Auf Seite 259 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” erklärt Mrs. Eddy, daß der Mensch „keine abgesonderte Einzelidee ist; denn er stellt das unendliche Gemüt, die Summa aller Substanz, dar” Es ist undenkbar, daß ein Kind Gottes einsam, freundlos oder abgesondert sein könnte; denn ein solcher Zustand würde bedeuten, daß der Mensch von Gott getrennt werden könnte.
Junge Leute, die dem Licht der Christlichen Wissenschaft folgen, mögen zuweilen denken, daß sie mit anderen ihres Alters, die keine Christlichen Wissenschafter sind, wenig oder nichts gemein haben, und sie haben vielleicht das Empfinden, daß der Verkehr mit solchen Leuten für ihr geistiges Wachstum nicht von Vorteil sei. Dieses Verhalten darf nicht angenommen werden, weil gute Kameradschaft im rechten Sinne mit den sie begleitenden wertvollen Lehren in Demut, Selbstlosigkeit, Zusammenarbeit, Gemeinschaftssinn und Ritterlichkeit einer unendlichen unparteiischen Quelle entspringt und von Rechts wegen zu der Erfahrung jedes Menschen gehört. Zweifellos wird es jedoch notwendig werden, die Spreu eines rein oberflächlichen, nutzlosen und schädlichen Sinnes persönlichen Verkehrs von dem Weizen der wahren oder geistigen Idee von Kameradschaft zu trennen.
Der Einwand, daß man bei seinem Trachten nach dem Geistigen schwerlich gleichgesinnte Freunde finden werde, muß zum Schweigen gebracht werden; denn wenn man sich für die Wahrheit entscheidet, kann man nichts Wirkliches und Gutes verlieren noch irgend einer rechtmäßigen Freude und Wohltat beraubt werden. „Vor dir ist Freude die Fülle und liebliches Wesen zu deiner Rechten ewiglich”. Diese Bibelworte sind beweisbar wahr.
Hingebungsvolles Trachten nach der Wahrheit und Beweisen unseres Verständnisses der Wahrheit durch reines Denken und Handeln verringern eines Menschen Wertschätzung der Kameradschaft nicht, noch machen sie ihn unnahbar, sondern machen ihn viel fähiger, ein Freund zu sein. Nicht teilnahmloses, kühles Verhalten, sondern weitgehende Anteilnahme, Nützlichkeit und Selbstlosigkeit kennzeichnen das wahrhaft erhabene Bewußtsein. Die Vorstellung, daß man trübselig und sogar finster aussehen müsse, um geistig gesinnt zu sein, ist nur ein Vorwand des sterblichen Gemüts, die Wahrheit weniger begehrenswert zu machen.
Eine junge Schülerin der Christlichen Wissenschaft hatte einen anregenden Sinn von Freundschaft unter Leuten erfahren, die bestrebt waren, den geraden und schmalen Weg der Wahrheit zu gehen, den die Christliche Wissenschaft so schön enthüllt und erleuchtet. Später kam sie an einen Ort, wo sie die angenehme Kameradschaft, deren sie sich vorher erfreut hatte, anscheinend nicht fand. Es beschlich sie ein Gefühl der Bitterkeit und der Freudlosigkeit, und sie empfand den Verlust schmerzlich, bis sie eines Tages einsah und anerkannte, daß die Güte des Vaters unveränderlich und dieselbe ist gestern, heute und in alle Ewigkeit. Sie sah, daß frohe Kameradschaft eine mentale Eigenschaft, ein mentaler Zustand ist, der so fortdauernd und ewig ist wie Gesundheit und Harmonie, wovon sie an sich selber und bei anderen zahlreiche Beweise erlebt hatte. Als sie diese Tatsache dankbar anerkannte, als sie die Neigung überwand, sich auszumalen, wie die Wahrheit über Kameradschaft in der Erfahrung ausgearbeitet werden sollte, und die Angelegenheit vertrauensvoll Gott überließ, fand sie eine ganz unerwartete und glückliche Lösung, was ihr bewies, daß Gott wahrlich „einen Tisch bereiten” kann „in der Wüste”, was auch das Bedürfnis sein mag.
Durch Selbstbedauern und Verdrießlichkeit ist noch nie ein Problem gelöst worden. Anstatt über die „Pfeile und Schleudern des wütenden Geschicks” zu jammern, muß man die Zinne geistigen Denkens zu erreichen trachten, das Gottes unaufhörliche liebevolle Fürsorge für alle erkennt. Man muß auch beständig bestrebt sein, auf dieser Höhe über dem begrenzten, unharmonischen Zeugnis des sterblichen Sinnes zu bleiben, und darf sich nicht von den mesmerischen Einflüsterungen Verzagtheit und Groll niederziehen lassen. Fühlt man sich einsam, so wird ein wenig Selbstprüfung vielleicht enthüllen, daß mehr Liebe, Freundlichkeit und Duldsamkeit not tun. Das Herz, das Wärme, Rücksicht und Freude ausstrahlt, kann des wahren Sinnes der Freundschaft nicht ermangeln.
Das Einsiedlerleben ist weder natürlich noch recht. Kameradschaft bietet den Menschen Gelegenheit zu wachsen und durch Austausch aufbauender Gedanken einander zu helfen und zu stärken. Sie erzeugt auf diese Art Selbstlosigkeit. Eine Freundschaft, die einseitig, eifersüchtig, anmaßend und selbstisch ist, ist in der Tat nur eine Nachahmung wahrer Freundschaft. Die ideale Freundschaft kommt in gegenseitigem Geben dessen zum Ausdruck, was jedermann an Liebe, Hilfsbereitschaft und Inspiration zu geben hat.
Des Menschen Erfahrung ist unbegrenzt, vollständig und schließt alles Heilsame in sich, und kein materieller Umstand begrenzter Umgebung, kein Mangel an Gelegenheit kann den Schüler der Christlichen Wissenschaft davon abhalten, diese Tatsache zu erkennen und in seinem Charakter und in seinem täglichen Leben zu beweisen.
Es liegt uns eine Äußerungsunfähigkeit im Blute, die wir bekämpfen und austreiben sollten, um der Äußerung zum Ausdruck zu verhelfen. Wir können uns dazu erziehen, wenn wir die Notwendigkeit erkennen und empfinden. Wir können es uns zur Christenpflicht machen, nicht bloß zu lieben, sondern liebevoll zu sein — nicht bloß ein wahrer Freund zu sein, sondern uns freundlich zu zeigen. Wir können uns dazu zwingen, die Freundlichkeiten zu sagen, die unser Herz bewegen, aber nicht über unsere Lippen kommen wollen — wir können die höflichen und hilfreichen Gefälligkeiten erweisen, die wir so gerne erweisen möchten, wovor wir aber zurückschrecken. Und nach und nach wird es uns leichter fallen — die Liebe, die gesprochen wird, wird die Antwort der Liebe bringen, die freundliche Tat wird eine freundliche Tat zurückbringen.—
