung zeigt uns, daß selbst das menschliche Leben keinen materiellen Ursprung hat, daß es vielmehr nur ein verfälschtes Bild, eine falsche Darstellung ist von etwas, das weit über den menschlichen Sinn hinausgeht.

Eine mathematische Analogie mag uns zu einem besseren Verständnis verhelfen. Wir alle sehen, daß das, was eine mathematische Tatsache ausmacht — z.B. zwei und zwei ist vier — und was ihr Dauer gibt, nicht in den materiellen Ziffern oder Symbolen liegt, sondern in der mathematischen Wahrheit, die hinter den Ziffern steht. Die mathematische Wahrheit ist daher das Leben der mathematischen Tatsache. Kurz, wenn ich mich so ausdrücken darf: mathematische Wahrheit ist mathematisches Leben.

In gleicher Weise sehen wir, daß die Wahrheit einer Idee dieser Idee Dauer verleiht, folglich deren Leben ist. So fangen wir an zu erkennen, daß das wirkliche Leben, unser Leben, seinen Ursprung hat in der unendlichen, göttlichen Wahrheit, die allen ihren Ideen das Sein gibt und diesem Sein ewige Dauer verleiht.

Wenn wir begreifen, daß Wahrheit unzerstörbar und Leben ewig, unsterblich ist, so gibt uns dieses Verständnis der Unsterblichkeit einen neuen Begriff vom Dasein; auch wird uns klar, daß unser Leben nicht von der Materie abhängig ist, oder von einem endlichen Zustand materieller Art, denn Leben ist unendliche Wahrheit, unsterbliche Liebe; Gott ist unser wirkliches Leben.

Christus Jesus nennt sich selbst das Leben, das Brot des Lebens, und sagt, daß er uns „das Leben” gebracht habe. Die Christliche Wissenschaft lehrt uns diese Worte verstehen. Durch seine Worte und seine Werke brachte Christus Jesus dem menschlichen Bewußtsein die göttliche Wahrheit, die das Leben ist. Wenn wir dies erkennen, verstehen wir ihn richtig, wenn er sagt: „Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen” (Joh. 17:3). Kurz: Gott durch Christus erkennen, ist wirkliches Leben.

Natur

Die philosophisch Denkenden haben der Natur — ihrem Ursprung und ihrer Ursache, ihrer Substanz und ihrer Existenz — immer ein ganz besonderes Interesse entgegengebracht. Unter Natur versteht man im allgemeinen die Macht, die alle existierenden Erscheinungen hervorbringt; auch die wirkenden Kräfte, die die Entfaltung der materiellen Schöpfung weiterführen. Das schließt ein: die Einzelkräfte, die Energien, die Gesetze und die Stoffmassen, die nach der Vorstellung des materiellen Sinnes die bestehende Ordnung der Dinge ausmachen.

Doch ist das göttliche Prinzip die Ursache, der Ursprung, die gestaltende und schöpferische Macht, aus der alle geistigen oder wirklichen Dinge hervorgehen. Es ist also klar, daß das göttliche Prinzip die Quelle und das Wesen des wirklichen Lebens ist, und daß dieses Prinzip daher alle wirklichen geistigen Erscheinungen hervorbringt. Demgemäß ist Gottes Schöpfung ganz und gar geistig; und daraus folgt, daß das schöpferische göttliche Prinzip und seine geistigen Gesetze nur andeutend versinnbildlicht sind in der materiellen Erscheinung, dem verfälschten Bild von Gottes Schöpfung,— das wir Natur nennen.

Wie wir vorhin schon festgestellt haben, ist Existenz Bewußtsein und daher mental. Folglich ist auch die materielle Natur mental. Wirkliche Natur ist jedoch eine Erscheinungsform des göttlichen Gemüts und somit göttlich-mental. Die Fülle der Formen des materiellen Lebens, ihre Entfaltung und Mannigfaltigkeit, ihre Farbe und Schönheit, sind nicht anders zu erklären denn als ein schwacher Hinweis auf die Wirksamkeit und Herrlichkeit des göttlichen Gemüts.

Betrachten wir die zerstörenden Kräfte, wie etwa Verfall, Katastrophen usw., dann hat es den Anschein, als ob es in der Natur eine in sich widerspruchsvolle Verbindung zweier Kräfte oder „Gemüter” gäbe, und zwar eines Gemüts, das gut, und eines Gemüts, das böse ist. Dieser Widerspruch will „den Gott der Natur”, wie Ihn Mrs. Eddy nennt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 44), zum Urheber von Leben und Tod, von Gut und Böse, von Harmonie und Disharmonie machen. Dieser Widerspruch bedarf der Klärung, und die Christliche Wissenschaft bringt sie. Das göttliche Prinzip, die unendliche Ursache des wirklichen Seins, kann so wenig sein Gegenteil hervorbringen und Mißklang verursachen, wie das Prinzip der Mathematik die Veranlassung für die etwaigen Fehler und Verwirrungen in den mathematischen Berechnungen eines Schülers ist. Hieraus ergibt sich also, daß die endliche, physische und disharmonische Vorstellung von der Erscheinung der Dinge einzig und allein einem verkehrten und irregeleiteten materiellen Sinne zuzuschreiben ist.

Wirkliche Natur

Wenn wir das göttliche Prinzip richtig als die Quelle der wirklichen Natur verstehen lernen, dann bekommen wir eine Ahnung davon, was Mrs. Eddy unter der Bezeichnung „die göttliche Gemüts-Kraft” (Miscellaneous Writings, S. 331) versteht. Sie erklärt: „Diese Kraft ist der Geist” (Anfangsgründe der Göttlichen Wissenschaft, S. 4), nicht die Materie. Weiter sagt sie uns: „Adhäsion, Kohäsion und Anziehungskraft sind Eigenschaften des Gemüts. Sie gehören dem göttlichen Prinzip an und halten das Gleichgewicht jener Gedankenkraft aufrecht, welche die Erde in ihre Bahn hinaussandte und zu der stolzen Woge sagte: ‚Bis hieher ... und nicht weiter‘.” Dann fährt sie fort: „Geist ist das Leben, die Substanz und Fortdauer aller Dinge. Wir wandeln auf Kräften. Entferne sie, und die Schöpfung muß zusammenfallen. Das menschliche Wissen nennt sie Kräfte der Materie; aber die göttliche Wissenschaft erklärt, daß sie ganz und gar dem göttlichen Gemüt angehören und diesem Gemüt innewohnen; so führt sie sie zu ihrer rechtmäßigen Heimstätte und Ordnung zurück (Wissenschaft und Gesundheit, S. 124).

Diese Stellen belehren uns, daß physische Kraft sterbliches Gemüt, wirkliche Kraft dagegen göttliches Gemüt ist. Weiter zeigen sie uns, daß die sogenannte physische Substanz Materie ist und die wirkliche Substanz, die Substanz der Wahrheit, Geist ist. Das ermöglicht uns, klar zu unterscheiden zwischen der Natur, die Gottes Schöpfung ist, und jenem verfälschten Bilde der Natur, das uns die physischen Sinne zeigen.

Wirkliche Schöpfung ist daher das Wirken und die Entfaltung der göttlichen Wahrheit. Mrs. Eddy schreibt im Lehrbuch: „Durch eignes Wollen sprießt kein Grashalm hervor, knospet kein Strauch im Tal, entfaltet kein Blatt seine schönen Umrisse, kommt keine Blume aus ihrer klösterlichen Zelle hervor” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 191).

Jetzt sind wir fähig, die Wahrheit über das Göttliche und das Menschliche, über das mentale Wesen der Existenz zu verstehen, und je klarer wir diese Wahrheit erkennen, um so klarer wird uns das Wirken der Natur. Jetzt begreifen wir das Keimen der Saat, das Wachsen der Pflanzen, den Sinn von Wurzel, Stamm, Blatt und Blüte, und die große Mannigfaltigkeit von Pflanzen und Tieren. Wir begreifen dies alles als ein Bemühen des sterblichen Gemüts, die Erscheinungsformen oder Ideen des unendlichen, göttlichen Gemüts nachzuahmen und zu verfälschen.

Es gibt keine andere Erklärung für die Mannigfaltigkeit der Natur, für ihr unaufhörliches Wirken, ihre fortpflanzenden Eigenschaften, ihre dauernde Entfaltung, ihre Schönheit und Zweckmäßigkeit, als die Tatsache, daß diese Erscheinungen ursprünglich nicht materiell sind, sondern vielmehr den Beweis ausmachen für die mentale Grundlage der materiellen Schöpfung, als einer Fälschung von Gottes vollkommenem Werk.

Damit beginnen wir zu begreifen, wieso und warum die Natur — bei Tier und Pflanze — das Bestreben hat, sich zu erneuern, zu heilen und zu ergänzen. Dieses Bestreben der Natur, ihre Wunden zu heilen, ist ein Wirken, das nur die heilende Kraft der göttlichen Wahrheit und Liebe nachahmt,— der Wahrheit und Liebe, deren Wirken und Kräfte dauernd und harmonisch sind.

Durch die Offenbarung der Christlichen Wissenschaft lernen wir den wahren Gott kennen, das geistige Weltall verstehen, und wir erkennen, was die Natur ihrem Wesen nach tatsächlich ist.

Darum: In dem Maße wie das menschliche Bewußtsein vom göttlichen Gemüt unterwiesen wird, wird unsere Umgebung harmonischer. Das haben viele Landwirte, die Christliche Wissenschafter sind, durch ihre Erfahrungen bewiesen. Sie haben durch die Anwendung der Wahrheit der Christlichen Wissenschaft wunderbare Erfolge in jeder Beziehung erzielt. Sie haben verstanden, daß das wahre Gesetz der Natur das Gesetz Gottes ist, und dadurch haben sie viele heilende Erfolge an Haustieren, bei Ernten, in der Land- und Forstwirtschaft erlebt, wie auch bei den mannigfachen Naturvorgängen. Daraus können wir wiederum das Wirken der Christlichen Wissenschaft ersehen und verstehen, was für eine Wohltat die heilende Kraft des göttlichen Gemüts für die Menschheit bedeutet.

Mrs. Eddy

Es ist kein bloßer Zufall, daß Mary Baker Eddy die Christliche Wissenschaft entdeckt hat. Ein sorgfältiges Studium ihres Lebenslaufs zeigt, daß sie geistig für ihre Mission vorbereitet war. Schon vor ihrer Geburt und von frühester Kindheit an schien sie von dem vergeistigten Denken ihrer Mutter und einiger Freunde derselben ganz besonders beeinflußt zu sein. Sie war frühzeitig geistig entwickelt, und noch ehe sie lesen konnte, zeigte sie großes Interesse für ernsthafte Gespräche und biblische Geschichten. Mit dem Sprechen lernte sie gleichzeitig beten. Sie betete häufig und in einer schlichten und natürlichen Art.

Oft saß sie lieber zu den Füßen ihrer Mutter, als daß sie sich zu ihren Spielkameraden gesellte, und lauschte den Worten ihrer Eltern und deren Freunde, wenn diese sich über religiöse und philosophische Dinge unterhielten. Sie wurde in verschiedenen Lehranstalten unterrichtet, und erhielt Privat-Stunden von ihrem Bruder Albert, der das Dartmouth College, in Hanover, New Hampshire, absolviert hatte und später ein angesehener Rechtsanwalt wurde. Sie erzählte, daß sie von ihm „Unterricht in den alten Sprachen, im Hebräischen, Griechischen und Lateinischen” erhielt. Weiter sagt sie, daß ihr Lieblingsstudium „Naturphilosophie, Logik und Sittenlehre” gewesen sei (Rückblick und Einblick, S. 10).

Von Kindheit an lebte Mrs. Eddy in dem Glauben, daß Gott die Kranken gesund machen könne, da ihre Mutter ihr dies oft gesagt hatte, und mit den Jahren wuchs ihr Interesse zu wissen, wie die Heilungen, von denen die Heilige Schrift berichtet, vor sich gegangen waren. Sie unterzog verschiedene sogenannte Heil-Systeme einer eingehenden Untersuchung, jedoch keins befriedigte sie, und zwar weil keins von ihnen mit den Lehren der Bibel übereinstimmte.

Späterhin hatte Mrs. Eddy einen Unfall ernster Natur, bei dem ihr Rückgrat verletzt wurde. Der Arzt, den ihre Freunde herbeigerufen hatten, sah ihren Fall als hoffnungslos an. Die Heilung, die sie drei Tage später an jenem denkwürdigen Sonntagmorgen erlebte, als jeden Augenblick ihr Ableben befürchtet wurde, war das Ergebnis einer geistigen Erleuchtung, die ihr beim Lesen des neunten Kapitels des Matthäus-Evangeliums mit dem Bericht von der Heilung des Gichtbrüchigen zuteil wurde.

Diese Erleuchtung erkannte sie als die göttliche Wahrheit, und diese Wahrheit wurde nunmehr die Grundlage ihres Forschens und Wirkens; denn sie war zu der Überzeugung gekommen, daß das Christus-Heilen jetzt ebenso möglich ist wie zu Jesu Zeiten.

Sie zog sich von der Gesellschaft zurück und widmete sich drei Jahre lang ausschließlich dem gründlichen Studium der Heiligen Schrift. Während dieser Zeit entfaltete sich ihr nach und nach die Entdeckung der göttlich heilenden Kraft als die Offenbarung der Wahrheit, welche sie später durch außergewöhnliche, meistens augenblickliche Heilungen demonstrierte. Dann legte sie diese heilende Offenbarung in ihrem berühmten Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” nieder und bot sie so der Welt dar.

Ich bin immer dankbarer, daß ich Mrs. Eddy persönlich gekannt und ihr eine Reihe von Jahren nahegestanden habe. Ich habe während dieser Zeit beobachten können, wie hervorragend treu, hingebend, selbstaufopfernd und demütig sie war.

Zusammenfassung

Was sind nun die Grundlagen der Philosophie der Christlichen Wissenschaft? Ich fasse sie kurz zusammen.

Erstens die absolute Wahrheit: Gott ist unendliches Gemüt, der Mensch ist Seine geistige Idee und das Universum ist Gottes vollkommener geistiger Ausdruck; mit anderen Worten — die Tatsachen der Wirklichkeit.

Zweitens: Es ist wesentlich zu erkennen, daß die sogenannte materielle Existenz rein mentaler Natur ist, ein Zustand des Bewußtseins. Die Wirklichkeit ist geistig und unendlich; daher ist alles Materielle, alles Böse und alles Endliche unwirklich.

Und was sind nun die Grundlagen für die Ausübung der Christlichen Wissenschaft?

Erstens: Ein klares geistiges Bewußtsein von der Wirklichkeit — ein Wissen vom wirklichen Gott, vom wirklichen Menschen und vom wirklichen Universum.

Zweitens: Eine klare Erkenntnis der Unwirklichkeit von Gottes Gegenteil, von der Unwirklichkeit der Materie und ihre Folgeerscheinungen,— der Materialität, der Krankheit, des Unglücks, des Todes und allen Übels.

Auf dieser Basis des göttlich Wirklichen und der daraus folgenden Erkenntnis aller unharmonischen Zustände als Irrtum und als Falschheit, behandelt die Christliche Wissenschaft diese Zustände als Fehler und berichtigt sie durch eine genaue Anwendung der göttlichen Wahrheit. Die heilende Macht wird auf diese Falschheiten angewandt durch das richtige Erkennen des Christus, der geistigen Idee des heilenden Prinzips der göttlichen Liebe, wie es ursprünglich von Jesus demonstriert wurde, und wie es durch die Christus-Wissenschaft wieder anwendbar geworden ist.

Kurz gesagt: Die Philosophie der Christlichen Wissenschaft ist die Philosophie der göttlichen Wahrheit, des göttlichen Gemüts. Die Ausübung der Christlichen Wissenschaft besteht in der Anwendung der Wahrheit, des Gemüts; sie ist daher, streng genommen, Wahrheits-Heilen, oder, wie Mrs. Eddy es nennt, Gemüts-Heilen.

Vor allem muß man klar erkennen, daß die Christliche Wissenschaft, nach ihren Lehren und Werken zu urteilen, der verheißene Tröster ist. Sie macht Gott den Menschen verständlich, sie stellt das ursprüngliche Christentum und das ihm wesentliche Element des Heilens wieder her; auch gibt sie uns eine vernünftige, folgerichtige und beweisbare Auslegung der Heiligen Schrift. Ihr besonderes Verdienst ist es aber, daß sie uns die Lehren Christi Jesu verstehen lehrt, ein Verständnis, das uns befähigt, diesen Lehren wahrhaft zu gehorchen und deren verheißene Segnungen zu empfangen.

Durch das richtige Verstehen und das richtige Anwenden dieser Lehren können wir von den bösen Einflüssen der Welt befreit werden, wir können geheilt und erlöst werden, und dieser tatsächliche Tröster bringt der Menschheit unaussprechlichen Trost und völlige Erneuerung. So bietet die Christliche Wissenschaft auf einer göttlichen Grundlage eine ausführbare Lösung dar, nicht nur für alle persönlichen Probleme, sondern auch für alle Weltprobleme.

Im Evangelium Johannes (15:26 und 16:13) lesen wir: „Wenn aber der Tröster kommen wird, welchen ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird zeugen von mir”. Und: „Der wird euch in alle Wahrheit leiten.”

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / November 1937

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.